Urteile nº T-767/17 of Tribunal General de la Unión Europea, February 07, 2019

Resolution DateFebruary 07, 2019
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-767/17

„Gemeinschaftsgeschmacksmuster - Nichtigkeitsverfahren - Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das eine Leuchte darstellt - Nichtigkeitsgrund - Älteres Geschmacksmuster - Eigenart - Informierter Benutzer - Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers - Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002

In der Rechtssache T-767/17

Eglo Leuchten GmbH mit Sitz in Pill (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H. Lauf,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Söder als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Briloner Leuchten GmbH & Co. KG, vormals Briloner Leuchten GmbH, mit Sitz in Brilon (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M.-H. Hoffmann,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des EUIPO vom 26. September 2017 (Sache R 746/2016-3) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Eglo Leuchten und Briloner Leuchten

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni, der Richterin K. Kowalik-Bańczyk (Berichterstatterin) und des Richters C. Mac Eochaidh,

Kanzler: R. Ukelyte, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 23. November 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 2. Februar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 31. Januar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2018

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Am 28. März 2014 meldete die Streithelferin, die Briloner Leuchten GmbH & Co. KG, nach der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster an.

2 Das angegriffene Geschmacksmuster wird wie folgt wiedergegeben:

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3 Das angegriffene Geschmacksmuster soll für „Leuchten“ in Klasse 26 05 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle vom 8. Oktober 1968 in geänderter Fassung verwendet werden.

4 Das angegriffene Geschmacksmuster wurde als Gemeinschaftsgeschmacksmuster unter der Nr. 2435768-0036 eingetragen und im Blatt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 98/2014 vom 28. Mai 2014 veröffentlicht.

5 Am 23. Oktober 2015 stellte die Klägerin, die Eglo Leuchten GmbH, beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung des angegriffenen Geschmacksmusters nach Art. 52 der Verordnung Nr. 6/2002. Der Antrag wurde auf Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 gestützt.

6 In ihrem Antrag auf Nichtigerklärung machte die Klägerin insbesondere geltend, dass es dem angegriffenen Geschmacksmuster an Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 fehle. Dabei stützte sie sich auf mehrere Dokumente, die belegen sollen, dass der Öffentlichkeit ältere Geschmacksmuster zugänglich gemacht wurden, und zwar u. a. auf

- einen Auszug aus dem Blatt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 81/2008 vom 23. April 2008, der die Veröffentlichung des unter der Nr. 894126 0011 eingetragenen Geschmacksmusters betrifft, das wie folgt wiedergegeben wird:

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- mehrere Seiten eines Katalogs der Klägerin mit dem Titel „Wohnraumleuchten 2009/10“, der u. a. folgende Bilder enthält:

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7 Mit Entscheidung vom 19. Februar 2016 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Antrag auf Nichtigerklärung statt.

8 Am 22. April 2016 legte die Streithelferin beim EUIPO Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein.

9 Mit Entscheidung vom 26. September 2017 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Dritte Beschwerdekammer des EUIPO die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung auf und wies den Antrag auf Nichtigerklärung zurück.

10 Dabei führte die Beschwerdekammer zum einen aus, die beiden Bilder aus dem oben in Rn. 6 genannten Katalog seien eine Wiedergabe des eingetragenen älteren Geschmacksmusters. Zum anderen reichten die Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern aus, um den Schluss zu ziehen, dass sie beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorriefen. Somit könne der Gesamteindruck des älteren Geschmacksmusters dem angegriffenen Geschmacksmuster nicht seine Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 nehmen.

Anträge der Parteien

11 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

- dem EUIPO und, hilfsweise, der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

12 Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

13 Als einzigen Klagegrund führt die Klägerin einen Verstofl gegen Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 an.

14 Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem auf einen Verstofl gegen Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 gestützten ersten Teil rügt die Klägerin, dass die Beschwerdekammer einen durchschnittlichen Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers angenommen habe. Mit dem zweiten Teil macht sie einen Verstofl gegen Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung geltend, da die Beschwerdekammer davon ausgegangen sei, dass das angegriffene Geschmacksmuster Eigenart habe.

