Urteile nº T-210/18 of Tribunal General de la Unión Europea, June 06, 2019

Resolution DateJune 06, 2019
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-210/18

„Gemeinschaftsgeschmacksmuster - Nichtigkeitsverfahren - Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das einen Personenkraftwagen darstellt - Älteres Gemeinschaftsgeschmacksmuster - Nichtigkeitsgrund - Fehlende Eigenart - Art. 6 und Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 6/2002

In der Rechtssache T-210/18

Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG mit Sitz in Stuttgart (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt C. Klawitter,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch S. Hanne als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Autec AG mit Sitz in Nürnberg (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Krogmann,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des EUIPO vom 19. Januar 2018 (Sache R 941/2016-3) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen der Autec AG und der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Frimodt Nielsen sowie der Richterin N. Półtorak und des Richters E. Perillo (Berichterstatter),

Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 22. März 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 13. Juli 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 6. Juli 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund der Entscheidung vom 7. August 2018, das Schreiben der Klägerin vom 23. Juli 2018 nicht zu den Akten zu nehmen,

aufgrund der Entscheidung vom 23. August 2018, das Schreiben der Klägerin vom 13. August 2018 nicht zu den Akten zu nehmen,

aufgrund der Entscheidung vom 20. September 2018, die Rechtssachen T-43/18, T-191/18, T-192/18, T-209/18 und T-210/18 nicht zu verbinden,

aufgrund der Bestimmung eines anderen Richters, um die Kammer nach der Verhinderung eines ihrer Mitglieder zu ergänzen,

aufgrund der Entscheidung vom 14. Januar 2019, die Rechtssachen T-209/18 und T-210/18 nicht zu gemeinsamem mündlichen Verfahren zu verbinden,

auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2019

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Am 2. Juli 2004 meldete die Klägerin, die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) nach der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster an.

2 Das angemeldete Gemeinschaftsgeschmacksmuster wird wie folgt wiedergegeben (im Folgenden: angegriffenes Geschmacksmuster oder Geschmacksmuster der Baureihe 997 des Personenkraftwagens Porsche 911):

Image not found Image not found

Image not found Image not found

3 Das angegriffene Geschmacksmuster ist zur Verwendung für „Personenkraftwagen“ in Klasse 12-08 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle vom 8. Oktober 1968 in geänderter Fassung bestimmt.

4 Das angegriffene Geschmacksmuster wurde im Blatt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 2004/076 vom 7. September 2004 veröffentlicht.

5 Am 8. Juli 2014 stellte die Streithelferin, die Autec AG, beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung des angegriffenen Geschmacksmusters und gründete diesen auf Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 in Verbindung mit deren Art. 4 Abs. 1, Art. 5 und Art. 6.

6 Sie machte im Wesentlichen geltend, dass es dem Geschmacksmuster der Baureihe 997 des Personenkraftwagens Porsche 911, dessen Eintragung die Klägerin erlangt hatte, sowohl an Neuheit als auch an Eigenart fehle, was seinem Schutz entgegenstehe. Das Geschmacksmuster der Baureihe 997 des Personenkraftwagens Porsche 911 unterscheide sich nicht spürbar von den anderen Modellen des Personenkraftwagens Porsche 911, die seit dessen Urversion aus dem Jahr 1963 auf den Markt gebracht worden seien.

7 In diesem Zusammenhang berief sich die Streithelferin insbesondere auf die folgenden Geschmacksmuster (im Folgenden: ältere Geschmacksmuster):

- das ältere deutsche Design Nr. M9705639-0001 mit der Angabe „Heckspoiler für ein Kraftfahrzeug“, am 10. Dezember 1997 vom Deutschen Patent- und Markenamt veröffentlicht, das wie folgt wiedergegeben wird (im Folgenden: Geschmacksmuster D 1):

Image not found

- das ältere deutsche Design Nr. 49906704-0001 mit der Angabe „Kraftfahrzeug, insbesondere Sportwagen“, am 10. November 1999 vom Deutschen Patent- und Markenamt veröffentlicht, das wie folgt wiedergegeben wird (im Folgenden: Geschmacksmuster D 2):

Image not found

8 Darüber hinaus fügte die Streithelferin ihrem Antrag auf Nichtigerklärung diverse Presseartikel über das Design des Personenkraftwagens Porsche 911 bei.

9 Es steht fest und ist unstreitig, dass die Geschmacksmuster D 1 und D 2 Seitenansichten des Geschmacksmusters der Baureihe 996 des Personenkraftwagens Porsche 911, also des Vorgängermodells der Baureihe 997, darstellen.

