Opinion of Advocate General Medina delivered on 3 March 2022.

JurisdictionEuropean Union
Date03 March 2022
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

LAILA MEDINA

vom 3. März 2022(1)

Rechtssache C659/20

ET

gegen

Ministerstvo životního prostředí

(Vorabentscheidungsersuchen des Nejvyšší správní soud [Oberstes Verwaltungsgericht, Tschechische Republik])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 267 AEUV – Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels – Verordnungen (EG) Nr. 338/97 und (EG) Nr. 865/2006 – Ausnahmen vom Verbot des Handels – In Gefangenschaft geborene und gezüchtete Exemplare einer Tierart – Begriff ‚Zuchtstock‘ – Bestimmung der Abstammung des Zuchtstocks“






Einleitung

1. „[D]ie freilebenden Tiere und Pflanzen in ihrer Schönheit und Vielfalt [bilden] einen unersetzlichen Bestandteil der natürlichen Systeme der Erde …, den es für die heutigen und künftigen Generationen zu schützen gilt“. Diese grundlegende Aussage findet sich in der Präambel zum Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (im Folgenden: CITES)(2).

2. Das CITES ist ein internationales Umweltübereinkommen, das auf den Schutz bestimmter Arten frei lebender Tiere und Pflanzen vor übermäßiger Ausbeutung durch internationalen Handel abzielt. In der Literatur wird es als „das wohl erfolgreichste aller internationalen Artenschutzübereinkommen“ bezeichnet, wobei jedoch anerkannt wird, dass „zweifellos weiterhin Probleme bestehen“(3). Insbesondere der illegale Handel mit Wildtieren „gibt weiterhin Anlass zu großer Sorge“(4). Der weltweite Wert des illegalen Handels wird von einigen auf zwischen 7 und 23 Mrd. US-Dollar (USD) jährlich geschätzt(5). Laut dem jüngsten UN World Wildlife Crime Report ist die Wildtierkriminalität ein Geschäft, das „global ist; lukrativ, mit hohe Preise treibender hoher Nachfrage; und extrem weit verbreitet“(6). In dem Bericht, der auch die Verbindungen zwischen der globalen Gesundheitskrise und der illegalen Ausbeutung von Wildtieren aufzeigt, wird die Beendigung der Wildtierkriminalität als „wesentlicher Teil eines besseren Wiederaufbaus nach der Covid‑19-Krise“ gesehen(7).

3. Diese allgemeinen Erwägungen bilden den Hintergrund, vor dem ich das Vorabentscheidungsersuchen des Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht, Tschechische Republik) zu prüfen beabsichtige. Das Ersuchen betrifft die Auslegung von zwei Verordnungen der Union, die den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten sowie die Gewährleistung ihrer Erhaltung durch Kontrollen des internationalen Handels mit Exemplaren dieser Arten bezwecken, nämlich der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates(8) und der Verordnung (EG) Nr. 865/2006 der Kommission(9).

4. Die Verordnung Nr. 338/97 enthält Bestimmungen, die für in Gefangenschaft geborene und gezüchtete Exemplare der in Anhang A der Verordnung aufgeführten Tierarten gewisse Ausnahmen vorsehen. In der vorliegenden Sache geht es im Wesentlichen darum, ob die zuständigen Behörden für die Zwecke der Feststellung, ob bestimmte Exemplare die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Verbot des Handels für in Gefangenschaft geborene und gezüchtete Exemplare einer Tierart erfüllen, die Herkunft des Zuchtstocks überprüfen dürfen, auch wenn diese Prüfung über die vom Züchter rechtmäßig erworbenen Exemplare hinausgeht. Wie ich in meiner Prüfung aufzuzeigen beabsichtige, sollten die Behörden für die Zwecke der Entscheidung, ob die Ausnahme zu gewähren ist, dazu befugt sein.

Rechtlicher Rahmen

Internationales Recht

CITES

5. Das CITES zielt darauf ab, bestimmte gefährdete Arten frei lebender Tiere und Pflanzen durch Regelung des internationalen Handels zu schützen. Es sieht gesonderte Schutzsysteme für verschiedene Arten vor, wobei die Arten, je nachdem, wie hoch die Gefahr ihres Aussterbens ist, in drei Gruppen aufgeteilt sind, auf die sich jeweils einer der drei Anhänge des Übereinkommens bezieht.

6. Dieses Übereinkommen, dem die Europäische Union am 8. Juli 2015 beigetreten ist, wurde in der Europäischen Union ab dem 1. Januar 1984 auf der Grundlage der Verordnung (EWG) Nr. 3626/82 des Rates(10) angewandt. Diese Verordnung wurde durch die Verordnung Nr. 338/97 aufgehoben.

7. In Anhang I des CITES sind die am stärksten bedrohten Arten aufgeführt, für die die strengste Schutzregelung gilt. Art. II Abs. 1 des CITES sieht vor, dass der Handel mit Exemplaren der dort genannten Arten nur in „Ausnahmefällen“ genehmigt werden darf.

8. Nach Art. II Abs. 2 Buchst. a des CITES enthält Anhang II zu dem Übereinkommen „alle Arten, die, obwohl sie nicht notwendigerweise schon heute von der Ausrottung bedroht sind, davon bedroht werden können, wenn der Handel mit Exemplaren dieser Arten nicht einer strengen Regelung unterworfen wird, damit eine mit ihrem Überleben unvereinbare Nutzung verhindert wird“. Die Bedingungen für die Einfuhr von in Anhang II aufgeführten Arten sind weniger streng als diejenigen, die bei in Anhang I aufgeführten Arten gelten.

9. Art. VII Abs. 4 des CITES bestimmt, dass Exemplare einer in Anhang I aufgeführten Tierart, die für Handelszwecke in der Gefangenschaft gezüchtet wurden, als Exemplare der in Anhang II aufgeführten Arten gelten.

Unionsrecht

Verordnung Nr. 338/97

10.Art. 1 der Verordnung Nr. 338/97 bestimmt, dass diese zum Ziel hat, den Schutz und die Erhaltung wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch die Regelung des Handels mit ihnen sicherzustellen. Außerdem ist dort festgelegt, dass diese Verordnung im Einklang mit den Zielen, Grundsätzen und Bestimmungen des CITES anzuwenden ist.

11. Gemäß den Begriffsbestimmungen in Art. 2 der Verordnung Nr. 338/97 bedeutet:

„…

g) ‚Vollzugsbehörde‘ eine im Fall eines Mitgliedstaats nach Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe a) … benannte innerstaatliche Verwaltungsbehörde;

s) ‚Art‘ Art, Unterart oder Teilpopulation einer Art oder Unterart;

t) ‚Exemplar‘ jedes lebende oder tote Tier oder jede lebende oder tote Pflanze … einer in den Anhängen A bis D aufgeführten Art …

…“

12.Art. 8 der Verordnung Nr. 338/97 bestimmt:

„(1) Kauf, Angebot zum Kauf, Erwerb zu kommerziellen Zwecken, Zurschaustellung und Verwendung zu kommerziellen Zwecken sowie Verkauf, Vorrätighalten, Anbieten oder Befördern zu Verkaufszwecken von Exemplaren der Arten des Anhangs A sind verboten.

(3) Im Einklang mit den sonstigen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zur Erhaltung wildlebender Tier- und Pflanzenarten ist eine Ausnahme von den Verboten des Absatzes 1 möglich, sofern die Vollzugsbehörde des Mitgliedstaats, in dem die Exemplare untergebracht sind, von Fall zu Fall eine diesbezügliche Bescheinigung ausstellt, wenn die Exemplare

d) in Gefangenschaft geborene und gezüchtete Exemplare einer Tierart oder künstlich vermehrte Exemplare einer Pflanzenart oder Teile oder Erzeugnisse aus solchen sind …

…“

Verordnung Nr. 865/2006

13.Art. 1 Nr. 3 der Verordnung Nr. 865/2006 enthält folgende Begriffsbestimmung:

„‚Zuchtstock‘ bezeichnet alle Tiere, die in einem Zuchtbetrieb für die Erzeugung von Nachkommen verwendet werden“.

14. Art. 54 („In Gefangenschaft geborene und gezüchtete Exemplare von Tierarten“) der Verordnung Nr. 865/2006 bestimmt:

„Unbeschadet von Artikel 55 ist ein Exemplar einer Tierart nur dann als in Gefangenschaft geboren und gezüchtet anzusehen, wenn einer zuständigen Vollzugsbehörde im Einvernehmen mit einer zuständigen wissenschaftlichen Behörde des beteiligten Mitgliedstaats Folgendes nachgewiesen wird:

2. der Zuchtstock wurde in Übereinstimmung mit den zum Zeitpunkt des Erwerbs geltenden Rechtsvorschriften und in einer Weise erworben, die dem Überleben der Art in der Natur nicht abträglich war;

…“

Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

15. Der Kläger züchtet Papageien. Am 21. Januar 2015 beantragte er für fünf Exemplare der Papageienart Hyazinth-Ara (Anodorhynchus hyacinthinus), die im Jahr 2014 in der Zucht des Klägers geboren worden waren, die Gewährung einer Ausnahme vom Verbot des Handels. Diese Art ist in Anhang A der Verordnung Nr. 338/97 und in Anhang I des CITES aufgeführt. Die zuständige Vollzugsbehörde lehnte den Antrag ab, wobei sie sich auf eine Stellungnahme der wissenschaftlichen Behörde stützte.

16. Im Zuge ihrer Prüfung traf die zuständige Vollzugsbehörde folgende Feststellungen zur Herkunft der zu überprüfenden Papageien: Die Großeltern der Papageien (im Folgenden: großelterliche Exemplare) wurden im Juni 1993 unter verdächtigen Umständen von einem uruguayischen Staatsangehörigen nach Bratislava (Slowakische Republik) eingeführt. Später wurden die großelterlichen Exemplare von FU mit dem Auto in die Tschechische Republik gebracht. An der Grenze wurde der Wagen von Zollbeamten angehalten, und die großelterlichen Exemplare, die sich im Besitz von FU befanden, wurden durch Verwaltungsentscheidung beschlagnahmt. Diese Verwaltungsentscheidung wurde jedoch 1996 vom Vrchní soud v Praze (Obergericht Prag, Tschechische Republik) aufgehoben.

17. Die Behörden gaben die großelterlichen Exemplare an FU zurück, der sie GV leihweise überließ. GV züchtete im Jahr 2000 die Eltern der in Rede stehenden Papageien (im Folgenden: elterliche Exemplare) und gab die großelterlichen Exemplare danach an FU zurück, der sie an den Zoo Zlín (Zlín, Tschechische Republik) übergab. Der Kläger erhielt die elterlichen Exemplare im Jahr 2000 von GV. Die Gültigkeit der Übertragung des Eigentums an den elterlichen Exemplaren an den Kläger steht außer Streit.

18. Die wissenschaftliche Behörde prüfte, ob die elterlichen Exemplare die in Art. 54 Nr. 2 der Verordnung Nr. 865/2006 vorgesehenen Voraussetzungen für die Ausnahme vom Verbot des Handels für in Gefangenschaft geborene und gezüchtete Exemplare einer Tierart erfüllten. Nach dieser Bestimmung muss der Zuchtstock „in Übereinstimmung mit den zum Zeitpunkt des Erwerbs geltenden Rechtsvorschriften und in einer Weise erworben [worden sein], die dem Überleben der Art in der Natur nicht abträglich war“. Die wissenschaftliche Behörde empfahl, keine Ausnahme zu gewähren. Ihrer...

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