15 Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

Vorbemerkungen

16 Aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 geht hervor, dass im Fall eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters die Eigenart im Hinblick auf den bei einem informierten Benutzer hervorgerufenen Gesamteindruck zu beurteilen ist. Der beim informierten Benutzer hervorgerufene Gesamteindruck muss sich von demjenigen unterscheiden, den ein anderes Geschmacksmuster hervorruft, das der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen wird, vor dem Prioritätstag zugänglich gemacht worden ist. Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 stellt klar, dass bei der Beurteilung der Eigenart der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters zu berücksichtigen ist.

17 Nach der Rechtsprechung beruht die Eigenart eines Geschmacksmusters darauf, dass aus der Sicht eines informierten Benutzers in Bezug auf den vorbestehenden Formschatz ein Unterschied im Gesamteindruck oder kein „Déjà-vu“ besteht, wobei Unterschiede aufler Betracht bleiben, die - auch wenn sie über unbedeutende Details hinausgehen - zu schwach ausgeprägt sind, um diesen Gesamteindruck zu beeinflussen, jedoch Unterschiede berücksichtigt werden, die hinreichend ausgeprägt sind, um einen unähnlichen Gesamteindruck hervorzurufen (vgl. Urteil vom 7. November 2013, Budziewska/HABM - Puma [Springende Raubkatze], T-666/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:584, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18 Bei der Beurteilung, ob ein Geschmacksmuster Eigenart in Bezug auf den vorbestehenden Formschatz aufweist, sind die Art des Erzeugnisses, bei dem das Geschmacksmuster benutzt wird oder in das es aufgenommen wird, und insbesondere der jeweilige Industriezweig (vgl. 14. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 6/2002) und der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters, eine mögliche Sättigung des Stands der Technik, durch die der informierte Benutzer für Unterschiede zwischen den verglichenen Geschmacksmustern aufmerksamer wird, sowie die Art der Benutzung des fraglichen Erzeugnisses, insbesondere im Hinblick auf die dafür übliche Bedienungsweise, zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 7. November 2013, Springende Raubkatze, T-666/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:584, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19 Schliefllich ist bei der Beurteilung der Eigenart eines Geschmacksmusters auch die Sicht des informierten Benutzers zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung ist der informierte Benutzer eine Person, der eine besondere Wachsamkeit eigen ist und die über eine gewisse Kenntnis vom vorherigen Stand der Technik verfügt, d. h. vom Formenschatz der sich auf das fragliche Erzeugnis beziehenden Geschmacksmuster, die am Anmeldetag des streitigen Geschmacksmusters oder gegebenenfalls an dem in Anspruch genommenen Prioritätstag zugänglich waren (Urteile vom 18. März 2010, Grupo Promer Mon Graphic/HABM - PepsiCo [Wiedergabe eines runden Werbeträgers], T-9/07, EU:T:2010:96, Rn. 62, vom 9. September 2011, Kwang Yang Motor/HABM - Honda Giken Kogyo [Verbrennungsmotor], T-11/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:447, Rn. 23, und vom 29. Oktober 2015, Roca Sanitario/HABM - Villeroy & Boch [Einhandmischer], T-334/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:817, Rn. 18).

20 Die beiden Teile des einzigen von der Klägerin geltend gemachten Klagegrundes sind im Licht der vorstehenden Erwägungen zu prüfen.

Erster Teil: Verstofl gegen Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002

21 Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer hätte davon ausgehen müssen, dass der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers mangels gegenteiliger Nachweise der Streithelferin hoch sei. Im Übrigen sei die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers nach dem übereinstimmenden Parteivortrag vor dem EUIPO zum einen hinsichtlich der Befestigungsvorrichtung praktisch nicht vorhanden und zum anderen hinsichtlich des Leuchtenkopfs hoch.

22 Insoweit ist festzustellen, dass der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters insbesondere durch die Vorgaben bestimmt wird, die sich aus den durch die technische Funktion des Erzeugnisses oder eines Bestandteils des Erzeugnisses bedingten Merkmalen oder aus den auf das Erzeugnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften ergeben. Diese Vorgaben führen zu einer Standardisierung bestimmter Merkmale, die dann zu gemeinsamen Merkmalen aller beim betreffenden Erzeugnis verwendeten Geschmacksmuster werden (Urteil vom 18. März 2010, Wiedergabe eines...

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