10 Mit Entscheidung vom 10. Mai 2016 gab die Nichtigkeitsabteilung des EUIPO dem Antrag auf Nichtigerklärung statt und erklärte das angegriffene Geschmacksmuster wegen fehlender Eigenart für nichtig.

11 Am 23. Mai 2016 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung nach den Art. 55 bis 60 der Verordnung Nr. 6/2002 beim EUIPO Beschwerde ein.

12 Mit Entscheidung vom 19. Januar 2018 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Dritte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde wegen fehlender Eigenart im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 zurück.

13 Die Beschwerdekammer führte aus, dass die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei Personenkraftwagen durch die technischen Merkmale des in Rede stehenden Erzeugnisses, wie eine Karosserie und Räder, sowie gesetzliche Vorgaben, insbesondere im Bereich der Verkehrssicherheit, die beispielsweise die Ausstattung mit Scheinwerfern, Seitenspiegeln und Rückleuchten beträfen, eingeschränkt sei.

14 Hingegen unterliege die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers als solche hinsichtlich der Ausgestaltung dieser technisch und gesetzlich vorgegebenen Merkmale keinen Beschränkungen. Zudem sei der Benutzer der in Rede stehenden Erzeugnisse ein informierter Benutzer von Fahrzeugen im Allgemeinen, also eine Person, die diese fahre und benutze und die mit den am Markt verfügbaren Fahrzeugmodellen vertraut sei.

15 Die geringfügigen Unterschiede in den Seitenansichten der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster, die insbesondere die Ausgestaltung der vorderen und hinteren Stoflstange, die Lufteinlässe, die Heckklappen oder den Heckspoiler beim Geschmacksmuster D 1 beträfen, reichten angesichts der Ähnlichkeit der „nahezu identischen“ Form ihrer Karosserie, ihrer Türen, ihrer Fenster oder ihrer Scheinwerfer weder in technischer noch in ästhetischer Hinsicht dafür aus, dass das angegriffene Geschmacksmuster in der Wahrnehmung des informierten Benutzers einen anderen Gesamteindruck erzeuge als den Gesamteindruck, den die zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung herangezogenen älteren Geschmacksmuster hervorriefen.

16 Die Unterschiede bei den anderen Ansichten des angegriffenen Geschmacksmusters, nämlich bei den Vorder- und Heckansichten des Geschmacksmusters der Baureihe 997 des Personenkraftwagens Porsche 911, reichten ebenfalls nicht aus, um einen abweichenden Gesamteindruck zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern zu begründen, da diese Unterschiede „den in den Seitenansichten offenbarten Merkmalen nichts Nennenswertes [hinzufügten]“.

17 Daher kam die Beschwerdekammer zu dem Schluss, dass die älteren deutschen Geschmacksmuster ausreichten, um der Anerkennung einer Eigenart des Geschmacksmusters der Baureihe 997 des Personenkraftwagens Porsche 911 entgegenzustehen; ob das angegriffene Geschmacksmuster Neuheit aufweise, könne somit dahingestellt bleiben.

Anträge der Parteien

18 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

- den Antrag auf Nichtigerklärung des angegriffenen Geschmacksmusters zurückzuweisen.

19 Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

20 Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund im Wesentlichen einen Verstofl gegen Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 in Verbindung mit deren Art. 5 und 6 geltend.

21 Im Wesentlichen rufe das angegriffene Geschmacksmuster angesichts der „relevanten“ Unterschiede zwischen der Baureihe 997 und der Baureihe 996 des Personenkraftwagens Porsche 911 beim informierten Benutzer dieser Art von Personenkraftwagen einen anderen Gesamteindruck hervor als denjenigen, den die von der Streithelferin zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung herangezogenen älteren Geschmacksmuster hervorriefen.

22 Nach der summarischen Wiedergabe des Klagegrundes ist darauf hinzuweisen, dass gemäfl Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster dann für nichtig erklärt wird, wenn es die Voraussetzungen der Art. 4 bis 9 dieser Verordnung nicht erfüllt.

23 In diesem Zusammenhang stellt Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 klar, dass ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt wird, soweit es neu ist und Eigenart hat.

Zum ersten Teil des einzigen Klagegrundes: Verstofl gegen Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 in Verbindung mit deren Art. 6

24 Aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 geht hervor, dass die Eigenart eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters zunächst im Hinblick auf den beim betreffenden informierten Benutzer hervorgerufenen Gesamteindruck zu beurteilen ist (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2013, Merlin u. a./HABM - Dusyma [Spiele], T-231/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:560, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieser Gesamteindruck muss sich darüber hinaus von demjenigen unterscheiden, den ein anderes Geschmacksmuster hervorruft, das der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung oder, wenn eine...

To continue reading

Request your trial

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT