Urteile nº T-359/04 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, September 09, 2010

Resolution DateSeptember 09, 2010
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-359/04

In der Rechtssache T‑359/04

British Aggregates Association mit Sitz in Lanark (Vereinigtes Königreich),

Healy Bros. Ltd mit Sitz in Middleton (Irland),

David K. Trotter & Sons Ltd mit Sitz in Manorhamilton (Irland),

Prozessbevollmächtigte: C. Pouncey, Solicitor, und Rechtsanwalt L. Van den Hende,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch J. Flett und T. Scharf als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, ursprünglich vertreten durch M. Bethell, dann durch E. Jenkinson und I. Rao und zuletzt durch S. Ossowski als Bevollmächtigte im Beistand von M. Hall und G. Facenna, Barristers,

Streithelfer,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C(2004) 1614 final der Kommission vom 7. Mai 2004, keine Einwände gegen die Änderung der in Nordirland geltenden Freistellung von der Granulatabgabe im Vereinigten Königreich zu erheben,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras sowie der Richter M. Prek und V. M. Ciucă (Berichterstatter),

Kanzler: C. Kantza, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2009

folgendes

Urteil

Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt

1 Die erste Klägerin, die British Aggregates Association (im Folgenden: BAA), ist ein Verband, in dem sich kleine unabhängige Unternehmen zusammengeschlossen haben, die im Vereinigten Königreich Steinbrüche und sonstige Abbaustellen betreiben. Sie hat 55 Mitglieder, die über 100 Steinbrüche und sonstige Abbaustellen betreiben. Der Großteil ihrer Mitglieder betreibt Steinbrüche oder Abbaustellen in Großbritannien (mit Ausnahme folglich von Nordirland). Im vorliegenden Fall tritt die BAA für ihre Mitglieder auf, die Steinbrüche oder Abbaustellen in Großbritannien betreiben.

2 Die zweite Klägerin, die Healy Bros. Ltd, und die dritte Klägerin, die David K. Trotter & Sons Ltd, sind in Irland ansässige Granulathersteller.

3 Die vorliegende Rechtssache betrifft die in Nordirland gewährte Freistellung von einer Umweltabgabe, die die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in der an das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland gerichteten Entscheidung C(2004) 1614 final vom 7. Mai 2004 (Beihilfe N 2/04 – Granulatabgabe – Nordirland) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) im Rahmen der Vorprüfungsphase als gemäß Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare Beihilfe ansah. Eine knappe Übersicht über diese Entscheidung wurde im Amtsblatt der Europäischen Union vom 2. April 2005 (C 81, S. 4) veröffentlicht. Nach Ansicht der Kommission waren die Voraussetzungen des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen (ABl. 2001, C 37, S. 3, im Folgenden: Gemeinschaftsrahmen) erfüllt.

Allgemeine Regelung der AGL

4 Die allgemeine Regelung dieser Umweltabgabe mit dem Titel „Stufenweise Einführung der Granulatabgabe in Nordirland“ („Aggregates Levy“, im Folgenden: AGL) wurde im Vereinigten Königreich mit den Sections 16 bis 49 des zweiten Teils des Finance Act (Finanzgesetz) 2001 und dessen Anhängen 4 bis 10 eingeführt.

5 Nach der Durchführungsverordnung zum Finance Act 2001 traten die Bestimmungen über die Einführung der AGL am 1. April 2002 in Kraft.

6 Der Finance Act 2001 wurde durch die Sections 129 bis 133 und Anhang 38 des Finance Act (Finanzgesetz) 2002 geändert. Die damit geänderten Bestimmungen fügten u. a. einen Übergangszeitraum für die Einführung der Abgabe in Nordirland hinzu.

7 Die AGL wird in Höhe von 1,60 GBP pro Tonne gewerblichen Zwecken dienenden Granulats erhoben (Section 16 Subsection 4 des Finance Act 2001).

8 Nach Section 16 Subsection 2 des Finance Act 2001 in seiner geänderten Fassung fällt die AGL ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes an, sobald abgabepflichtiges Granulat im Vereinigten Königreich gewerblichen Zwecken zugeführt wird. Sie betrifft somit gleichermaßen eingeführtes wie im Vereinigten Königreich abgebautes Granulat.

9 Mit der Entscheidung C(2002) 1478 final der Kommission vom 24. April 2002 (Staatliche Beihilfe N 863/01 – Granulatabgabe) (im Folgenden: Entscheidung von 2002) wurde die AGL von der Kommission gebilligt. Eine knappe Übersicht über diese Entscheidung wurde im Amtsblatt der Europäischen Union vom 5. Juni 2002 (C 133, S. 11) veröffentlicht.

10 In der Entscheidung von 2002 entschied die Kommission, keine Einwände gegen die AGL zu erheben, weil sie der Ansicht war, dass deren Anwendungsbereich durch die Logik und die Natur der fraglichen Abgaberegelung gerechtfertigt und die AGL folglich von vornherein nicht als Beihilfe im Sinne des Art. 87 EG einzustufen sei.

11 Die AGL ist eine Ökoabgabe, die auf Granulat erhoben wird, damit der Abbau von üblicherweise als Granulat verwendeten Mineralien zurückgeführt und rationalisiert wird, indem ihre Ersetzung durch aufbereitete oder freigestellte Rohmaterialien begünstigt und damit ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet wird.

