Urteile nº T-340/03 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, January 30, 2007

Resolution DateJanuary 30, 2007
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-340/03

In der Rechtssache T-340/03

France TÈlÈcom SA, vormals Wanadoo Interactive SA, mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollm‰chtigte: Rechtsanw‰lte O.†Brouwer, H.†Calvet, M.†Pittie, J.†Philippe und T.†Janssens,

Kl‰gerin,

gegen

Kommission der Europ‰ischen Gemeinschaften, vertreten zun‰chst durch S.†Rating und ….†Gippini Fournier als Bevollm‰chtigte, dann durch ….†Gippini Fournier,

Beklagte,

wegen Nichtigerkl‰rung der Entscheidung der Kommission vom 16. Juli 2003 in einem Verfahren nach Artikel [82 EG] (Sache COMP/38.233 - Wanadoo Interactive) oder, hilfsweise, Aufhebung oder Herabsetzung der gegen die Kl‰gerin verh‰ngten Geldbuf‌le

erl‰sst

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPƒISCHEN GEMEINSCHAFTEN (F¸nfte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Pr‰sidenten M.†Vilaras, der Richterin M.†E.†Martins Ribeiro, der Richter F.†Dehousse und D.†-v·by sowie der Richterin K.†J¸rim‰e,

Kanzler: J. Palacio Gonz·lez, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die m¸ndliche Verhandlung vom 26. April 2005

folgendes

Urteil

Sachverhalt und Verfahren

1††††††††Im Zusammenhang mit der Entwicklung des Breitband-Internetzugangs beschloss die Kommission im Juli 1999, aufgrund ihrer Befugnisse nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchf¸hrungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S.†204), in der Europ‰ischen Union eine branchenweite Untersuchung einzuleiten, bei der es u.†a. um die Bereitstellung des Zugangs zum Ortsanschlussnetz und dessen Verwendung durch Privatkunden ging. In diesem Rahmen sah sich die Kommission durch die eingeholten Informationen veranlasst, die Tarifgestaltung der Wanadoo Interactive SA (im Folgenden: WIN) f¸r die Bereitstellung des Breitband-Internetzugangs f¸r Privatkunden in Frankreich eingehend zu pr¸fen. Zu diesem Zweck leitete sie im September 2001 von Amts wegen ein Verfahren ein.

2††††††††WIN war im relevanten Zeitraum eine Gesellschaft der France-TÈlÈcom-Gruppe. Ihr Kapital wurde zu 99,9†% von der Wanadoo SA gehalten. Die Beteiligung von France TÈlÈcom am Kapital von Wanadoo schwankte im betreffenden Zeitraum zwischen 70†% und 72,2†%. Die aus Wanadoo und ihren Tochtergesellschaften bestehende Unternehmensgruppe (im Folgenden: Wanadoo-Gruppe) war mit allen Internet-Aktivit‰ten der France-TÈlÈcom-Gruppe und mit der Herausgabe von Telefonb¸chern befasst. Innerhalb der Wanadoo-Gruppe trug WIN die operative und technische Verantwortung f¸r die Internetzugangsdienste in Frankreich einschlief‌llich der ADSL-Dienste (ADSL = Asymmetric Digital Subscriber Line).

3††††††††Die Kommission ¸bermittelte WIN am 19. Dezember 2001 eine erste Mitteilung der Beschwerdepunkte (im Folgenden: erste Mitteilung der Beschwerdepunkte) und am 9. August 2002 eine zus‰tzliche Mitteilung von Beschwerdepunkten (im Folgenden: zus‰tzliche Mitteilung von Beschwerdepunkten); WIN beantwortete diese Mitteilungen am 4. M‰rz und am 23. Oktober 2002.

4††††††††Am 16. Januar 2003 ¸bermittelte die Kommission WIN ein als -Tatbestandsschreiben- qualifiziertes Schriftst¸ck (im Folgenden: Tatbestandsschreiben) und gestattete ihr, die diesem Schreiben zugrunde liegenden Akten einzusehen. Die tats‰chliche Einsichtnahme durch WIN fand am 23. und 27. Januar 2003 statt. Mit Schreiben vom 26. Februar 2003 ersuchte WIN die Kommission um Erl‰uterungen zu verschiedenen Punkten des Tatbestandsschreibens. Die Kommission antwortete mit Schreiben vom 28. Februar 2003, woraufhin WIN mit Schriftsatz vom 4. M‰rz 2003 zum Tatbestandsschreiben Stellung nahm.

