DISA SUMINISTROS Y TRADING S.L.U. (DISA) v Agencia Estatal de la Administración Tributaria.
Jurisdiction | European Union |
Celex Number | 62022CJ0743 |
ECLI | ECLI:EU:C:2024:438 |
Date | 30 May 2024 |
Docket Number | C-743/22 |
Court | Court of Justice (European Union) |
Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)
30. Mai 2024(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom – Richtlinie 2003/96/EG – Art. 5 – Verbrauchsteuer auf Mineralöle – Regionaler Satz für die Verbrauchsteuer auf Mineralöle zusätzlich zum nationalen Verbrauchsteuersatz – Gestaffelte Verbrauchsteuersätze im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats in Abhängigkeit von der Region, in der das Erzeugnis verbraucht wird“
In der Rechtssache C‑743/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) mit Entscheidung vom 15. November 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Dezember 2022, in dem Verfahren
DISA Suministros y Trading SLU (DISA)
gegen
Agencia Estatal de Administración Tributaria
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter Z. Csehi (Berichterstatter), M. Ilešič, I. Jarukaitis und D. Gratsias,
Generalanwalt: A. Rantos,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der DISA Suministros y Trading SLU (DISA), vertreten durch J. C. García Muñoz, Abogado,
– der spanischen Regierung, vertreten durch A. Gavela Llopis und M. Morales Puerta als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und C. Urraca Caviedes als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Januar 2024
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. 2003, L 283, S. 51) in der durch die Richtlinie 2004/74/EG des Rates vom 29. April 2004 (ABl. 2004, L 157, S. 87, berichtigt in ABl. 2004, L 195, S. 26) und die Richtlinie 2004/75/EG des Rates vom 29. April 2004 (ABl. 2004, L 157, S. 100, berichtigt in ABl. 2004, L 195, S. 31) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2003/96), insbesondere ihres Art. 5.
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der DISA Suministros y Trading SLU (DISA) und der Agencia Estatal de Administración Tributaria (staatliche Finanzverwaltungsbehörde, Spanien) betreffend Anträge von DISA auf Erstattung der Steuern, die DISA aufgrund eines von einer Autonomen Gemeinschaft für die Verbrauchsteuer auf Mineralöle erhobenen zusätzlichen Steuersatzes gezahlt hatte.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 In den Erwägungsgründen 2 bis 5, 9, 11, 15 und 24 der Richtlinie 2003/96 heißt es:
„(2) Das Fehlen von Gemeinschaftsbestimmungen über eine Mindestbesteuerung für elektrischen Strom und Energieerzeugnisse mit Ausnahme der Mineralöle kann dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes abträglich sein.
(3) Das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und die Erreichung der Ziele der anderen Gemeinschaftspolitiken erfordern die Festsetzung von gemeinschaftlichen Mindeststeuerbeträgen für die meisten Energieerzeugnisse einschließlich elektrischen Stroms, Erdgas und Kohle.
(4) Erhebliche Abweichungen zwischen den von den einzelnen Mitgliedstaaten vorgeschriebenen nationalen Energiesteuerbeträgen könnten sich als abträglich für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erweisen.
(5) Durch die Festsetzung angemessener gemeinschaftlicher Mindeststeuerbeträge lassen sich die derzeit bestehenden Unterschiede bei den nationalen Steuersätzen möglicherweise verringern.
…
(9) Den Mitgliedstaaten sollte die nötige Flexibilität für die Festlegung und die Durchführung von auf den jeweiligen nationalen Kontext abgestimmten politischen Maßnahmen eingeräumt werden.
…
(11) Es ist Sache des einzelnen Mitgliedstaats zu entscheiden, durch welche steuerlichen Maßnahmen er diesen gemeinschaftlichen Rahmen zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und von elektrischem Strom umsetzen will. …
…
(15) Die Möglichkeit, gestaffelte nationale Steuersätze für ein und dasselbe Erzeugnis anzuwenden, sollte unter bestimmten Umständen oder beständigen Voraussetzungen zulässig sein, sofern die gemeinschaftlichen Mindeststeuerbeträge und die Binnenmarkt- und Wettbewerbsregeln eingehalten werden.
