Urteile nº T-452/05 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, April 28, 2010

Resolution DateApril 28, 2010
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-452/05

In der Rechtssache T‑452/05

Belgian Sewing Thread (BST) NV mit Sitz in Deerlijk (Belgien), vertreten durch die Rechtsanwälte H. Gilliams und J. Bocken,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch A. Bouquet und K. Mojzesowicz als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen, zum einen, Nichtigerklärung der Entscheidung K (2005) 3452 der Kommission vom 14. September 2005 in einem Verfahren nach den Artikeln 81 [EG] und 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/38.337 – PO/Garne) in ihrer durch die Entscheidung K (2005) 3765 der Kommission vom 13. Oktober 2005 geänderten Fassung und, hilfsweise, Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen die Klägerin verhängten Geldbuße sowie, zum anderen, Verurteilung der Kommission unter dem Gesichtspunkt der außervertraglichen Haftung der Europäischen Gemeinschaft zum Ersatz des der Klägerin angeblich entstandenen Schadens

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras sowie der Richter M. Prek (Berichterstatter) und V. M. Ciucǎ,

Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2008

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

  1. Gegenstand des Rechtsstreits

    1 Mit der Entscheidung K (2005) 3452 vom 14. September 2005 in einem Verfahren nach den Artikeln 81 [EG] und 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/38.337 – PO/Garne) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) in ihrer durch die Entscheidung K (2005) 3765 der Kommission vom 13. Oktober 2005 geänderten Fassung, von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 26. Januar 2008 (ABl. C 21, S. 10) veröffentlicht worden ist, stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften fest, dass die Klägerin, die Belgian Sewing Thread (BST) NV, im Zeitraum von Juni 1991 bis September 2001 an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen auf dem Markt für Industriegarne mit Ausnahme der Automobilbranche in den Beneluxländern sowie in Dänemark, Finnland, Schweden und Norwegen (im Folgenden: nordische Länder) beteiligt gewesen sei.

    2 Die Kommission verhängte gegen die Klägerin wegen ihrer Beteiligung am Kartell über Industriegarne mit Ausnahme der Automobilbranche in den Benelux- und den nordischen Ländern eine Geldbuße von 0,979 Millionen Euro.

  2. Verwaltungsverfahren

    3 Am 7. und am 8. November 2001 führte die Kommission in den Geschäftsräumen mehrerer Garnhersteller Nachprüfungen gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), durch. Diese Nachprüfungen erfolgten aufgrund von Auskünften, die The English Needle & Tackle Co. im August 2000 erteilt hatte.

    4 Am 26. November 2001 stellte die Coats Viyella plc (im Folgenden: Coats) gemäß der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) einen Kronzeugenantrag, dem Beweise für das Vorliegen folgender Kartelle beigefügt waren: erstens eines Kartells auf dem Markt für Garne für die Automobilindustrie im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), zweitens eines Kartells auf dem Markt für Garne für Industriekunden im Vereinigten Königreich und drittens eines Kartells auf dem Markt für Industriegarne mit Ausnahme der Automobilbranche in den Benelux- und den nordischen Ländern (im Folgenden: Kartell auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern).

    5 Die Kommission richtete aufgrund der Schriftstücke, die sie bei den Nachprüfungen mitgenommen hatte, und derjenigen, die sie von Coats erhalten hatte, im März und im August 2003 Auskunftsverlangen gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 an die betroffenen Unternehmen.

    6 Am 15. März 2004 nahm die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an, die sie an mehrere Unternehmen wegen ihrer Beteiligung an einem oder mehreren der oben in Randnr. 4 genannten Kartelle richtete, darunter das Kartell auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern. Alle Unternehmen erhielten mittels einer CD-ROM, die ihnen am 7. April 2004 übersandt wurde, Einsicht in die Ermittlungsakten der Kommission.

    7 Alle Unternehmen, an die die Mitteilung der Beschwerdepunkte gesandt worden war, nahmen schriftlich Stellung.

    8 Am 19. und 20. Juli 2004 fand eine Anhörung statt.

    9 Am 24. September 2004 wurde den Beteiligten Zugang zu der nicht vertraulichen Fassung der Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte sowie zu den Stellungnahmen der Beteiligten zu der Anhörung gewährt und eine Frist für weitere Stellungnahmen eingeräumt.

    10 Am 14. September 2005 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung.

  3. Angefochtene Entscheidung

    Bestimmung des relevanten Marktes

    11 In der angefochtenen Entscheidung wird zwischen Garnen für die Automobilindustrie zum einen und Industriegarnen mit Ausnahme der Automobilbranche zum anderen unterschieden. Die Kommission hat in derselben angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass der Produktmarkt, anhand dessen die der Klägerin zur Last gelegte Zuwiderhandlung untersucht worden sei, der der Industriegarne sei.

