Beschlüsse nº T-201/04 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, December 22, 2004

Resolution DateDecember 22, 2004
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-201/04

„Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – Artikel 82 EG“

In der Rechtssache T‑201/04 R

Microsoft Corp., mit Sitz in Redmond, Washington (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt J.‑F. Bellis und I. S. Forrester, QC,

Antragstellerin,

unterstützt durch

The Computing Technology Industry Association, Inc., mit Sitz in Oakbrook Terrace, Illinois (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. van Gerven und T. Franchoo sowie B. Kilpatrick, Solicitor,

Association for Competitive Technology, Inc., mit Sitz in Washington, DC (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L. Ruessmann und P. Hecker,

TeamSystem SpA, mit Sitz in Pesaro (Italien), und

Mamut ASA, mit Sitz in Oslo (Norwegen),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt G. Berrisch,

DMDsecure.com BV, mit Sitz in Amsterdam (Niederlande),

MPS Broadband AB, mit Sitz in Stockholm (Schweden),

Pace MicroTechnology plc, mit Sitz in Shipley, West Yorkshire (Vereinigtes Königreich),

Quantel Ltd, mit Sitz in Newbury, Berkshire (Vereinigtes Königreich), und

Tandberg Television Ltd, mit Sitz in Southampton, Hampshire (Vereinigtes Königreich),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Bourgeois, sowie

Exor AB, mit Sitz in Uppsala (Schweden), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Martínez Lage, H. Brokelman und R. Allendesalazar Corcho,

Streithelferinnen,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Wainwright, W. Mölls, F. Castillo de la Torre und P. Hellström als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

unterstützt durch

RealNetworks, Inc., mit Sitz in Seattle, Washington (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Winckler, M. Dolmans und T. Graf,

Software & Information Industry Association, mit Sitz in Washington, DC, Prozessbevollmächtigter: C. A. Simpson, Solicitor, und

Free Software Foundation Europe eV, mit Sitz in Hamburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt C. Piana,

Streithelfer,

wegen Aussetzung des Vollzugs der Artikel 4, 5 Buchstaben a bis c und 6 Buchstabe a der Entscheidung C(2004) 900 endg. der Kommission vom 24. März 2004 in einem Verfahren nach Artikel 82 EG (Sache COMP/C‑3/37.792 – Microsoft)

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Microsoft Corp. (im Folgenden: Microsoft) entwickelt und vertreibt verschiedene Software, insbesondere Betriebssysteme für Server und „Kunden-PCs“.

2 Am 10. Dezember 1998 legte Sun Microsystems Inc. (im Folgenden: Sun Microsystems), ein Unternehmen mit Sitz in Kalifornien (Vereinigte Staaten von Amerika), das u. a. Server-Betriebssysteme liefert, bei der Kommission Beschwerde ein. Sun Microsystems machte in dieser Beschwerde geltend, Microsoft habe sich geweigert, ihr die Technologie zugänglich zu machen, die erforderlich sei, um die Interoperabilität ihres Betriebssystems für Arbeitsgruppenserver mit dem Windows-Client-PC‑Betriebssystem herstellen zu können. Sun Microsystems war der Ansicht, die von ihr beanspruchte Technologie sei erforderlich, um auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver konkurrieren zu können.

3 Am 2. August 2000 sandte die Kommission an Microsoft eine Mitteilung der Beschwerdepunkte. Diese Mitteilung der Beschwerdepunkte betraf im Wesentlichen Fragen der Interoperabilität der Windows-Client-PC‑Betriebssysteme mit den Server-Betriebssystemen anderer Anbieter (Client-Server-Interoperabilität). Microsoft antwortete auf diese erste Mitteilung der Beschwerdepunkte am 17. November 2000.

4 Am 29. August 2001 sandte die Kommission an Microsoft eine zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte. In dieser Mitteilung wiederholte die Kommission ihre früheren Beschwerdepunkte hinsichtlich der Client-Server-Interoperabilität. Sie griff ferner bestimmte Fragen zur Interoperabilität zwischen Arbeitsgruppenservern (Server-Server-Interoperabilität) auf. Schließlich wies sie auf bestimmte Fragen hin, die die Integration des Windows Media Player in das Windows-Betriebssystem betrafen. Die Mitteilung des letztgenannten Beschwerdepunkts war das Ergebnis einer von der Kommission im Februar 2000 eingeleiteten Untersuchung. Microsoft antwortete auf die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte am 16. November 2001.

5 Am 6. August 2003 sandte die Kommission an Microsoft eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die die beiden vorhergehenden Mitteilungen ergänzen sollte. Mit Schreiben vom 17. und 31. Oktober 2003 antwortete Microsoft auf diese ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte.

6 Eine Anhörung wurde von der Kommission am 12., 13. und 14. November 2003 durchgeführt. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2003 äußerte sich Microsoft zu den Fragen, die die Kommission, die Beschwerdeführerin und die beteiligten Dritten bei der Anhörung gestellt hatten. Nach einem letzten Schriftwechsel zwischen der Kommission und Microsoft erließ die Kommission am 24. März 2004 eine Entscheidung in einem Verfahren nach Artikel 82 EG in der Sache COMP/C‑3/37.792 – Microsoft (im Folgenden: Entscheidung).

Die Entscheidung

7 Gemäß der Entscheidung hat Microsoft durch den Missbrauch einer beherrschenden Stellung in zwei Fällen gegen Artikel 82 EG und gegen Artikel 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen.

