Urteile nº T-722/15 of Tribunal General de la Unión Europea, December 12, 2018

Resolution DateDecember 12, 2018
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-722/15

„Staatliche Beihilfen - Beihilfe für den bayerischen Milchsektor - Finanzierung der Milchgüteprüfungen - Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird - Recht auf Beteiligung am Verwaltungsverfahren - Art. 108 Abs. 2 AEUV - Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999

In den verbundenen Rechtssachen T-722/15 bis T-724/15

Interessengemeinschaft privater Milchverarbeiter Bayerns e. V. mit Sitz in Mertingen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte C. Bittner und N. Thies, dann Rechtsanwalt C. Bittner,

Kläger in der Rechtssache T-722/15,

Genossenschaftsverband Bayern e. V. mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte C. Bittner und N. Thies, dann Rechtsanwalt C. Bittner,

Kläger in der Rechtssache T-723/15,

Verband der Bayerischen Privaten Milchwirtschaft e. V. mit Sitz in München, Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte C. Bittner und N. Thies, dann Rechtsanwalt C. Bittner,

Kläger in der Rechtssache T-724/15,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch T. Maxian Rusche, K. Herrmann und P. Němečková als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt P. Melcher,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2015/2432 der Kommission vom 18. September 2015 über die für Milchgüteprüfungen im Rahmen des Milch- und Fettgesetzes von Deutschland gewährten staatlichen Beihilfen SA.35484 (2013/C) (ex SA.35484 [2012/NN]) (ABl. 2015, L 334, S. 23) erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen, des Richters L. Calvo-Sotelo Ibáñez-Martín und der Richterin I. Reine (Berichterstatterin),

Kanzler: N. Schall, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2018

folgendes

Urteil

Sachverhalt

1 In Deutschland wird die Milchgüte traditionell durch unabhängige Milchgüteprüfungen sichergestellt. Diese werden in Bayern (Deutschland) zum einen aus einer bei Milchabnehmern erhobenen Milchumlage und zum anderen aus allgemeinen Landeshaushaltsmitteln des Freistaats Bayern (Deutschland) finanziert.

Nationaler Rechtsrahmen

2 Nach ß 22 Abs. 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten (Milch- und Fettgesetz) von 1952 (BGBl. 1952 I S. 811), zuletzt geändert durch Art. 397 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. 2015 I S. 1474), (im Folgenden: MFG), können die Landesregierungen im Benehmen mit der betreffenden Landesvereinigung - die gemäfl dem MFG gebildet wurde und aus an der Milchwirtschaft beteiligten Unternehmen und Verbrauchern besteht, die gemeinsam ihre wirtschaftlichen Interessen vertreten - oder den betreffenden berufsständischen Organisationen gemeinsam von den Molkereien, Milchsammelstellen und Rahmstationen Umlagen erheben, um die Milchwirtschaft zu fördern. ß 22 Abs. 2 und 2a MFG bestimmt u. a., dass die nach Abs. 1 aufkommenden Mittel nur für die Finanzierung neuer Ziele verwendet werden können, zu denen die Förderung und der Erhalt der Milchgüte gehören, deren Finanzierung Gegenstand der vorliegenden Klage ist.

3 Gemäfl ß 1 Abs. 1 der Milch-Güteverordnung vom 9. Juli 1980 (BGBl. 1980 I S. 878, 1081), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 17. Dezember 2010 (BGBl. 2010 I S. 2132) (im Folgenden: MGV), haben Abnehmer von Milch jede Anlieferungsmilch untersuchen zu lassen oder zu untersuchen.

4 Nach ß 1 der Milchumlageverordnung vom 17. Oktober 2007 (GVBl. 2007, S. 727) des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die auf der Grundlage von ß 22 Abs. 1 MFG ergangen ist, wird von den Betriebsinhabern von Molkereien für die an sie angelieferten Mengen an Milch und Rahm eine Umlage erhoben.

5 Gemäfl Art. 23 der Haushaltsordnung des Freistaates Bayern vom 8. Dezember 1971 (BayRS 630-1-F) (im Folgenden: BayHO), der in ihrem Teil II („Aufstellung des Haushaltsplans und des Finanzplans“) steht, dürfen Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen für Leistungen an Stellen auflerhalb der Staatsverwaltung zur Erfüllung bestimmter Zwecke nur im Haushaltsplan veranschlagt werden, wenn der Staat an der Erfüllung durch solche Stellen ein erhebliches Interesse hat, das ohne die Zuwendungen nicht oder nicht im notwendigen Umfang befriedigt werden kann.

6 Teil III („Ausführung des Haushaltsplans“) Art. 44 der BayHO bestimmt, dass diese Zuwendungen nur unter den Voraussetzungen ihres Art. 23 gewährt werden dürfen.

Verwaltungsverfahren

7 Mit Schreiben vom 28. November 2011 und vom 27. Februar 2012 ersuchte die Europäische Kommission die Bundesrepublik Deutschland um zusätzliche Auskünfte in Bezug auf den Jahresbericht 2010 über staatliche Beihilfen im Agrarsektor, den diese gemäfl Art. 21 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1) vorgelegt hatte. Die Bundesrepublik Deutschland beantwortete die Fragen der Kommission mit Schreiben vom 16. Januar 2012 und 27. April 2012. Im Licht dieser Antworten stellte sich heraus, dass Deutschland seinem Milchsektor eine staatliche Beihilfe nach Maflgabe des MFG gewährt hatte.

