Urteile nº T-509/15 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, February 03, 2017

Resolution DateFebruary 03, 2017
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-509/15

„Unionsmarke - Widerspruchsverfahren - Anmeldung der Unionswortmarke Premeno - Ältere nationale Wortmarke Pramino - Relatives Eintragungshindernis - Verwechslungsgefahr - Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 - Entscheidung, die nach Aufhebung einer früheren Entscheidung durch das Gericht ergangen ist - Recht auf Anhörung - Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T-509/15

Kessel medintim GmbH mit Sitz in Mörfelden-Walldorf (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt A. Jacob und Rechtsanwältin U. Staudenmaier,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch D. Walicka als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht

Janssen-Cilag GmbH mit Sitz in Neuss (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin M. Wenz,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 2. Juli 2015 (Sache R 349/2015-4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Janssen-Cilag GmbH und der Kessel medintim GmbH

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richterin I. Pelikánová und des Richters E. Buttigieg (Berichterstatter),

Kanzler: A. Lamote, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 3. September 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 4. Dezember 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 30. November 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2016

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Am 7. November 2007 meldete die Klägerin, die Kessel medintim GmbH (vormals: Kessel Marketing & Vertriebs GmbH), beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. 2009, L 78, S. 1]) eine Unionsmarke an.

2 Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen Premeno.

3 Die Marke wurde für folgende Waren der Klasse 5 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Vaginalzäpfchen“.

4 Die Unionsmarkenanmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 14/2008 vom 7. April 2008 veröffentlicht.

5 Am 7. Juli 2008 erhob die Streithelferin, die Janssen-Cilag GmbH, gemäf‌l Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Rn. 3 genannten Waren.

6 Der Widerspruch war auf die ältere deutsche Wortmarke Pramino gestützt, die für folgende Waren der Klasse 5 eingetragen ist: „verschreibungspflichtige Arzneimittel“.

7 Als Widerspruchsgrund wurde das Eintragungshindernis des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) geltend gemacht.

8 Auf entsprechenden Antrag der Klägerin erbrachte die Streithelferin nach Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 den Nachweis, dass die ältere Marke ernsthaft benutzt wurde.

9 Mit Entscheidung vom 26. Februar 2010 befand die Widerspruchsabteilung, dass die Benutzung der älteren Marke für „verschreibungspflichtige Arzneimittel, nämlich Arzneimittel zur hormonalen Schwangerschaftsverhütung“, nachgewiesen worden sei, und gab dem Widerspruch im Hinblick auf diese Waren statt. Sie lehnte demgemäf‌l die Eintragung der angemeldeten Marke mit der Begründung ab, dass Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 bestehe, da die einander gegenüberstehenden Marken visuell und phonetisch in mittlerem Grad ähnlich und die in Rede stehenden Waren identisch seien.

10 Am 26. April 2010 legte die Klägerin nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim EUIPO Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein. Sie beantragte nach Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 insbesondere, die in der Markenanmeldung genannten Waren auf folgende Waren der Klasse 5 einzuschränken: „nicht verschreibungspflichtige Vaginalzäpfchen gegen Scheidentrockenheit und vaginale Infekte“.

11 Mit Entscheidung vom 21. September 2010 (Sache R 708/2010-4) (im Folgenden: Entscheidung vom 21. September 2010) bestätigte die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Entscheidung der Widerspruchsabteilung und wies die Beschwerde zurück, nachdem sie den Antrag auf Einschränkung der in der Anmeldung bezeichneten Waren abgelehnt hatte.

12 Mit Klageschrift, die am 23. November 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Klägerin gegen die Entscheidung vom 21. September 2010 Klage und machte dabei insbesondere geltend, die Zurückweisung der Einschränkung der in der Anmeldung bezeichneten Waren verstof‌le gegen Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 und Regel 2 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1995, L 303, S. 1).

13 Mit Urteil vom 8. November 2013, Kessel/HABM - Janssen-Cilag (Premeno) (T-536/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:586), hob das Gericht die Entscheidung vom 21. September 2010 mit der Begründung auf, dass die Zurückweisung der Einschränkung der in der Anmeldung bezeichneten Waren durch die Beschwerdekammer gegen Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 verstof‌le.

14 Mit Urteil vom 11. Dezember 2014, HABM/Kessel medintim (C-31/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2436), wies der Gerichtshof das vom EUIPO gegen das Urteil des Gerichts vom 8. November 2013, Premeno (T-536/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:586), eingelegte Rechtsmittel zurück. Der Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass das Gericht zu Recht entschieden habe, dass der Einschränkungsantrag, wie er von der Klägerin im Rahmen ihrer Beschwerde vor der Beschwerdekammer formuliert worden sei, nicht allein mit der Begründung habe zurückgewiesen werden dürfen, dass er auf das Kriterium der fehlenden Verschreibungspflicht Bezug genommen habe, weil dieser Einschränkungsantrag jedenfalls auch auf das Kriterium der therapeutischen Indikation gestützt worden sei, das bei pharmazeutischen Erzeugnissen ein wesentliches Kriterium für die Bildung einer Untergruppe dieser Waren darstelle.

15 Mit Entscheidung vom 2. Juli 2015 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde der Klägerin zurück. Da die Beschwerdekammer davon ausging, dass die beantragte Einschränkung der in der Anmeldung bezeichneten Waren aufgrund des Urteils vom 11. Dezember 2014, HABM/Kessel medintim (C-31/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2436), nun insgesamt zu akzeptieren sei, legte sie als in der der Anmeldung bezeichnete Waren „nicht verschreibungspflichtige Vaginalzäpfchen gegen Scheidentrockenheit und vaginale Infekte“ zugrunde. Angesichts einer überdurchschnittlichen Ähnlichkeit dieser Waren mit den von der älteren Marke erfassten Waren, für die der Nachweis der ernsthaften Benutzung erbracht worden sei, sowie einer mittleren Zeichenähnlichkeit und der erhöhten Kennzeichnungskraft der älteren Marke infolge ihrer Benutzung stellte die Beschwerdekammer das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 fest.

Anträge der Parteien

16 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen;

- hilfsweise, die Sache zur erneuten Entscheidung an das EUIPO zurückzuverweisen;

- dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

17 Das EUIPO beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

18 Die Streithelferin beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die ihr entstandenen Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

19 Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe, nämlich erstens einen Verstof‌l gegen Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009, da ihr kein rechtliches Gehör gewährt worden sei, und zweitens einen Beurteilungsfehler in Bezug auf das relative Eintragungshindernis im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009.

Zum ersten Klagegrund: Verstof‌l gegen Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009

20 Die Klägerin macht geltend, die Beschwerdekammer habe gegen Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009 verstof‌len, weil sie die angefochtene Entscheidung erlassen habe, ohne sie im Nachgang zu den Urteilen vom 8. November 2013, Premeno (T-536/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:586), und vom 11. Dezember 2014, HABM/Kessel medintim (C-31/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2436), zum einen zur Problematik der Einschränkung der in der Anmeldung bezeichneten Waren und zum anderen wenigstens zur Ähnlichkeit der von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren anzuhören, da erst mit dem Rechtsmittelurteil festgestanden habe, welche der von den einander gegenüberstehenden Marken gekennzeichneten Waren in die Prüfung der Warenähnlichkeit einzubeziehen seien. In der Praxis des EUIPO, wie sie in den Richtlinien für Verfahren vor diesem zum Ausdruck komme, werde der Markenanmelder zu einer teilweise zulässigen und teilweise unzulässigen Einschränkung angehört.

21 Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen und tragen vor, dass deren Recht auf Anhörung im vorliegenden Fall nicht verletzt worden sei.

22 Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 stellt einen besonderen Anwendungsfall des auch in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegten allgemeinen Grundsatzes des Schutzes der Verteidigungsrechte dar, wonach Personen, deren Interessen durch eine amtliche Entscheidung berührt...

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