8 Die Kommission stellte in einem ersten Schritt drei gesonderte Produktmärkte fest und vertrat die Auffassung, dass Microsoft auf zweien dieser Märkte eine beherrschende Stellung einnehme. In einem zweiten Schritt stellte die Kommission auf diesen Märkten zwei missbräuchliche Verhaltensweisen von Microsoft fest. Die Kommission verhängte daher eine Geldbuße gegen Microsoft und ordnete bestimmte Abhilfemaßnahmen an.

I – Die in der Entscheidung aufgeführten relevanten Märkte und die beherrschende Stellung von Microsoft auf zweien dieser Märkte

A – Die in der Entscheidung aufgeführten relevanten Märkte

9 Der erste in der Entscheidung aufgeführte Produktmarkt ist der Markt der Client-PC‑Betriebssysteme (Randnrn. 324 bis 342). Ein Betriebssystem ist ein Softwareprodukt, das die Grundfunktionen eines Computers steuert und dem Anwender die Nutzung des Computers und den Einsatz von Anwendungsprogrammen auf diesem Computer ermöglicht. Kunden-PCs sind Multifunktionscomputer, die für die Nutzung jeweils nur einer Person konzipiert sind und an ein Netzwerk angeschlossen werden können.

10 Der zweite in der Entscheidung aufgeführte Produktmarkt ist der Markt für Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver (Randnrn. 343 bis 401). Die Entscheidung definiert die „Arbeitsgruppendienste“ als die Infrastrukturdienste in einem Netzwerk, die die Büroangestellten bei ihrer täglichen Arbeit für drei Reihen unterschiedlicher Dienste nutzen, nämlich erstens für die gemeinsame Nutzung der auf Servern gespeicherten Dateien, zweitens für die gemeinsame Nutzung von Druckern und drittens für die „Verwaltung“ des Zugriffs der Nutzer und Nutzergruppen auf die Netzwerkdienste („Nutzer- und Nutzergruppenverwaltung“) (Randnr. 53). Die letztgenannte Reihe von Diensten besteht insbesondere darin, den gesicherten Zugriff und die gesicherte Nutzung der Netzwerkressourcen zu garantieren, indem u. a. zunächst der Nutzer authentifiziert wird und sodann dessen Befugnis für die Ausführung einer bestimmten Maßnahme geprüft wird (Randnr. 54).

11 Gemäß der Entscheidung sind die in der vorstehenden Randnummer bezeichneten dreierlei Dienste innerhalb der Server-Betriebssysteme eng miteinander verbunden (Randnr. 56). Die Entscheidung fügt hinzu, dass die „Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver“ Betriebssysteme seien, die entwickelt und vermarktet würden, um für eine relativ begrenzte Zahl von Kunden-PCs, die einem kleinen bis mittelgroßen Netzwerk angeschlossen seien, die genannten dreierlei Dienste gemeinsam anzubieten (Randnrn. 53 und 345 bis 368). Dass es auf der Nachfrageseite keine anderen austauschbaren Produkte gebe, werde zum einen durch die Preisstrategie von Microsoft (Randnrn. 369 bis 382) und zum anderen durch die Bedeutung bestätigt, die die Interoperabilität der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver mit den Kunden-PCs habe (Randnrn. 383 bis 386). Die Kommission stellt ferner fest, dass auf der Angebotsseite Ersatzprodukte für die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver nur beschränkt vorhanden seien (Randnrn. 388 bis 400). Sie schließt hieraus, dass diese Betriebssysteme einen gesonderten Produktmarkt bilden.

12 Der dritte in der Entscheidung aufgeführte Markt ist der Markt der kontinuierlich arbeitenden multimedialen Abspielsoftware (Randnrn. 402 bis 425). Multimediale Abspielsoftware ist ein Softwareprodukt, das Ton- und Bildinhalte im Digitalformat lesen kann, d. h. die entsprechenden Daten entschlüsseln und in Befehle für die Hardware (Lautsprecher, Bildschirm) übersetzen kann. Kontinuierlich arbeitende multimediale Abspielsoftware kann Inhalte lesen, die kontinuierlich aus dem Internet übertragen werden.

13 In der Entscheidung vertritt die Kommission die Auffassung, dass, erstens, kontinuierlich arbeitende multimediale Abspielsoftware sich von Betriebssystemen unterscheide (Randnrn. 404 bis 406), dass, zweitens, kontinuierlich arbeitende multimediale Abspielsoftware keinem Wettbewerbsdruck durch nicht kontinuierlich arbeitende Abspielsoftware ausgesetzt sei (Randnrn. 407 bis 410), dass, drittens, nur von multimedialer Abspielsoftware mit ähnlicher Funktionalität ein Wettbewerbsdruck auf Windows Media Player ausgehe (Randnrn. 411 bis 415), und im Wesentlichen dass, viertens, austauschbare Produkte auf der Nachfrageseite nur beschränkt vorhanden seien (Randnrn. 416 bis 424). Die Kommission leitet hieraus ab, dass die kontinuierlich arbeitende multimediale Abspielsoftware einen gesonderten Produktmarkt bilde.

14 Was die räumliche Ausdehnung der vorher ermittelten Produktmärkte anbelangt, vertritt die Kommission die Auffassung, dass diese weltweites Ausmaß hätten (Randnr. 427).

B – Beherrschende Stellung von...

To continue reading

Request your trial

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT