Urteile nº T-335/08 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, July 01, 2010

Resolution DateJuly 01, 2010
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-335/08

In der Rechtssache T‑335/08

BNP Paribas mit Sitz in Paris (Frankreich),

Banca Nazionale del Lavoro SpA (BNL) mit Sitz in Rom (Italien),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Silvestri, G. Escalar und M. Todino,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch V. Di Bucci und E. Righini als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2008/711/EG der Kommission vom 11. März 2008 über die staatliche Beihilfe C 15/07 (ex NN 20/07), die Italien in Form von Steueranreizen zugunsten einiger Kreditinstitute gewährt hat, die Gegenstand einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung waren (ABl. L 237, S. 70),

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras (Berichterstatter) sowie der Richter M. Prek und V. M. Ciucă,

Kanzler: T. Weiler, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2010

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

In Rede stehende italienische Bestimmungen

1 1990 wurde nach italienischem Recht die Einbringung eines Teilbetriebs steuerlich dem Verkauf von Aktiva gleichgestellt und führte als solche zur Entrichtung von Körperschaftsteuer auf die Differenz zwischen dem Marktwert der eingebrachten Aktiva und ihrem steuerlichen Wert.

2 Um die Tätigkeiten im Bankwesen in Italien zu rationalisieren und insbesondere den öffentlichen Instituten des Bankensektors zu ermöglichen, die als geeigneter erachtete Rechtsform der Aktiengesellschaft anzunehmen, wurde mit der Legge n° 218 su disposizione in materia di ristrutturazione e integrazione patrimoniale degli istituti di credito di diritto pubblico (Gesetz Nr. 218 mit Bestimmungen auf dem Gebiet der Umstrukturierung und der Stärkung des Vermögens der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute) vom 30. Juli 1990 (GURI Nr. 182 vom 6. August 1990, im Folgenden: Gesetz 218/1990) eine steuerliche Ausnahmeregelung geschaffen, die darauf abzielte, die Einbringung von im Besitz dieser öffentlichen Institute befindlichem Anlagevermögen und anderer Aktiva von Banken in bereits bestehende oder neugebildete private Kreditinstitute zu erleichtern (Art. 1 und 7 Abs. 2 des Gesetzes 218/1990).

3 Nach dieser Regelung wurden die Wertzuwächse, die bei der Einbringung von Aktiva durch ein öffentlich-rechtliches Kreditinstitut in ein privates Kreditinstitut im Tausch gegen Aktien des genannten privaten Kreditinstituts entstanden, in Höhe von 85 % ihres Werts steuerlich so lange nicht berücksichtigt – und folglich nicht besteuert – bis sie effektiv realisiert wurden, sei es durch Ausschüttung seitens des einbringenden Instituts der von ihm gebildeten Pflichtrücklagen (entsprechend der Differenz zwischen dem in seiner Bilanz ausgewiesenen Wert der erhaltenen Aktien und dem steuerlichen Wert der eingebrachten Aktiva) in Form von Dividenden an seine Anteilseigner, durch Veräußerung der erhaltenen Aktien seitens des einbringenden Instituts oder durch Veräußerung der eingebrachten Aktiva durch die übernehmende Gesellschaft.

4 Die verbleibenden 15 % des bei der Einbringung realisierten Wertzuwachses wurden indessen sofort mit dem normalen Körperschaftsteuersatz bei dem einbringenden Institut besteuert. Im Gegenzug zu dieser Besteuerung wurden diese 15 % des Wertzuwachses als Anhebung des steuerlichen Werts der im Tausch gegen die Einbringung erhaltenen Aktien und des steuerlichen Werts der übertragenen Aktiva in der Buchführung des einbringenden Instituts bzw. der Buchführung der übernehmenden Gesellschaft ausgewiesen.

5 Diese durch das Gesetz 218/1990 geschaffene steuerneutrale Regelung führte somit zu einer doppelt unterschiedlichen Bewertung der steuerlichen Werte gegenüber den Buchwerten, d. h. zu einer unterschiedlichen Bewertung dieser steuerlichen Werte sowohl auf der Ebene der eingebrachten Aktiva (Buchführung der übernehmenden Gesellschaft) als auch auf der Ebene der im Tausch erhaltenen Aktien (Buchführung des einbringenden Instituts). Während die Buchwerte der eingebrachten Aktiva und der im Tausch erhaltenen Aktien dem Marktwert dieser Aktiva zum Zeitpunkt der Einbringung entsprachen, entsprachen die steuerlichen Werte dieser Aktiva und Aktien dem steuerlichen Wert der Aktiva, als diese im Eigentum des einbringenden Instituts standen, zuzüglich des Anteils von 15 % des realisierten und sofort der Steuer unterworfenen Wertzuwachses.

6 Durch Art. 2 der Legge n° 489 su proroga del termine di cui all’articolo 7, comma 6, della legge 30 luglio 1990, n° 218, recante disposizioni per la ristrutturazione e la integrazione del patrimonio degli istituti di credito di diritto pubblico, nonche’altre norme sugli istituti medesimi (Gesetz Nr. 489 betreffend u. a. die Verlängerung der in Art. 7 Abs. 6 des Gesetzes 218/1990 vorgesehenen Frist) vom 26. November 1993 (GURI Nr. 284 vom 3. Dezember 1993) wurden die öffentlichen Kreditinstitute, deren Ausstattungsfonds zur Gänze oder mehrheitlich vom Staat gehalten wurde, verpflichtet, zum 30. Juni 1994 nach den im Gesetz 218/1990 vorgesehenen Modalitäten die Form von Aktiengesellschaften anzunehmen.