12 Die AGL findet auf die gewerbliche Verwertung von Fels, Sand und Kies, die als Granulat verwendet werden, Anwendung, wird auf solche Materialien aber nicht erhoben, wenn sie zu anderen Zwecken verwendet werden. Sie wird jedoch nur auf Virgin-Granulat erhoben. Dagegen wird sie weder auf Granulat erhoben, das als Neben- oder Abfallprodukt anderer Verfahren gewonnen wird, noch auf aufbereitetes Granulat.

13 In Bezug auf Nordirland sah der Finance Act 2001 eine auf fünf Jahre erstreckte degressive Freistellung von der AGL vor. Für das erste Jahr war die AGL zum Satz von 0 % vorgesehen. Dann sollte der Abgabensatz jährlich um 20 % steigen, bis er schließlich nach fünf Jahren 100 % erreichen würde. Die Kosten der Maßnahme, d. h. der Verlust von Steuereinnahmen für das Vereinigte Königreich, wurden für diese fünf Jahre auf 45 Millionen GBP veranschlagt.

14 Das Vereinigte Königreich rechtfertigte diese Sonderbehandlung von Nordirland mit dem Anliegen, der zeitweiligen Gefahr eines Verlusts an internationaler Wettbewerbsfähigkeit der im Abbau und der Behandlung von Virgingranulat tätigen nordirischen Unternehmen vorzubeugen, die sich aus der insoweit besonderen Lage Nordirlands innerhalb des Vereinigten Königreichs ergebe, als es eine Landgrenze mit einem anderen Mitgliedstaat teile. Aufgrund dessen seien die Ein- und Ausfuhr von Granulat und verarbeiteten Erzeugnissen nach und aus Nordirland leichter als in anderen Regionen des Vereinigten Königreichs.

15 Die Kommission erklärte deshalb in ihrer Entscheidung von 2002 die degressive Freistellungsregelung für Nordirland für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und eröffnete kein förmliches Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG.

16 Gegen die Entscheidung von 2002 wurde dann von BAA eine Klage auf teilweise Nichtigerklärung beim Gericht erhoben (Urteil des Gerichts vom 13. September 2006, British Aggregates/Kommission, T‑210/02, Slg. 2006, II‑2789). In jener Rechtssache beanstandete BAA nicht die Schlussfolgerung der Kommission, dass die progressive Einführung der AGL in Nordirland eine mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare Beihilfe sei, sondern die Beurteilung der Kommission, dass die AGL keine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG sei.

17 Mit Urteil vom 13. September 2006, British Aggregates/Kommission (oben, Randnr. 16), wies das Gericht die Klage von BAA ab. Darin war es der Ansicht, der Kommission sei kein offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung des Anwendungsbereichs der Granulatabgabe unterlaufen, und die AGL sei folglich keine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG. BAA legte am 27. November 2006 Rechtsmittel gegen dieses Urteil ein.

18 Mit Urteil vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission (C‑487/06 P, Slg. 2008, I‑10505), hat der Gerichtshof das Urteil vom 13. September 2006, British Aggregates/Kommission (oben, Randnr. 16), aufgehoben und die Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen.

Änderungen der AGL in Bezug auf die für Nordirland gewährte Freistellung

19 Nach der Feststellung, dass mit der progressiven Einführung der AGL in Nordirland die erreichten Ziele nicht wie vorgesehen erreicht wurden, beschloss das Vereinigte Königreich, die degressive Freistellung von Granulat in Nordirland durch eine neue Freistellungsregelung zu ersetzen.

20 Selbst nach der progressiven Einführung der AGL wurde ein Anstieg der Schwarzeinfuhren von Granulat aus Irland nach Nordirland, auf die die AGL nicht entrichtet wurde, festgestellt, weshalb eine große Gefahr des Verlusts an Wettbewerbsfähigkeit für die Granulatindustrie in Nordirland bestand. Außerdem stellten sich die erwarteten Umweltvorteile in Nordirland nicht wie vorgesehen ein. Dies wurde auf die begrenzte Verfügbarkeit von der Abgabe nicht unterliegenden aufbereiteten und Ersatzmaterialien in Nordirland und auf das fast völlige Fehlen von Infrastrukturen zur Sammlung und Bearbeitung dieser Materialien zurückgeführt. Die Behörden des Vereinigten Königreichs waren deshalb der Ansicht, dass die progressive Einführung der AGL der Industrie für verarbeitete Erzeugnisse in Nordirland nicht genug Zeit gelassen habe, um sich durch die Umstellung auf aufbereitete oder Ersatzmaterialien dieser Entwicklung anzupassen.

21 Aus diesem Grund ersetzte das Vereinigte Königreich die degressive Freistellungsregelung in Nordirland durch eine neue Freistellungsregelung. Damit die verfolgten Umweltziele wirksam erreicht werden, entrichten die in Nordirland ansässigen Wirtschaftsteilnehmer, die eine Umweltvereinbarung mit den Behörden des Vereinigten Königreichs geschlossen haben, nach dieser neuen Regelung vom 1. April 2004 bis 31. März 2011 nur 20 % der AGL und kommen folglich in den Genuss einer Freistellung von der AGL zum Satz von 80 %. Diese Freistellung ist jedoch an die Bedingung geknüpft, dass sich die Unternehmen, die davon profitieren möchten, förmlich verpflichten und die mit der Regierung des Vereinigten Königreichs ausgehandelten Vereinbarungen einhalten, aufgrund deren sie während der Dauer der Freistellung an einem...

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