5††††††††Mit Entscheidung vom 16. Juli 2003 in einem Verfahren nach Artikel [82 EG] (Sache COMP/38.233 - Wanadoo Interactive) (im Folgenden: Entscheidung) stellte die Kommission fest, dass WIN -gegen Artikel 82 [EG] verstof‌len [hat], indem [sie] im Rahmen einer Strategie zur Vereinnahmung des gerade im Entstehen begriffenen Marktes f¸r Breitband-Internetzug‰nge f¸r [ihre] Dienste eXtense und Wanadoo ADSL Verdr‰ngungspreise festlegte, mit denen [sie] bis August 2001 [ihre] variablen Kosten und ab August 2001 [ihre] Vollkosten nicht decken konnte- (Art. 1). Die Kommission gab WIN auf, diesen Verstof‌l abzustellen (Art. 2), und erlegte ihr eine Geldbuf‌le in Hˆhe von 10,35 Millionen Euro auf (Art. 4).

6††††††††In der Entscheidung wird als relevanter Markt der franzˆsische Markt f¸r den Breitband-Internetzugang von Privatkunden definiert. Die Produkte, auf die sich die Zuwiderhandlung erstrecken soll, sind die Breitband-Internetzugangsleistungen unter Nutzung von ADSL-Technologie (Wanadoo ADSL und eXtense).

7††††††††Nach den Angaben in der Entscheidung musste der Nutzer von Wanadoo ADSL im relevanten Zeitraum monatlich die Geb¸hr f¸r die erbrachte Leistung an France TÈlÈcom, die Miete f¸r das ADSL-Modem von France TÈlÈcom sowie die Internetanschlussgeb¸hr an WIN als Provider zahlen. Im Rahmen der Dienstleistungen von eXtense wurde das Modem vom Nutzer gekauft, der nur eine monatliche Anschlussgeb¸hr f¸r die Leistung von France TÈlÈcom und den unbegrenzten Internetpauschalzugang an WIN zahlte.

8††††††††Nach Pr¸fung verschiedener Gesichtspunkte, darunter der Marktanteile (Randnrn. 211 bis 222 der Entscheidung) und der Auswirkungen der Verbindung mit France TÈlÈcom (Randnrn. 223 bis 228), kommt die Kommission zu dem Schluss, dass WIN auf dem relevanten Markt eine beherrschende Stellung einnehme. Anschlief‌lend befasst sie sich mit dem Nachweis daf¸r, dass die von WIN praktizierte nicht kostendeckende Preisgestaltung mit einer absichtlichen Verdr‰ngungsstrategie zur -Vereinnahmung- des Marktes einhergegangen sei und somit einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG darstelle (Randnr. 254).

9††††††††Der Entscheidung zufolge begann die Zuwiderhandlung am 1. M‰rz 2001 und endete am 15. Oktober 2002, dem Tag des Inkrafttretens der von France TÈlÈcom im M‰rz 2002 vorgeschlagenen Abhilfemaf‌lnahme. Durch die praktizierten Tarife seien von M‰rz bis August 2001 die variablen Kosten und ab August 2001 die Vollkosten nicht gedeckt worden (Art. 1 der Entscheidung, siehe oben, Randnr.†5).

10††††††Die Entscheidung wurde WIN am 23. Juli 2003 zugestellt und ist von dieser mit einer am 2. Oktober 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichten Nichtigkeitsklage angefochten worden.

11††††††Infolge einer Verschmelzung am 1. September 2004 ist die France TÈlÈcom SA Rechtsnachfolgerin von WIN geworden.

Antr‰ge der Parteien

12††††††Die Kl‰gerin beantragt,

-††††††††die Entscheidung f¸r nichtig zu erkl‰ren;

-††††††††hilfsweise, die Geldbuf‌le aufzuheben oder herabzusetzen;

-††††††††der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

13††††††Die Kommission beantragt,

-††††††††die Klage abzuweisen;

-††††††††der Kl‰gerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche W¸rdigung

I†-††Zum Antrag auf Nichtigerkl‰rung der Entscheidung

14††††††Die Kl‰gerin st¸tzt ihren Antrag auf Nichtigerkl‰rung auf verschiedene Verfahrensr¸gen, einen Verstof‌l gegen den Grundsatz der persˆnlichen Bestrafung und eine Verletzung von Art. 82†EG.

A†-††Zum Klagegrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte und wesentlicher Formvorschriften

  1. †††††Vorbringen der Parteien

    15††††††WIN macht geltend, wenn Verdr‰ngungspreise in Rede st¸nden, m¸sse die Berechnung der Kosten als ein zentraler Punkt der betreffenden Beanstandung angesehen werden. Sie sei aber nicht nur auf Schwierigkeiten bei der Akteneinsicht gestof‌len, sondern dar¸ber hinaus seien wichtige in der Entscheidung enthaltene Aspekte der Berechnung der variablen Kosten und der Vollkosten nie Gegenstand einer Mitteilung der Beschwerdepunkte gewesen und nur im Tatbestandsschreiben ¸bermittelt worden. Darin liege eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte und eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften. Sie habe n‰mlich nicht wissen kˆnnen, welche Bedeutung und welche Stellung diesen Aspekten in der Argumentation und den Beanstandungen der Kommission zukomme, und habe deshalb die Verteidigungsrechte insoweit nicht wirksam aus¸ben kˆnnen.

    16††††††Auf‌lerdem habe die Kommission in der Entscheidung Berechnungen angestellt, die sowohl hinsichtlich der angewandten Methode als auch in Bezug auf die Ergebnisse von den Berechnungen abwichen, die in der zus‰tzlichen Mitteilung von Beschwerdepunkten zugrunde gelegt worden seien. Die Kommission habe mit der ƒnderung ihrer Pr¸fung der Kostendeckung ihre Beanstandung ge‰ndert. Im ‹brigen werde in der Entscheidung eine l‰ngere als die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannte Dauer der Zuwiderhandlung zugrunde gelegt, ohne dass sich die Beteiligten dazu h‰tten ‰uf‌lern kˆnnen.

    17††††††Nach Ansicht der Kommission ist das Vorbringen von WIN sachlich falsch und rechtlich unbegr¸ndet. Sie habe im Tatbestandsschreiben ohne ƒnderung der Pr¸fungskriterien oder der Beschwerdepunkte lediglich Rechenfehler berichtigt, auf die WIN in ihrer Antwort auf die zus‰tzliche Mitteilung von Beschwerdepunkten hingewiesen habe. Auf‌lerdem sei WIN zum Inhalt des Tatbestandsschreibens gehˆrt worden. Dessen Zweck sei es gerade gewesen, das Unternehmen in die Lage zu versetzen, seinen Standpunkt zum Vorliegen und zur Erheblichkeit des angef¸hrten Sachverhalts in sachgerechter Weise vorzubringen, was WIN auch getan habe. So habe WIN die Kommission mit Schreiben vom 26. Februar 2003 um einige Erl‰uterungen zu verschiedenen Punkten des Tatbestandsschreibens ersucht. Die Kommission habe mit Schreiben vom 28. Februar 2003 geantwortet und es WIN dadurch ermˆglicht, ihrerseits am 4. M‰rz 2003 das Tatbestandsschreiben zu beantworten. Anl‰sslich der Versendung des Tatbestandsschreibens habe sie WIN Einsicht in s‰mtliche Akten gew‰hrt, die diesem Schreiben zugrunde gelegen h‰tten. Tats‰chlich habe WIN am 23. und am 27. Januar 2003 Akteneinsicht genommen. Was die Dauer der Zuwiderhandlung angehe, so habe der Umstand, dass sie noch angedauert habe, als die Mitteilung der Beschwerdepunkte ¸bersandt worden sei, die Kommission daran gehindert, ¸ber die Festlegung des Beginns der...

To continue reading

Request your trial

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT