H. Lundbeck A/S and Lundbeck Ltd v European Commission.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2021:243
Docket NumberC-591/16
Date25 March 2021
Celex Number62016CJ0591
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

25. März 2021(*)

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartelle – Pharmazeutische Erzeugnisse – Markt für Antidepressiva (Citalopram) – Vereinbarungen zur gütlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten über die Verfahrenspatente, die der Herstellers des Originalpräparats und Inhaber der Patente mit Generikaherstellern schließt – Art. 101 AEUV – Potenzieller Wettbewerb – Bezweckte Beschränkung – Einstufung – Berechnung der Geldbuße – Umsätze, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen“

In der Rechtssache C‑591/16 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 18. November 2016,

H. Lundbeck A/S mit Sitz in Valby (Dänemark),

Lundbeck Ltd mit Sitz in Milton Keynes (Vereinigtes Königreich),

Prozessbevollmächtigte: ursprünglich R. Subiotto, QC, und Rechtsanwalt T. Kuhn, dann R. Subiotto, QC,

Rechtsmittelführerinnen,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castilla Contreras, T. Vecchi, B. Mongin und C. Vollrath als Bevollmächtigte im Beistand von B. Rayment, Barrister, D. Bailey, Barrister, G. Peretz, QC, und S. Kingston, SC,

Beklagte im ersten Rechtszug,

unterstützt durch:

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, ursprünglich vertreten durch D. Guðmundsdóttir, Z. Lavery und D. Robertson als Bevollmächtigte im Beistand von J. Turner, QC, J. Holmes, QC, M. Demetriou, QC, und T. Sebastian, Barrister, dann durch D. Guðmundsdóttir als Bevollmächtigte im Beistand von J. Turner, QC, J. Holmes, QC, M. Demetriou, QC, und T. Sebastian, Barrister,

Streithelfer im Rechtsmittelverfahren,

European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) mit Sitz in Genf (Schweiz), Prozessbevollmächtigte: F. Carlin, Barrister, und Rechtsanwältin N. Niejahr,

Streithelferin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter D. Šváby (Berichterstatter) und S. Rodin, der Richterin K. Jürimäe und des Richters P. G. Xuereb,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter, C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2019,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 4. Juni 2020

folgendes

Urteil

1 Mit ihrem Rechtsmittel begehren die H. Lundbeck A/S und die Lundbeck Ltd die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission (T‑472/13, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2016:449), mit dem ihre Klage auf teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses C(2013) 3803 final der Europäischen Kommission vom 19. Juni 2013 in einem Verfahren nach Art. 101 [AEUV] und Art. 53 des EWR-Abkommens (Sache AT/39226 – Lundbeck) (im Folgenden: streitiger Beschluss) sowie auf Herabsetzung der mit diesem Beschluss gegen sie verhängten Geldbußen abgewiesen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung (EG) Nr. 1/2003

2 Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) bestimmt:

„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig

a) gegen Artikel [101 oder Artikel 102 AEUV] verstoßen …“

Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006

3 In den Ziff. 6, 13 und 22 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006) heißt es:

„6. Die Verbindung des Umsatzes auf den vom Verstoß betroffenen Märkten mit der Dauer [der Zuwiderhandlung] stellt eine Formel dar, die die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens angemessen wiedergibt. Sie vermittelt Aufschluss über die Größenordnung der Geldbuße und sollte nicht als Grundlage für eine automatische arithmetische Berechnungsmethode verstanden werden.

13. Zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet die Kommission den Wert der von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des [Europäischen Wirtschaftsraums (EWR)] verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen. Im Regelfall ist der Umsatz im letzten vollständigen Geschäftsjahr zugrunde zu legen, in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war (nachstehend ‚Umsatz‘).

22. Bei der Bestimmung der genauen Höhe innerhalb dieser Bandbreite berücksichtigt die Kommission mehrere Umstände, u. a. die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligten Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis.“

Leitlinien zu Technologietransfer-Vereinbarungen von 2014

4 Rn. 29 der Leitlinien zur Anwendung von Artikel 101 [AEUV] auf Technologietransfer-Vereinbarungen (ABl. 2014, C 89, S. 3, im Folgenden: Leitlinien zu Technologietransfer-Vereinbarungen von 2014) lautet:

