Urteile nº T-760/16 of Tribunal General de la Unión Europea, May 17, 2018

Resolution DateMay 17, 2018
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-760/16

„Gemeinschaftsgeschmacksmuster - Nichtigkeitsverfahren - Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das Fahrradkörbe darstellt - Nichtigkeitsgrund - Unzulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung - Art. 52 Abs. 3 und Art. 86 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 - Offenbarung des älteren Geschmacksmusters - Eigenart - Unterschiedlicher Gesamteindruck - Art. 6 und Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 6/2002

In der Rechtssache T-760/16

Basil BV mit Sitz in Silvolde (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte N. Weber und J. von der Thüsen,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch S. Hanne und D. Walicka als Bevollmächtigte,

Beklagte,

andere Partei im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Artex SpA mit Sitz in San Zeno di Cassola (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin J. Vogtmeier,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des EUIPO vom 7. Juli 2016 (Sache R 535/2015-3) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Artex und Basil

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni (Berichterstatter), der Richterin K. Kowalik-Bańczyk und des Richters C. Mac Eochaidh,

Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,

aufgrund der am 4. November 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 12. Januar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 16. Januar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2017

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Am 13. Februar 2004 meldete die Klägerin, die Basil BV, beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) nach der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster an.

2 Das angemeldete Geschmacksmuster (im Folgenden: streitiges Geschmacksmuster) wird nachstehend wiedergegeben:

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3 Das streitige Geschmacksmuster wurde unter der Nr. 142245-0001 eingetragen. Seine Eintragung wurde im Blatt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 47/2004 vom 15. Juni 2004 veröffentlicht. Die Eintragung wurde seither bis zum 13. Februar 2019 verlängert.

4 Das streitige Geschmacksmuster soll für „Fahrradkörbe“ in der Klasse 03.01 im Sinne des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle vom 8. Oktober 1968 in geänderter Fassung verwendet werden.

5 Am 17. Juni 2013 stellte die Streithelferin, die Artex SpA, beim EUIPO nach Art. 52 der Verordnung Nr. 6/2002 einen Antrag auf Nichtigerklärung des angegriffenen Geschmacksmusters. Der Nichtigkeitsantrag wurde auf Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 gestützt.

6 In ihrem Nichtigkeitsantrag machte die Streithelferin insbesondere geltend, das streitige Geschmacksmuster habe keine Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002, wobei sie sich auf mehrere Dokumente stützte, die angeblich eine Offenbarung eines älteren Geschmacksmusters (im Folgenden: älteres Geschmacksmuster) zeigen, und zwar u. a.:

- einen ihrer Kataloge, in dem ein Fahrradkorb mit der Artikelnummer 34.54.50, der Gröf‌lenangabe und der Beschreibung in vier Sprachen „Hinterer Maschekorb mod. Speedy“ abgebildet ist:

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- mehrere Rechnungen aus den Jahren 2000 bis 2002 über den Verkauf von Fahrradkörben, auf denen die Bezeichnung „Speedy“ zu finden ist, an verschiedene Unternehmen;

- einen Katalog aus dem Jahr 2001 und drei Kataloge aus dem Jahr 2002 verschiedener italienischer Unternehmen, die untenstehende Abbildung eines Fahrradkorbs enthalten:

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- eine Rechnung und einen Lieferschein vom 20. Juli 2000 eines thailändischen Unternehmens, an sie adressiert;

- die Abbildung des Messestands einer Firma, in dem ein Fahrradkorb ausgestellt wurde, und eine Rechnung der Messe Köln (Deutschland) von 2002.

7 Nachdem die Nichtigkeitsabteilung den Nichtigkeitsantrag für zulässig befunden hatte, erklärte sie das streitige Geschmacksmuster mit Entscheidung vom 13. Januar 2015 aufgrund seiner fehlenden Eigenart für nichtig.

8 Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin am 11. März 2015 Beschwerde ein.

9 Mit Entscheidung vom 7. Juli 2016 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Dritte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Im Wesentlichen führte sie aus: Erstens sei der Nichtigkeitsantrag der Streithelferin entgegen dem Vorbringen der Klägerin zulässig, zweitens sei das ältere Geschmacksmuster der Öffentlichkeit bereits vor dem Anmeldetag des streitigen Geschmacksmusters, dem 13. Februar 2004, zugänglich gemacht worden, und drittens habe die Nichtigkeitsabteilung das streitige Geschmacksmuster zu Recht für nichtig erklärt, da es keine Eigenart aufweise.

Verfahren und Anträge der Parteien

10 Das Gericht hat den Parteien mit einer prozessleitenden Maf‌lnahme Fragen gestellt, auf die diese fristgemäf‌l geantwortet haben.

11 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

- dem EUIPO und gegebenenfalls den anderen Parteien die Kosten aufzuerlegen.

