Urteile nº T-827/14 of Tribunal General de la Unión Europea, December 13, 2018

Resolution DateDecember 13, 2018
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-827/14

„Wettbewerb - Missbrauch einer beherrschenden Stellung - Slowakischer Markt für Breitbandtelekommunikationsdienste - Zugang von Drittunternehmen zu den Teilnehmeranschlüssen des auf dem Markt etablierten Anbieters - Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 des EWR-Abkommens festgestellt wird - Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung - Begriff ‚Missbrauch‘ - Verweigerung des Zugangs - Margenbeschneidung - Berechnung der Margenbeschneidung - Kriterium des ebenso effizienten Wettbewerbers - Verteidigungsrechte - Zurechnung der von der Tochtergesellschaft begangenen Zuwiderhandlung an die Muttergesellschaft - Bestimmender Einfluss der Muttergesellschaft auf die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft - Tatsächliche Ausübung - Beweislast - Berechnung der Geldbufle - Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbuflen von 2006 - Gesonderte, wegen Rückfälligkeit und Anwendung eines Abschreckungsmultiplikators allein gegen die Muttergesellschaft verhängte Geldbufle“

In der Rechtssache T-827/14

Deutsche Telekom AG mit Sitz in Bonn (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte K. Apel und D. Schroeder,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer, L. Malferrari, C. Vollrath und L. Wildpanner als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Slovanet, a.s. mit Sitz in Bratislava (Slowakei), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt P. Tisaj,

Streithelferin,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses C(2014) 7465 final der Kommission vom 15. Oktober 2014 in einem Verfahren nach Artikel 102 AEUV und Artikel 54 des EWR-Abkommens (Sache AT.39523 - Slovak Telekom) in der durch die Beschlüsse C(2014) 10119 final und C(2015) 2484 final der Kommission vom 16. Dezember 2014 bzw. 17. April 2015 berichtigten Fassung, soweit er die Klägerin betrifft, hilfsweise auf Aufhebung oder Herabsetzung der mit dem Beschluss gegen die Klägerin verhängten Geldbuflen,

erlässt

DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters M. van der Woude in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, der Richter S. Gervasoni, L. Madise und R. da Silva Passos (Berichterstatter) sowie der Richterin K. Kowalik-Bańczyk,

Kanzler: N. Schall, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2018

folgendes

Urteil

  1. Vorgeschichte des Rechtsstreits

    1 Die Klägerin, die Deutsche Telekom AG, ist der etablierte Telekommunikationsanbieter in Deutschland und Muttergesellschaft des Konzerns Deutsche Telekom. Sie war seit dem 4. August 2000 und während des gesamten in der vorliegenden Rechtssache relevanten Zeitraums zu 51 % an der Slovak Telekom, a.s., dem etablierten Telekommunikationsanbieter in der Slowakei beteiligt, deren übrige Anteile zu 34 % vom Wirtschaftsministerium der Slowakischen Republik und zu 15 % vom Fonds des nationalen Erbes der Slowakischen Republik (im Folgenden zusammen: slowakischer Staat) gehalten wurden.

    2 Am 15. Oktober 2014 erliefl die Europäische Kommission den Beschluss C(2014) 7465 final in einem Verfahren nach Artikel 102 AEUV und Artikel 54 des EWR-Abkommens (Sache AT.39523 - Slovak Telekom), der durch die Beschlüsse C(2014) 10119 final und C(2015) 2484 final vom 16. Dezember 2014 bzw. 17. April 2015 berichtigt wurde (im Folgenden: angefochtener Beschluss). Er ist an die Klägerin und an Slovak Telekom gerichtet. Slovak Telekom hat am 26. Dezember 2014 eine eigenständige Klage erhoben, mit der sie ebenfalls die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses begehrt (Rechtssache T-851/14).

    A. Technologischer Hintergrund, Sachverhalt und rechtlicher Rahmen des angefochtenen Beschlusses

    3 Slovak Telekom ist als indirektes Nachfolgeunternehmen des im Jahr 1992 aufgelösten staatseigenen Post- und Telekommunikationsunternehmens der gröflte Telekommunikations- und Breitbandanbieter in der Slowakei. Das gesetzliche Monopol, das sie auf dem slowakischen Telekommunikationsmarkt innehatte, endete im Jahr 2000. Slovak Telekom bietet ein breites Spektrum an Daten- und Sprachdiensten an und ist Eigentümerin und Betreiberin von Kupferleitungs- und Glasfasernetzen und eines Mobilfunknetzes. Die Kupferleitungsnetze und das Mobilfunknetz decken fast das gesamte Territorium der Slowakei ab.

    4 Der angefochtene Beschluss betrifft wettbewerbswidrige Praktiken auf dem slowakischen Markt für Breitbandinternetdienste. Er zielt im Wesentlichen auf die Bedingungen ab, die Slovak Telekom in der Slowakei von 2005 bis 2010 für den entbündelten Zugang anderer Wirtschaftsteilnehmer zu den kupferbasierten Teilnehmeranschlüssen festlegte.

    5 Als Teilnehmeranschluss wird der physische Anschluss mit Doppelader-Metallleitung (auch „Leitung“ genannt) bezeichnet, über den der Netzabschlusspunkt in den Räumlichkeiten des jeweiligen Teilnehmers mit dem Hauptverteiler oder einer entsprechenden Einrichtung im öffentlichen Telefonfestnetz verbunden ist.

    6 Der entbündelte Zugang zum Teilnehmeranschluss ermöglicht es den Neueintretenden - in Abgrenzung zu den etablierten Telekommunikationsnetzanbietern üblicherweise als „alternative Anbieter“ bezeichnet -, die bereits bestehende, diesen etablierten Anbietern gehörende Telekommunikationsinfrastruktur zu nutzen, um den Endnutzern verschiedene Dienstleistungen anzubieten, wobei sie in Wettbewerb mit den etablierten Anbietern treten. Zu den verschiedenen Telekommunikationsdienstleistungen, die über den Teilnehmeranschluss an die Endnutzer erbracht werden können, zählt die Breitbanddatenübertragung für einen festen Internetanschluss sowie für Multimediaanwendungen mittels der DSL-Technologie („digital subscriber line“, digitaler Teilnehmeranschluss).

    7 Die Entbündelung des Teilnehmeranschlusses wurde auf der Ebene der Europäischen Union insbesondere durch die Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss (ABl. 2000, L 336, S. 4) und die Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (ABl. 2002, L 108, S. 33) geregelt. Die Verordnung Nr. 2887/2000 verpflichtete die Betreiber „mit beträchtlicher Marktmacht“, entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen zu gewähren („unbundled local loop“ oder ULL) und ein Standardangebot zu veröffentlichen. Diese Bestimmungen wurden in der Slowakei mit dem Zákon z 3. decembra 2003 č. 610/2003 Z.z. o elektronických komunikáciách, v znení neskorších predpisov (Gesetz Nr. 610/2003 vom 3. Dezember 2003 über die elektronische Kommunikation) in geänderter Fassung umgesetzt, das, mit bestimmten Ausnahmen, am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist.

    8 Dieser Regelungsrahmen verpflichtete die Betreiber, denen von der nationalen Regulierungsbehörde eine beträchtliche Marktmacht zugeschrieben wurde (im Allgemeinen die etablierten Anbieter), im Wesentlichen zur Gewährung eines entbündelten Zugangs zu ihren Teilnehmeranschlüssen sowie zu den damit verbundenen Dienstleistungen an alternative Anbieter zu transparenten, fairen und diskriminierungsfreien Bedingungen sowie zur Aufrechterhaltung eines Standardangebots für einen solchen entbündelten Zugang. Die nationale Regulierungsbehörde hatte sicherzustellen, dass durch die Tarifgestaltung für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss auf Basis der Kosten ein fairer und nachhaltiger Wettbewerb gefördert wird. Dazu konnte die nationale Regulierungsbehörde u. a. Änderungen des Standardangebots verlangen.

    9 Nach Durchführung einer Marktanalyse erliefl die nationale slowakische Regulierungsbehörde für den Telekommunikationssektor (im Folgenden: TUSR) am 8. März 2005 die erstinstanzliche Entscheidung Nr. 205/14/2005, mit der sie Slovak Telekom als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf dem Vorleistungsmarkt für den Zugang zum entbündelten Teilnehmeranschluss im Sinne der Verordnung Nr. 2887/2000 bezeichnete. Die TUSR erlegte Slovak Telekom daraufhin verschiedene Verpflichtungen auf, u. a. die Verpflichtung zur Vorlage eines Standardangebots binnen 60 Tagen. Diese Entscheidung wurde von Slovak Telekom angefochten und am 14. Juni 2005 vom Vorsitzenden der TUSR bestätigt. Nach dieser bestätigenden Entscheidung war Slovak Telekom verpflichtet, allen Anträgen auf Entbündelung ihrer Teilnehmeranschlüsse, die als angemessen und begründet galten, stattzugeben und den Zugang zu gewähren, um es den alternativen Anbietern zu ermöglichen, diese Anschlüsse zu nutzen, um ihre eigene Leistungen auf dem „Endkundenmarkt (‚Massenmarkt‘)“ für Festnetz-Breitbanddienste in der Slowakei anzubieten. Der Beschluss vom 14. Juni 2005 verpflichtete Slovak Telekom auch, alle in Betracht gezogenen Änderungen am Standardangebot für entbündelte Teilnehmeranschlüsse mindestens 45 Tage im Voraus zu veröffentlichen und der TUSR zu übermitteln.

    10 Am 12. August 2005 veröffentlichte Slovak Telekom ihr Standardangebot für entbündelte Teilnehmeranschlüsse (im Folgenden: Standardangebot). Dieses Angebot, das bis Ende 2010 neunmal geändert wurde, enthält die vertraglichen und technischen Bedingungen für einen Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von Slovak Telekom. Auf Vorleistungsebene bietet Slovak Telekom Zugang zu Teilnehmeranschlüssen an, der in oder bei einem Hauptverteiler entbündelt ist, bis zu dem der zugangswillige alternative Anbieter sein eigenes Zentralnetz ausgebaut hat.

    11 Nach dem angefochtenen Beschluss deckte das Teilnehmeranschlussnetz von Slovak Telekom, das für die Bereitstellung von Breitbanddiensten verwendet werden könnte, in der Zeit von 2005 bis 2010 75,7 % aller slowakischen Haushalte ab, nachdem die betroffenen Anschlüsse von diesem Betreiber entbündelt worden seien. Diese Abdeckung habe sich auf alle Teilnehmeranschlüsse des Metallleitungsnetzes von Slovak Telekom erstreckt, die zur Übertragung eines Breitbandsignals geeignet gewesen seien. In...

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