„Grundsätzlich gelten die Parteien einer Vereinbarung nicht als Wettbewerber, wenn sie sich in einer einseitigen oder zweiseitigen Sperrposition befinden. Eine einseitige Sperrposition liegt vor, wenn ein Technologierecht nicht verwertet werden kann, ohne ein anderes gültiges Technologierecht zu verletzen, oder wenn eine Partei am relevanten Markt nicht wirtschaftlich rentabel teilnehmen kann, ohne ein gültiges Technologierecht der anderen Partei zu verletzen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Technologierecht für die Verbesserung eines anderen Technologierechts besteht und die Verbesserung ohne eine Lizenz für das ursprüngliche Technologierecht nicht rechtmäßig genutzt werden kann. Eine zweiseitige Sperrposition liegt vor, wenn keines der Technologierechte verwertet werden kann, ohne das andere gültige Technologierecht zu verletzen, oder wenn keine der Parteien am relevanten Markt wirtschaftlich rentabel teilnehmen kann, ohne ein gültiges Technologierecht der anderen Partei zu verletzen, so dass die Parteien einander eine Lizenz gewähren oder auf ihre Rechte verzichten müssten. In der Praxis wird es jedoch Fälle geben, in denen nicht klar ist, ob ein bestimmtes Technologierecht gültig ist und verletzt wird.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitiger Beschluss

5 Das vorliegende Verfahren ist eines von sechs miteinander in Zusammenhang stehenden Verfahren über gegen sechs Urteile des Gerichts betreffend Klagen auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses eingelegte Rechtsmittel. Es handelt sich dabei außer dem vorliegenden Rechtsmittel um folgende Rechtsmittel: das Rechtsmittel in der Rechtssache C‑586/16 P (Sun Pharmaceutical Industries und Ranbaxy [UK]/Kommission) gegen das Urteil vom 8. September 2016, Sun Pharmaceutical Industries und Ranbaxy (UK)/Kommission (T‑460/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:453), das Rechtsmittel in der Rechtssache C‑588/16 P (Generics [UK]/Kommission) gegen das Urteil vom 8. September 2016, Generics (UK)/Kommission (T‑469/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:454), das Rechtsmittel in der Rechtssache C‑601/16 P (Arrow Group und Arrow Generics/Kommission) gegen das Urteil vom 8. September 2016, Arrow Group und Arrow Generics/Kommission (T‑467/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:450), das Rechtsmittel in der Rechtssache C‑611/16 P (Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission) gegen das Urteil vom 8. September 2016, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission (T‑471/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:460) und das Rechtsmittel in der Rechtssache C‑614/16 P (Merck/Kommission) gegen das Urteil vom 8. September 2016, Merck/Kommission (T‑470/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:452).

6 Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 75 des angefochtenen Urteils wie folgt dargestellt:

„I – Gesellschaften, auf die sich die vorliegende Rechtssache bezieht

1 Die H. Lundbeck A/S … ist eine Gesellschaft dänischen Rechts, die eine Gruppe von Gesellschaften kontrolliert, darunter die im Vereinigten Königreich ansässige Lundbeck Ltd, die auf die Forschung, die Entwicklung, die Herstellung, das Marketing, den Verkauf und den Vertrieb von Arzneimitteln zur Behandlung von Erkrankungen des zentralen Nervensystems, darunter Depressionen, spezialisiert ist.

2 [H. Lundbeck] ist ein Originalpräparatehersteller, also ein Unternehmen, das seine Tätigkeit auf die Erforschung und den Vertrieb neuer Arzneimittel konzentriert.

3 Die Merck K[G]aA ist eine im Arzneimittelsektor spezialisierte Gesellschaft deutschen Rechts, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der betreffenden Vereinbarungen mittelbar – über die Gruppe Merck Generics Holding GmbH – 100 % ihrer Tochtergesellschaft Generics UK Ltd (im Folgenden: GUK) hielt, die für die Entwicklung und den Vertrieb generischer Arzneimittel im Vereinigten Königreich verantwortlich ist.

4 Merck und GUK wurden von der … Kommission zur für den Sachverhalt maßgeblichen Zeit als ein einziges Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts betrachtet (im Folgenden: Merck [GUK]).

5 Die Arrow Group A/S, im August 2003 umbenannt in Arrow Group ApS (im Folgenden ohne Unterscheidung: Arrow Group), ist eine Gesellschaft dänischen Rechts an der Spitze einer Gruppe von Gesellschaften, die in mehreren Mitgliedstaaten präsent und seit 2001 in der Entwicklung und im Verkauf von Generika tätig ist.

6 Die Arrow Generics Ltd, eine Gesellschaft des Rechts des Vereinigten Königreichs, wurde als Tochtergesellschaft zunächst zu 100 % und später – ab Februar 2002 – zu 76 % von Arrow Group gehalten.

7 Die Resolution Chemicals Ltd ist eine Gesellschaft des...

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