12 Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

13 Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Klagegründe, nämlich erstens eine Verletzung von Art. 52 Abs. 3 der Verordnung Nr. 6/2002 hinsichtlich der Unzulässigkeit eines Nichtigkeitsantrags unter bestimmten Umständen, zweitens eine Verletzung von Art. 7 der Verordnung Nr. 6/2002 hinsichtlich der Offenbarung von Geschmacksmustern und drittens eine Verkennung von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 hinsichtlich der Eigenart von Geschmacksmustern.

Zum ersten Klagegrund, mit dem eine Verletzung von Art. 52 Abs. 3 der Verordnung Nr. 6/2002 gerügt wird

14 Nach Ansicht der Klägerin hätte das EUIPO den Nichtigkeitsantrag der Streithelferin nach Art. 52 Abs. 3 oder, hilfsweise, nach Art. 86 Abs. 5 der Verordnung Nr. 6/2002 für unzulässig erklären müssen.

15 In diesem Zusammenhang stützt sie sich auf eine vor der angefochtenen Entscheidung ergangene Entscheidung einer Beschwerdekammer, mit der diese bereits einen Nichtigkeitsantrag gegen das streitige Geschmacksmuster zurückgewiesen habe. Dieses Nichtigkeitsverfahren sei von der Antragstellerin gemeinsam mit der Streithelferin angestrengt worden.

16 Das EUIPO und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.

17 Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass ein beim EUIPO gestellter Antrag auf Nichtigerklärung nach Art. 52 Abs. 3 der Verordnung Nr. 6/2002 unzulässig ist, wenn ein Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht über einen Antrag wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien bereits rechtskräftig entschieden hat.

18 Die Bestimmungen von Art. 52 Abs. 3 der Verordnung Nr. 6/2002 sind im vorliegenden Fall allerdings nicht anwendbar.

19 Zunächst sieht Art. 80 („Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte“) der Verordnung Nr. 6/2002 in Abs. 1 vor, dass die Mitgliedstaaten für ihr Gebiet eine Anzahl nationaler Gerichte erster und zweiter Instanz, nämlich die Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte, bestimmen, die die ihnen durch diese Verordnung zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen. Aus den Bestimmungen dieses Artikels ergibt sich daher, dass es sich bei einem Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht zwingend um ein nationales Gericht eines Mitgliedstaats handeln muss.

20 Somit gilt Art. 52 Abs. 3 der Verordnung Nr. 6/2002 nicht, wenn das EUIPO bereits entschieden hat, sondern nur dann, wenn dies ein nationales Gericht eines Mitgliedstaats getan hat.

21 Weiterhin weist die Klägerin nicht nach, dass die Partei, die in der vorliegenden Rechtssache den Nichtigkeitsantrag gegen das angegriffene Geschmacksmuster gestellt hat, die gleiche ist wie diejenige, die den Nichtigkeitsantrag gegen das in der älteren Sache angegriffene Geschmacksmuster gestellt hat.

22 Der Umstand, dass die beiden fraglichen Sachen eng miteinander verknüpft sind und die beiden Parteien, die in beiden Sachen jeweils den Nichtigkeitsantrag gestellt haben, eng zusammenarbeiten, was sich u. a. an der Identität ihrer Bevollmächtigten und ihres Vorbringens zeigt, reicht nämlich nicht aus, um auf eine Identität der Parteien zu schlief‌len.

23 Die Streithelferin hat hierzu, ohne dass dem in der mündlichen Verhandlung widersprochen worden wäre, ausgeführt, dass das Unternehmen, das den vorherigen Nichtigkeitsantrag gestellt habe, lediglich ihr Kunde sei. Dies genügt nicht, um aus ihr und diesem Unternehmen ein und dieselbe Partei zu machen.

24 Im Übrigen erlaubt es der oben in Rn. 22 angeführte Umstand nicht, auf einen missbräuchlichen Charakter der in Rede stehenden Nichtigkeitsanträge zu schlief‌len.

25 Was schlussendlich den Vortrag betrifft, die Beschwerdekammer habe den Anspruch der Klägerin auf ausreichendes rechtliches Gehör zum behaupteten Rechtsmissbrauch der Streithelferin verkannt, so trägt die Klägerin keinerlei Anhaltspunkte vor, aus denen sich ergäbe, dass die Beschwerdekammer es ihr nicht ermöglicht hätte, insoweit Stellung zu nehmen.

26 Soweit die Klägerin unter Berufung auf Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 6 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten einen Verstof‌l gegen den Anspruch auf einen fairen Prozess geltend macht, ist anzumerken, dass das Gericht die Geltendmachung eines solchen Anspruchs gegenüber den Beschwerdekammern des EUIPO ausgeschlossen hat, weil das Verfahren vor den Beschwerdekammern kein gerichtliches Verfahren, sondern ein Verwaltungsverfahren ist (Urteile vom 20. April 2005, Krüger/HABM - Calpis [CALPICO], T-273/02, EU:T:2005:134, Rn. 62, und vom 12. Dezember 2014, Comptoir d’Épicure/HABM - A-Rosa Akademie [da rosa], T-405/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1072, Rn...

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