7 Außer der Regelung zur teilweisen steuerlichen Neutralität, die durch das Gesetz 218/1990 geschaffen wurde und die speziell auf die Umstrukturierung des öffentlichen Bankensektors in Italien abzielt, setzte die Italienische Republik mit dem Decreto legislativo n° 544 su attuazione della direttiva del Consiglio 90/434/CEE relativa al regime fiscale comune da applicare alle fusioni, alle scissioni, ai conferimenti d’attivo ed agli altri scambi concernenti societa’ di Stati membri diversi (Legislativdekret Nr. 544 zur Umsetzung der Richtlinie 90/434/EWG) vom 30. Dezember 1992 die Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (ABl. L 225, S. 1) um. Diese Richtlinie bezweckte, durch die Schaffung eines gemeinsamen Steuersystems die Wettbewerbsverzerrungen zu beenden, die sich aus den nationalen Rechtsvorschriften ergeben, und die Umstrukturierungen zwischen Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten dadurch zu erleichtern, dass eine Besteuerung anlässlich der Durchführung dieser Umstrukturierungen vermieden wird, die finanziellen Interessen der betroffenen Mitgliedstaaten aber gewahrt bleiben (Erwägungsgründe 1 bis 6 der Richtlinie 90/434).

8 Die Richtlinie 90/434 und ihre italienischen Durchführungsbestimmungen sahen eine steuerneutrale Regelung vor, die derjenigen des Gesetzes 218/1990 vergleichbar war, abgesehen davon, dass sie eine vollständige Steuerneutralität schufen, was bedeutete, dass eine sofortige Besteuerung eines Teils des realisierten Wertzuwachses unterblieb, und dass sie nicht zu einer doppelt unterschiedlichen Bewertung der steuerlichen Werte gegenüber den Buchwerten, d. h. sowohl auf der Ebene der erhaltenen Aktien als auch auf derjenigen der eingebrachten Aktiva, führte, sondern nur zu einer unterschiedlichen Bewertung der steuerlichen Werte auf der Ebene der eingebrachten Aktiva, also allein in der Buchführung der übernehmenden Gesellschaft.

9 Mit Art. 23 des Decreto legislativo n° 41 su misure urgenti per il risanamento della finanza pubblica e per l’occupazione nelle aree depresse (Legislativdekret Nr. 41 mit Maßnahmen zur Gesundung der öffentlichen Finanzen und zur Beschäftigung in benachteiligten Gebieten) vom 23. Februar 1995 (GURI Nr. 45 vom 23. Februar 1995, im Folgenden: Legislativdekret 41/1995) gewährte der italienische Gesetzgeber den durch die Einbringung von Aktiva nach dem Gesetz 218/1990 begünstigten Gesellschaften erstmals die Möglichkeit, den steuerlichen Wert der eingebrachten Aktiva und denjenigen der seitens der einbringenden Körperschaften erhaltenen Aktien an die höheren Buchwerte dieser Aktiva und Aktien anzupassen, wodurch die unterschiedliche Bewertung der steuerlichen Werte beseitigt und die in der Buchführung des einbringenden Instituts gebildete Pflichtrücklage vom Besteuerungsaufschub befreit wurde. Diese Wertanpassung hatte zur Voraussetzung, dass die übernehmende Gesellschaft eine Ersatzsteuer mit einem Steuersatz von 14 % für die Wertanpassung allein des steuerlichen Werts der als Einlage erhaltenen Aktiva oder eine Ersatzsteuer mit einem Steuersatz von 18 % für die Wertanpassung nicht nur des steuerlichen Werts dieser Aktiva zahlte, sondern auch desjenigen der Aktien, die die einbringende Körperschaft erhalten hatte. Wurde diese Möglichkeit zur Wertanpassung wahrgenommen, musste sie sich auf alle im Rahmen der nach dem Gesetz 218/1990 durchgeführten Umstrukturierung eingebrachten Aktiva erstrecken, ohne andere Aktiva erfassen zu können, deren steuerlicher Wert unter dem Buchwert lag.

10 Während die Richtlinie 90/434 nur auf die Umstrukturierung von Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten Anwendung findet, dehnte die Italienische Republik mit dem Decreto legislativo n° 358 su riordino delle imposte sui redditi applicabili alle operazioni di cessione e conferimento di aziende, fusione, scissione e permuta di partecipazioni (Legislativdekret Nr. 358 über die Änderung der Besteuerung der Einkünfte bei Veräußerungsvorgängen und Unternehmensübertragungen, bei Verschmelzungs- und Spaltungsvorgängen sowie beim Tausch von Beteiligungen) vom 8. Oktober 1997 (GURI Nr. 249 vom 24. Oktober 1997, im Folgenden: Legislativdekret 358/1997) eigenständig die steuerneutrale Regelung auf die Umstrukturierung von im nationalen Hoheitsgebiet niedergelassenen Gesellschaften aus, schlug aber gleichzeitig den Wirtschaftsteilnehmern alternativ die sofortige Besteuerung des Wertzuwachses vor.

11 Die steuerliche Neutralität regelt Art. 4 des Legislativdekrets 358/1997. Auf der Grundlage dieser Regelung war die Übertragung der Aktiva eines Teilbetriebs zwischen im italienischen Hoheitsgebiet niedergelassenen Gesellschaften steuerlich neutral, sofern der steuerliche Wert der eingebrachten Aktiva...

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