Urteile nº T-572/19 of Tribunal General de la Unión Europea, March 26, 2020

Resolution DateMarch 26, 2020
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-572/19

„Unionsmarke - Anmeldung einer dreidimensionalen Unionsmarke - Form eines geflochtenen Käses - Absolutes Eintragungshindernis - Fehlende Unterscheidungskraft - Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001

In der Rechtssache T-572/19,

Muratbey Gida Sanayi ve Ticaret AŞ mit Sitz in Istanbul (Türkei), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin M. Schork,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Söder als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 13. Juni 2019 (Sache R 108/2019-4) über die Anmeldung eines dreidimensionalen Zeichens in Form eines geflochtenen Käses als Unionsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kornezov sowie der Richter J. Passer und G. Hesse (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 16. August 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 18. Oktober 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäf‌l Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Am 4. Juni 2018 meldete die Klägerin, die Muratbey Gida Sanayi ve Ticaret AŞ, nach der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2 Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes dreidimensionales Zeichen:

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3 Die Marke wurde für folgende Waren der Klasse 29 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Käse; Verarbeiteter Käse“.

4 Am 25. Juli 2018 beanstandete die Prüferin die Anmeldung gemäf‌l Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 wegen fehlender Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke. Die Klägerin nahm hierzu Stellung.

5 Mit Entscheidung vom 27. November 2018 wies die Prüferin die Anmeldung auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 zurück.

6 Am 15. Januar 2019 legte die Klägerin beim EUIPO nach den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüferin ein.

7 Mit Entscheidung vom 13. Juni 2019 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Sie stellte fest, dass die maf‌lgeblichen Verkehrskreise im Hinblick auf die betroffenen Waren aus den Endverbrauchern dieser Waren in der gesamten Europäischen Union bestünden (Rn. 9 der angefochtenen Entscheidung). Die angemeldete Marke bestehe aus der Form der betroffenen Waren (Rn. 10 der angefochtenen Entscheidung). Die Formgebung sei einfach, schlicht und banal (Rn. 11 der angefochtenen Entscheidung). Die angemeldete Marke unterscheide sich nicht wesentlich von dem in der betreffenden Branche Üblichen oder Erwarteten, was die von der Prüferin herangezogenen Abbildungen belegten (Rn. 18 bis 20 der angefochtenen Entscheidung). Darüber hinaus stellte die Beschwerdekammer weitere Überlegungen in Verbindung mit dem Kauf und Verzehr der betroffenen Waren an (Rn. 23 bis 27 der angefochtenen Entscheidung). Hinsichtlich der Verleihung einer Auszeichnung an die Klägerin bei einem Wettbewerb führte die Beschwerdekammer aus, sie verfüge über keinen Anhaltspunkt, der ihr die Feststellung ermögliche, dass bei diesem Wettbewerb auf die Wahrnehmung von Endverbrauchern abgestellt worden sei (Rn. 28 der angefochtenen Entscheidung).

Anträge der Parteien

8 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

- dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

9 Das EUIPO beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

10 Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstof‌l gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 geltend.

11 Gemäf‌l Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.

12 Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 bedeutet, dass die Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C-398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

13 Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 ist zum einen im Hinblick auf die Waren, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maf‌lgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. Urteil vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C-456/01 P und C-457/01 P, EU:C:2004:258, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

14 Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den betroffenen Waren um „Käse“ und „Verarbeiteten Käse“, also um Lebensmittel des täglichen Verbrauchs, die sich insbesondere an den Endverbraucher wenden.

15 Dies wird von der Klägerin nicht bestritten. Dagegen wirft sie der Beschwerdekammer vor, die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke nur in Bezug auf die Wahrnehmung des Endverbrauchers beurteilt zu haben. Die betroffenen Waren richteten sich auch an die Fachverkehrskreise in der gesamten Union. Folglich komme es vorliegend nicht nur auf die Sicht des Endverbrauchers an, sondern auch auf das Verständnis der Fachverkehrskreise, an die sich insbesondere der von ihr geltend gemachte Wettbewerb „World Dairy Innovation Award 2018“ wende.