    12 Der von der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung betroffene räumliche Markt ist der der Benelux- und der nordischen Länder.

    Größe und Struktur des relevanten Marktes

    13 In der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission klar, dass sich der Umsatz auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern auf rund 50 Millionen Euro im Jahr 2000 und rund 40 Millionen Euro im Jahr 2004 belaufen habe.

    14 Dort heißt es außerdem, dass zum Ende der Neunzigerjahre die Hauptlieferanten von Industriegarnen in den Beneluxländern und in den nordischen Ländern insbesondere die Klägerin, die Gütermann AG (im Folgenden: Gütermann), die Zwicky & Co. AG (im Folgenden: Zwicky), die Amann und Söhne GmbH & Co. KG (im Folgenden: Amann), die Barbour Threads Ltd (im Folgenden: Barbour) vor ihrer Übernahme durch Coats und Coats gewesen seien.

    Beschreibung der Verstöße

    15 In der angefochtenen Entscheidung wies die Kommission darauf hin, dass der Verstoß, der der Klägerin für den Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern zur Last gelegt werde, zwischen 1990 und 2001 begangen worden sei.

    16 Die betreffenden Unternehmen hätten mindestens einmal im Jahr ein Treffen abgehalten, und diese Zusammenkünfte hätten in Form zweier Sitzungen – die eine für den Markt der Beneluxländer, die andere für den der nordischen Länder – stattgefunden, wobei das Hauptziel dieser Zusammenkünfte darin bestanden habe, die Preise auf jedem dieser beiden Märkte auf einem hohen Niveau zu halten.

    17 Die Teilnehmer hätten Preislisten und Informationen über Rabatte, über die Erhöhung der Listenpreise, über die Senkung von Preisnachlässen und über die Erhöhung der Sonderpreise für bestimmte Kunden ausgetauscht. Es seien auch Vereinbarungen über die zukünftigen Preislisten, Maximalrabatte, Rabattsenkungen und die Erhöhung der Sonderpreise für bestimmte Kunden sowie Vereinbarungen zwecks Verhinderung der Unterbietung der Preise des etablierten Lieferanten und Aufteilung der Kunden geschlossen worden (angefochtene Entscheidung, Erwägungsgründe 99 bis 125).

    Verfügender Teil der angefochtenen Entscheidung

    18 In Art. 1 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass acht Unternehmen, darunter die Klägerin, dadurch gegen Art. 81 EG und gegen Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, dass sie sich, was die Klägerin betrifft in der Zeit von Juni 1991 bis September 2001, an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern beteiligt hätten.

    19 Mit Art. 2 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung wurden für das Kartell auf dem Markt für Industriegarne in den Benelux- und den nordischen Ländern insbesondere gegen folgende Unternehmen Geldbußen verhängt:

    – gegen Coats: 15,05 Millionen Euro;

    – gegen Amann: 13,09 Millionen Euro;

    – gegen die Klägerin: 0,979 Millionen Euro;

    – gegen Gütermann: 4,021 Millionen Euro;

    – gegen Zwicky: 0,174 Millionen Euro.

    20 In Art. 3 der angefochtenen Entscheidung gab die Kommission den genannten Unternehmen auf, die Zuwiderhandlungen, die sie festgestellt habe, unverzüglich einzustellen, soweit dies nicht bereits geschehen sei. Sie verpflichtete sie außerdem dazu, von der Wiederholung der in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung genannten Handlungen sowie von allen Handlungen oder Verhaltensweisen abzusehen, die einen ähnlichen Zweck bzw. eine ähnliche Wirkung hätten.

  4. Verfahren und Anträge der Parteien

    21 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 27. Dezember 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

    22 Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Fünften Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

    23 Die Klägerin beantragt,

    – Art. 1 der angefochtenen Entscheidung sie betreffend für nichtig zu erklären;

    – Art. 2 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit die Kommission gegen sie eine Geldbuße von 0,979 Millionen Euro verhängt, oder, hilfsweise, die Höhe dieser Geldbuße erheblich herabzusetzen;

    – die Kommission zum Ersatz des entstandenen Schadens, wie in der Klageschrift angegeben, zu verurteilen;

    – einen Sachverständigen zu bestellen, um den Teil des Schadens, der noch nicht bezifferbar ist, zu bestimmen;

    – der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    24 Die Kommission beantragt,

    – die Nichtigkeitsklage abzuweisen;

    – die Schadensersatzklage als unbegründet abzuweisen;

    – der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

    Rechtliche Würdigung

    25 Zum einen enthält die vorliegende Klage einen Antrag auf teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung oder, hilfsweise, auf...

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