…
(24) Den Mitgliedstaaten sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, bestimmte weitere Steuerbefreiungen oder ‑ermäßigungen anzuwenden, sofern dies nicht das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigt oder zu Wettbewerbsverzerrungen führt.“
4 Art. 1 der Richtlinie 2003/96 lautet:
„Die Mitgliedstaaten erheben nach Maßgabe dieser Richtlinie Steuern auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom.“
5 Art. 2 der Richtlinie 2003/96 bestimmt:
„(1) Als Energieerzeugnisse im Sinne dieser Richtlinie gelten die Erzeugnisse:
…
b) der KN-Codes 2701, 2702 und 2704 bis 2715;
…“
6 Art. 3 der Richtlinie 2003/96 sieht vor:
„Die in der Richtlinie 92/12/EWG [des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. 1992, L 76, S. 1)] genannten Begriffe ‚Mineralöle‘ und ‚Verbrauchsteuern‘, soweit diese auf Mineralöle Anwendung finden, sind dahin gehend auszulegen, dass sie alle Energieerzeugnisse, den elektrischen Strom und alle nationalen indirekten Steuern nach Artikel 2 bzw. Artikel 4 Absatz 2 dieser Richtlinie umfassen.“
7 Art. 5 der Richtlinie 2003/96 bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten können unter Steueraufsicht gestaffelte Steuersätze anwenden, soweit diese die in dieser Richtlinie vorgesehenen Mindeststeuerbeträge nicht unterschreiten und mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, und zwar in den folgenden Fällen:
– Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen den gestaffelten Steuersätzen und der Qualität der Erzeugnisse;
– die gestaffelten Steuersätze richten sich nach dem Verbrauch an elektrischem Strom und sonstigen Energieerzeugnissen, die als Heizstoff verwendet werden;
– die Steuersätze gelten für den öffentlichen Personennahverkehr (einschließlich Taxis), die Müllabfuhr, die Streitkräfte und öffentliche Verwaltung, Menschen mit Behinderung oder Krankenwagen;
– es wird bei den in den Artikeln 9 und 10 genannten Energieerzeugnissen bzw. dem elektrischen Strom zwischen betrieblicher und nicht betrieblicher Verwendung unterschieden.“
8 Art. 6 der Richtlinie 2003/96 sieht vor:
„Den Mitgliedstaaten steht es frei, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen oder Steuerermäßigungen zu gewähren, und zwar entweder:
a) direkt[,]
b) über einen gestaffelten Steuersatz
oder
c) indem sie die entrichteten Steuern vollständig oder teilweise erstatten.“
9 Art. 7 Abs. 2 und die Art. 15 bis 18b der Richtlinie 2003/96 sehen u. a. vor, dass die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen gestaffelte Steuersätze, uneingeschränkte oder eingeschränkte Steuerbefreiungen oder Steuerermäßigungen oder Übergangszeiten festsetzen, die es ihnen ermöglichen, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Mindeststeuerbeträge zu erreichen.
10 Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96 bestimmt:
„Die in Anhang II aufgeführten Mitgliedstaaten werden ermächtigt, in Abweichung von den Bestimmungen dieser Richtlinie die in dem genannten Anhang aufgeführten Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen beizubehalten.
Die Geltungsdauer dieser Ermächtigung läuft – vorbehaltlich einer vorherigen Überprüfung durch den Rat [der Europäischen Union] auf der Grundlage eines Vorschlags der [Europäischen] Kommission – am 31. Dezember 2006 oder an dem in Anhang II genannten Datum aus.“
11 Art. 18 Abs. 7 und 8 der Richtlinie 2003/96 sieht vor:
„(7) Die Portugiesische Republik kann für in den autonomen Regionen Azoren und Madeira verbrauchte Energieerzeugnisse und elektrischen Strom als Ausgleich für die Transportkosten, die aufgrund der Insellage dieser Regionen und der großen Entfernungen zwischen den einzelnen Inseln entstehen, Steuerbeträge festlegen, die unter den in dieser Richtlinie festgesetzten Mindeststeuerbeträgen liegen.
…
(8) Die [Hellenische] Republik kann für als Kraftstoff verwendetes Gasöl und für Benzin, das in den Verwaltungsbezirken Lesbos, Chios, Samos, Dodekanes und Kykladen sowie auf den Ägäis-Inseln Thasos, Nördliche Sporaden, Samothrake und Skiros verbraucht wird, Steuerbeträge festlegen, die bis zu 22 [Euro] je 1 000 Liter unter den in dieser Richtlinie festgesetzten Mindestsätzen liegen.
…“
12 In Art. 19 der Richtlinie 2003/96 heißt es:
„(1) Zusätzlich zu den Bestimmungen der vorstehenden Artikel, insbesondere der Artikel 5, 15 und 17, kann der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission einen Mitgliedstaat ermächtigen, auf Grund besonderer politischer Erwägungen weitere Befreiungen oder Ermäßigungen einzuführen.
Mitgliedstaaten, die eine solche Maßnahme einzuführen beabsichtigen, setzen die Kommission hiervon in Kenntnis und übermitteln ihr alle einschlägigen und erforderlichen Informationen.
Die Kommission prüft den Antrag unter anderem im Hinblick auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes, die Wahrung des lauteren Wettbewerbs sowie die Gesundheits‑, Umweltschutz‑, Energie- und Verkehrspolitik der Gemeinschaft.
…
(3) Gelangt die Kommission zu der Auffassung, dass die in Absatz 1 genannten Befreiungen oder Ermäßigungen insbesondere unter dem Aspekt des lauteren Wettbewerbs oder des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts oder aufgrund der Gesundheits‑, Umweltschutz‑, Energie- und Verkehrspolitik der Gemeinschaft nicht länger aufrechterhalten werden können, so unterbreitet sie dem Rat geeignete Vorschläge. Der Rat beschließt über diese Vorschläge einstimmig.“
13 Anhang II („Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen im Sinne von Artikel 18 Absatz 1“) der Richtlinie 2003/96 bestimmt in Nr. 6 dritter Gedankenstrich und in Nr. 8 Gedankenstriche 10, 12, 13 und 15:
„6. Frankreich:
…
– für den Verbrauch auf der Insel Korsika, sofern die ermäßigten Sätze zu keiner Zeit die im Gemeinschaftsrecht für...
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