Urteile nº T-623/15 of Tribunal General de la Unión Europea, July 11, 2017
Resolution Date | July 11, 2017 |
Issuing Organization | Tribunal General de la Unión Europea |
Decision Number | T-623/15 |
In der Rechtssache T-623/15
Lidl Stiftung & Co. KG mit Sitz in Neckarsulm (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Wolter, A. Marx und A. Berger,
Klägerin,
gegen
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch M. Eberl und A. Schifko als Bevollmächtigte,
Beklagter,
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 7. September 2015 (Sache R 479/2015-4) über die Anmeldung des Bildzeichens JEDE FLASCHE ZÄHLT! als Unionsmarke
erlässt
DAS GERICHT (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová sowie der Richter P. Nihoul (Berichterstatter) und J. Svenningsen,
Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,
aufgrund der am 10. November 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
aufgrund der am 16. Februar 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,
aufgrund der Zuweisung der Rechtssache an die Erste Kammer und an einen neuen Berichterstatter,
auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2017
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1 Am 6. August 2014 meldete die Klägerin, die Lidl Stiftung & Co. KG, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.
2 Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes Bildzeichen:
3 Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 21, 39 und 40 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:
- Klasse 16: „Flaschenverpackungen aus Kunststoff“;
- Klasse 21: „Flaschen“;
- Klasse 39: „Lagerung und Transport von Recyclingstoffen, insbesondere Flaschen“;
- Klasse 40: „Recycling von Flaschen“.
4 Mit Entscheidung vom 6. Februar 2015 wies die Prüferin die Anmeldung für alle oben in Rn. 3 genannten Waren und Dienstleistungen auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 mit der Begründung zurück, dass der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft fehle.
5 Am 25. Februar 2015 legte die Klägerin nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim EUIPO Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüferin ein.
6 Mit Entscheidung vom 7. September 2015 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Sie führte im Wesentlichen aus, dass das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 genannte Eintragungshindernis im vorliegenden Fall in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung anwendbar sei, da der angemeldeten Marke für alle erfassten Waren und Dienstleistungen die Unterscheidungskraft fehle.
7 Zum maflgeblichen Gebiet vertrat die Beschwerdekammer im Wesentlichen die Ansicht, dass die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke, da ihre Wortbestandteile aus deutschen Begriffen bestünden, gemäfl Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 für den deutschsprachigen Teil des Unionsgebiets zu prüfen sei.
8 In Bezug auf die maflgeblichen Verkehrskreise führte die Beschwerdekammer aus, dass sich die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen, da es sich dabei um Flaschen (als Verpackungen) und ihr Recycling handle, in erster Linie an die normal informierte, aufmerksame und verständige breite Öffentlichkeit richteten, wobei sie darauf hinwies, dass deren Aufmerksamkeitsgrad, da es sich im vorliegenden Fall um einen Werbeslogan handle, nicht allzu hoch anzusetzen sei. Im Übrigen sei, selbst wenn davon ausgegangen würde, dass die maflgeblichen Verkehrskreise Fachkreise aus der Verpackungsindustrie umfassten, davon auszugehen, dass diese bei Werbeslogans einen eher geringen Aufmerksamkeitsgrad an den Tag legten.
9 Die Beschwerdekammer gelangte schliefllich zu der Auffassung, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft besitze. Die maflgeblichen Verkehrskreise würden die angemeldete Marke als Werbeslogan auffassen, mit dem der Anbieter der betreffenden Waren und Dienstleistungen die Verbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen auffordere, umweltfreundliche Lösungen und Maflnahmen, wie das Recycling von Flaschen als Verpackungen, zu finden.
Anträge der Parteien
10 Die Klägerin beantragt,
- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
- dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.
11 Das EUIPO beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
12 Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin als einzigen Klagegrund einen Verstofl gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung geltend.
13 Dieser Klagegrund besteht aus sieben Rügen, mit denen die Klägerin geltend macht, dass die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung erstens die in der angemeldeten Marke enthaltene Wortfolge fehlerhaft oder unzureichend bewertet habe, zweitens die in dieser Marke enthaltenen Bild- oder Grafikelemente fehlerhaft geprüft habe, drittens den von dieser hervorgerufenen Gesamteindruck nicht geprüft habe, viertens in ihren Ausführungen mehrere logische Fehler begangen habe, fünftens die einschlägige Rechtsprechung nicht beachtet habe, sechstens Teile der dem EUIPO vorgelegten Akte aufler Acht gelassen habe und siebtens nicht der Entscheidungspraxis und den internen Richtlinien des EUIPO gefolgt sei.
