Beschlüsse nº T-517/18 of Tribunal General de la Unión Europea, May 10, 2019

Resolution DateMay 10, 2019
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-517/18

„Gemeinschaftsgeschmacksmuster - Nichtigkeitsverfahren - Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das einen rechteckigen Fertigkuchen darstellt - Ältere Gemeinschaftsgeschmacksmuster - Nichtigkeitsgrund - Fehlende Eigenart - Kein anderer Gesamteindruck - Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers - Informierter Benutzer - Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 Buchst. b und Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 - Klage, der offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt“

In der Rechtssache T-517/18

Zott SE & Co. KG mit Sitz in Mertingen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte E. Schalast, R. Lange und C. Böhler,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch D. Walicka als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

TSC Food Products GmbH mit Sitz in Wels (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Gaderer,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des EUIPO vom 27. Juni 2018 (Sache R 1341/2017-3) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen TSC Food Products und Zott,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias (Berichterstatter) sowie der Richterin I. Labucka und des Richters I. Ulloa Rubio,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 3. September 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 29. November 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 20. November 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin

folgenden

Beschluss

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Am 23. Juni 2014 meldete die Klägerin, die Zott SE & Co. KG, nach der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster an.

2 Angemeldet wurde das nachfolgend wiedergegebene Gemeinschaftsgeschmacksmuster:

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3 Von dem angemeldeten Geschmacksmuster werden folgende Erzeugnisse der Klasse 01-01 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle vom 8. Oktober 1968 in geänderter Fassung erfasst: „Desserts, Backwaren, Biskuits, Konditorwaren, Teigwaren und andere Getreideerzeugnisse, Schokolade, Zuckerwaren, Eis, Backwaren, Feine Backwaren“.

4 Die Anmeldung enthielt eine Beschreibung des angemeldeten Geschmacksmusters mit folgendem Wortlaut: „Rechteckiger Fertigkuchen bestehend aus zwei braunen Teigplatten, zwischen denen sich eine weifle Cremeschicht befindet, in deren Mitte ein brauner Schokoladenstreifen verläuft“.

5 Das angemeldete Geschmacksmuster wurde am Tag der Anmeldung unter der Nr. 2487983-0001 eingetragen und im Blatt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 2014/116 vom 26. Juni 2014 veröffentlicht.

6 Am 7. November 2016 reichte die Streithelferin, die TSC Food Products GmbH, auf der Grundlage von Art. 52 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 einen Antrag auf Nichtigerklärung des in Rede stehenden Geschmacksmusters ein.

7 Zur Stützung ihres Nichtigkeitsantrags machte die Streithelferin die in Art. 25 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1, Art. 5 und Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 genannten Gründe geltend und brachte vor, dass das angegriffene Geschmacksmuster weder die nach diesen Bestimmungen erforderliche Neuheit noch die danach nötige Eigenart habe.

8 Ihrem Antrag hatte die Streithelferin u. a. fünf Dokumente mit älteren Geschmacksmustern beigefügt.

9 Das erste dieser Dokumente war die Kopie einer Verpackungsfolie für Erzeugnisse der Marke Danone, die Folgendes wiedergibt (im Folgenden: älteres Geschmacksmuster D 1):

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10 Das fünfte Dokument war eine Seite der Website Wikipedia über das Erzeugnis „Milchschnitte“, die folgende Abbildung enthielt (im Folgenden: älteres Geschmacksmuster D 5):

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11 Mit Entscheidung vom 26. April 2017 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Antrag der Streithelferin auf Nichtigerklärung statt, da das angegriffene Geschmacksmuster im Hinblick auf das ältere Geschmacksmuster D 1 nicht neu sei.

12 Am 20. Juni 2017 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung nach den Art. 55 bis 60 der Verordnung Nr. 6/2002 Beschwerde ein.