8 Mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 teilte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland mit, dass die Maflnahmen, die von den verschiedenen deutschen Bundesländern einschliefllich des Freistaats Bayern und des Landes Baden-Württemberg aufgrund der ihnen durch ß 22 MFG erteilten Ermächtigung ergriffen worden seien, als nicht angemeldete Beihilfen unter der Nummer SA.35484 (2012/NN) registriert worden seien. Mit Schreiben vom 16. November 2012, 7., 8., 11., 13., 14., 15. und 19. Februar, 21. März, 8. April, 28. Mai, 10. und 25. Juni sowie 2. Juli 2013 übermittelte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission weitere Informationen.

9 Mit Schreiben vom 17. Juli 2013 (K[2013] 4457 endg.) (ABl. 2014, C 7, S. 8) teilte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland ihren Beschluss mit, das Verfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten (im Folgenden: Einleitungsbeschluss). Der Beschluss betraf verschiedene Maflnahmen, die in mehreren deutschen Bundesländern gemäfl dem MFG zur Förderung der Milchwirtschaft vorgenommen worden waren, einschliefllich die Beihilfen, die Gegenstand des Beschlusses (EU) 2015/2432 der Kommission vom 18. September 2015 über die für Milchgüteprüfungen im Rahmen des Milch- und Fettgesetzes von Deutschland gewährten staatlichen Beihilfen SA.35484 (2013/C) (ex SA.35484 [2012/NN]) (ABl. 2015, L 334, S. 23, im Folgenden: angefochtener Beschluss) sind. Die Beihilfe, die Gegenstand der vorliegenden Klage ist, war eine der in diesem Beschluss untersuchten Beihilfen. In Bezug auf diese Beihilfe führte die Kommission zum einen in dem der Finanzierung der untersuchten Beihilfe gewidmeten Abschnitt 2.5 des Einleitungsbeschlusses ß 22 MFG über die Milchumlage an. Zum anderen wies die Kommission im 264. Erwägungsgrund des Einleitungsbeschlusses darauf hin, dass die geprüften Maflnahmen durch eine parafiskalische Abgabe finanziert würden, wobei sie auf dieselbe Bestimmung des MFG verwies.

10 Am Ende ihrer Analyse stellte die Kommission für den Zeitraum vom 28. November 2001 bis zum 31. Dezember 2006 die Vereinbarkeit der streitigen Beihilfe mit dem Binnenmarkt fest und äuflerte Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt ab dem 1. Januar 2007.

11 Mit Schreiben vom 20. September 2013 nahm die Bundesrepublik Deutschland zum Einleitungsbeschluss Stellung.

12 Die Kommission erhielt sieben Stellungnahmen von Beteiligten zu den Maflnahmen betreffend die Milchgüteprüfungen, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses waren.

13 Die zugegangenen Stellungnahmen wurden mit Schreiben vom 27. Februar, 3. März und 3. Oktober 2014 der Bundesrepublik Deutschland übermittelt.

14 Diese nahm mit Schreiben vom 3. Dezember 2014 zu einer zusätzlichen Stellungnahme vom 8. Juli 2014 Stellung.

Angefochtener Beschluss

15 Am 18. September 2015 erliefl die Kommission den angefochtenen Beschluss. Er betrifft ausschliefllich die Finanzierung von Milchgüteprüfungen, die ab dem 1. Januar 2007 in Baden-Württemberg (Deutschland) und Bayern vorgenommen wurden. Die vorliegende Klage beschränkt sich auf die Bayern betreffenden Maflnahmen.

16 Als Erstes prüfte die Kommission, ob es sich bei den Milchumlagemitteln um staatliche Mittel im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV handelte. Die letztgültige Entscheidung über die Mittelverwendung liege bei den jeweiligen Landesbehörden, d. h. beim Staat. Hingegen seien gemäfl ß 22 Abs. 3 Satz 3 MFG die Landesvereinigung oder die berufsständischen Organisationen vor Verwendung der Mittel lediglich zu hören. Ferner lege das MFG in ß 22 Abs. 2 Nrn. 1 bis 6 fest, für welche Zwecke die Milchumlagemittel verwendet werden durften. Daraus folge, dass die in Rede stehenden Einnahmen aus der Milchumlage als unter öffentlicher Kontrolle stehend anzusehen und die durch Milchumlagemittel finanzierten Maflnahmen durch staatliche Mittel gewährt worden sowie dem Staat zurechenbar seien. Schliefllich übertrug sie dieses Ergebnis auf die Finanzierung durch allgemeine bayerische Haushaltsmittel.

17 Als Zweites stellte die Kommission fest, dass die Molkereien in Bayern selektiv begünstigt worden seien, indem ihnen über Umlagemittel und allgemeine bayerische Landeshaushaltsmittel die für Milchgüteprüfungen anfallenden Kosten erstattet worden seien. Die Milchgüteprüfungen kämen...

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