14 Gemäfl Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.
15 Nach der Rechtsprechung ist ein Zeichen oder eine Gruppe von Zeichen unterscheidungskräftig, wenn es bzw. sie geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen zu unterscheiden, die von anderen Unternehmen angeboten werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Oktober 2004, HABM/Erpo Möbelwerk, C-64/02 P, EU:C:2004:645, Rn. 33).
16 Die Unterscheidungskraft ist unabhängig von der betroffenen Marke zu beurteilen. Die Beurteilung kann für Marken, die einen Werbeslogan enthalten, nicht strenger sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C-398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 38).
17 Jedenfalls ist es für die Anwendung der Bestimmung erforderlich, festzustellen, ob die betreffende Marke es dem Verbraucher, der die mit der Marke gekennzeichnete Ware oder Dienstleistung erwirbt, ermöglicht, bei einem weiteren Erwerb seine Entscheidung davon abhängig zu machen, ob er gute oder schlechte Erfahrungen gemacht hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Mai 2016, U-R LAB/EUIPO [THE DINING EXPERIENCE], T-422/15 und T-423/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:314, Rn. 42).
18 Nach diesem Grundsatz ist die Eintragung einer Marke, die einen Werbeslogan enthält, abzulehnen, wenn sie nicht über ihre Werbefunktion hinaus vom Publikum als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betroffenen Waren und Dienstleistungen aufgefasst werden kann.
19 Vor dem Gericht beanstanden die Parteien die angefochtene Entscheidung nicht, was das zugrunde gelegte Gebiet, die Bestimmung der maflgeblichen Verkehrskreise und die gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen betrifft. Sie bestreiten ferner nicht, dass die angemeldete Marke einen Werbeslogan enthält. Da in Bezug auf diese in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen und in den Rn. 7 bis 9 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Punkte keine Einwände erhoben wurden, können sie bestätigt werden.
Zur ersten Rüge betreffend die in der angemeldeten Marke enthaltene Wortfolge
Zur unzureichenden Begründung und zur fehlerhaften Beurteilung der Beschwerdekammer dahin, dass die Wortfolge von den maflgeblichen Verkehrskreisen unmittelbar als Aufforderung zum Recycling verstanden werde
20 Die Klägerin macht in ihrer Klageschrift geltend, dass die Beschwerdekammer die angefochtene Entscheidung nicht hinreichend begründet habe, da sie nicht angegeben habe, warum ihrer Ansicht nach die in der angemeldeten Marke enthaltene Wortfolge von den maflgeblichen Verkehrskreisen unmittelbar als Aufforderung zur Beteiligung am Flaschenrecycling verstanden werde. Die Beschwerdekammer habe ferner einen Beurteilungsfehler begangen, da eine solche Auslegung nicht auf der Hand liege. Die Marke könne somit nicht als reiner Werbeslogan angesehen werden, sondern sei vielmehr unterscheidungskräftig.
21 Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
22 Zur Würdigung der von der Beschwerdekammer gegebenen Begründung sind die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der Auslegung der angemeldeten Marke durch die maflgeblichen Verkehrskreise zu prüfen.
23 Diese Ausführungen der Beschwerdekammer beginnen mit der Feststellung, dass es sich bei den betreffenden Waren um Flaschen als Verpackungen handle und dass die fraglichen Dienstleistungen mit Recycling im Zusammenhang stünden (Rn. 14 der angefochtenen Entscheidung).
24 Anschlieflend weist die Beschwerdekammer darauf hin, dass die Auslegung der Zeichen vom Zusammenhang abhänge, in dem sie erschienen. In diesem Rahmen führt sie aus, dass die maflgeblichen Verkehrskreise in dem zugrunde gelegten Gebiet umweltbewusst seien. Dieses Bewusstsein sei in Bezug auf die Behandlung von Flaschen besonders ausgeprägt, da die Verbraucher wüssten, dass Flaschen nicht weggeworfen werden dürften, sondern recycelt werden müssten (Rn. 15 der angefochtenen Entscheidung).
25 Schliefllich erklärt die Beschwerdekammer, dass die in der angemeldeten Marke enthaltene Wortfolge eine Flasche als Verpackung mit der Idee einer Geldzahlung assoziiere, die eine quantifizierbare oder zählbare Leistung darstelle (Rn. 15 der angefochtenen Entscheidung).
26 Aufgrund dieser Erwägungen kommt sie zu dem Schluss, dass die in der angemeldeten Marke enthaltene Wortfolge durch diese Assoziierung einer Verpackung mit einer Zahlung von den maflgeblichen...
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