16 Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Endverbraucher der betroffenen Waren - mit anderen Worten, die breite Öffentlichkeit der Union -, die die Beschwerdekammer berücksichtigt hat, keinen unerheblichen Teil der maf‌lgeblichen Verkehrskreise darstellen. Ein Zeichen fällt jedoch bereits dann unter das Verbot nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001, wenn ein Eintragungshindernis in Bezug auf einen nicht unerheblichen Teil der maf‌lgeblichen Verkehrskreise besteht; insoweit braucht nicht geprüft zu werden, ob die anderen zu den maf‌lgeblichen Verkehrskreisen gehörenden Verbraucher dieses Zeichen ebenfalls kennen (vgl. Urteil vom 11. Juli 2019, Wewi Mobile/EUIPO [Fi Network], T-601/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:510, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17 Daher ist zu prüfen, ob die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass es der angemeldeten Marke zum einen in Bezug auf Käse und verarbeiteten Käse und zum anderen in Bezug auf die Wahrnehmung der durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen breiten Öffentlichkeit an Unterscheidungskraft fehle.

18 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, obwohl die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die aus der Form der Ware selbst bestehen, nicht anders sind als die für die übrigen Markenkategorien geltenden, eine dreidimensionale Marke, die aus der Form der Ware selbst besteht, von den maf‌lgeblichen Verkehrskreisen nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wird wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist. In der Tat schlief‌len die Durchschnittsverbraucher der Gruppe der betroffenen Waren aus der Form der Waren, wenn grafische oder Wortelemente fehlen, gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke als diejenige einer Wort- oder Bildmarke nachzuweisen (Urteil vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C-456/01 P und C-457/01 P, EU:C:2004:258, Rn. 38; vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 2006, De Waele/HABM [Form einer Wurst], T-15/05, EU:T:2006:142, Rn. 32).

19 Die angemeldete Form kann nur als unterscheidungskräftig angesehen werden, wenn sie geeignet erscheint, ohne Weiteres als Hinweis auf die Herkunft der betreffenden Waren wahrgenommen zu werden. Dies setzt jedoch voraus, dass die betreffende Marke von den Regeln oder Gepflogenheiten der Branche erheblich abweicht (Urteil vom 26. November 2015, Établissement Amra/HABM [KJ Kangoo Jumps XR], T-390/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:897, Rn. 15).

20 Die Beschwerdekammer hat in der angefochtenen Entscheidung zunächst festgestellt, dass die angemeldete Marke aus der Form der betroffenen Ware selbst bestehe. Es handele sich um zwei Ansichten ein und desselben dreidimensionalen Gegenstands. Sodann hat die Beschwerdekammer die angemeldete Marke als Streifen beschrieben, auf dem gewisse diagonal verlaufende Einkerbungen zu sehen seien. Die Tatsache, dass die Wiedergabe der angemeldeten Marke zwei Ansichten enthalte, trage wenig zur Erkenntnis bei, und die zweite Ansicht offenbare keine zusätzlichen Merkmale. Die Beschwerdekammer hat weiter ausgeführt, sie habe nicht ersehen können, ob es sich um mehrere ursprünglich getrennte Käsestreifen handele, die ineinander verdreht worden seien, um einen neuen Streifen zu bilden, oder ob es sich lediglich um einen Käsestreifen handele, der verschiedene leichte Einkerbungen enthalte. Schlief‌llich ist die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis gelangt, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft habe. Insoweit hat sie ausgeführt, dass die Unterschiede zwischen der angemeldeten Marke und der Grundform eines Käsestreifens zu geringfügig seien. Darüber hinaus zeigten die von der Prüferin herangezogenen Abbildungen, dass Käse in...

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