13 Mit Entscheidung vom 27. Juni 2018 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Dritte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde der Klägerin zurück. Die Beschwerdekammer gelangte nämlich zu dem Ergebnis, dass das angegriffene Geschmacksmuster keine Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 habe. In diesem Zusammenhang hat sie zunächst darauf hingewiesen, dass sie ihre Prüfung auf das ältere Geschmacksmuster D 5 gestützt habe. Dieses sei zweifellos vor dem Anmeldetag des angegriffenen Geschmacksmusters der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Zwischen den Parteien bestehe Einigkeit darüber, dass die sich gegenüberstehenden Geschmacksmuster kleine Fertigkuchen mit einer unter Verwendung von Milch hergestellten Füllung beträfen. Sodann hat sie festgestellt, dass der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei solchen Erzeugnissen durchschnittlich sei. Auflerdem wisse der informierte Benutzer, dass Milchsnacks üblicherweise verpackt seien und in verschiedenen Geschmacksrichtungen angeboten werden könnten. Schliefllich hat sie die Ansicht vertreten, dass der von den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern hervorgerufene Gesamteindruck nicht unterschiedlich sei, da ihnen ihre rechteckige Form und ihr dreischichtiger Aufbau aus zwei dunklen äufleren Teigschichten und einer weiflen Füllung im Inneren gemeinsam seien. Zudem werde der informierte Benutzer die zwischen den beiden Geschmacksmustern bestehenden Unterschiede nicht als wesentliche Merkmale wahrnehmen (gröflere Länge des älteren Geschmacksmusters D 5 und Vorhandensein einer zusätzlichen dunklen Füllung beim angegriffenen Geschmacksmuster). Unter Berücksichtigung dieser Analyse entschied die Beschwerdekammer, dass sich die Prüfung des Nichtigkeitsgrundes der fehlenden Neuheit erübrige. Jedoch antwortete sie der Vollständigkeit halber gleichwohl auf diesbezügliches Vorbringen der Klägerin im Hinblick auf das Geschmacksmuster D 1.

Anträge der Parteien

14 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

- „der Beklagten“ die Kosten aufzuerlegen.

15 Das EUIPO beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

16 Die Streithelferin beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

17 Die Streithelferin beantragt zudem, den Antrag der Klägerin auf mündliche Verhandlung abzulehnen.

Zur Begründetheit

18 Nach Art. 126 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn einer Klage offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt, auf Vorschlag des Berichterstatters jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.

19 Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht aufgrund der Aktenlage für hinreichend unterrichtet und beschlieflt daher, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

20 Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin als einzigen Klagegrund einen Verstofl der Beschwerdekammer gegen Art. 4 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 der Verordnung Nr. 6/2002 geltend. Dieser Klagegrund umfasst im Wesentlichen zwei Teile. Mit dem ersten Teil bringt die Klägerin vor, die Beschwerdekammer habe durch die Annahme, dass das angegriffene Geschmacksmuster keine Eigenart aufweise, einen Beurteilungsfehler begangen. Mit dem zweiten Teil rügt die Klägerin einen Beurteilungsfehler der Beschwerdekammer dadurch, dass sie die Neuheit des betreffenden Geschmacksmusters verneint habe.

Zum ersten Teil des einzigen Klagegrundes: Beurteilungsfehler hinsichtlich der Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters

21 Zur Stützung des ersten Teils ihres einzigen Klagegrundes bringt die Klägerin vor, dass der Grad der Gestaltungsfreiheit aufgrund des Verwendungszwecks des durch das angegriffene Geschmacksmuster dargestellten Erzeugnisses eingeschränkt sei, so dass schon geringe Abweichungen zwischen den verglichenen Geschmacksmustern vom informierten Benutzer wahrgenommen würden. Im vorliegenden Fall seien die Abweichungen in den Proportionen zwischen dem angegriffenen Geschmacksmuster und dem älteren Geschmacksmuster D 5 sowie das Vorhandensein des in der Mitte verlaufenden braunen Schoko-Nuss-Streifens, der das angegriffene Geschmacksmuster kennzeichne, unmittelbar wahrnehmbar. Insbesondere sei der Umstand, dass der informierte Benutzer das letztgenannte Merkmal als Hinweis auf die Geschmacksrichtung verstehe, im Rahmen des Vergleichs der Geschmacksmuster ohne Belang. Es komme nur auf die Unterschiede hinsichtlich des von diesem Merkmal des angegriffenen Geschmacksmusters hervorgerufenen Gesamteindrucks an. Deshalb weise das angegriffene Geschmacksmuster Eigenart auf.

22 Das EUIPO und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.

23 Nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 wird ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt, soweit es neu ist und Eigenart hat. Gemäfl Art. 25 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung kann ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster nur dann für nichtig erklärt werden, wenn es die Voraussetzungen der Art. 4 bis 9 der Verordnung Nr. 6/2002 nicht erfüllt.

24 Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 hat ein eingetragenes Geschmacksmuster Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Geschmacksmuster bei diesem Benutzer hervorruft, das der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen wird, vor dem Prioritätstag zugänglich gemacht worden ist. Art. 6 Abs. 2 dieser Verordnung bestimmt, dass bei der Beurteilung der Eigenart der Grad der...

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