Beschlüsse nº T-11/06 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, July 13, 2006

Resolution DateJuly 13, 2006
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-11/06

Vorläufiger Rechtsschutz – Antrag auf Aussetzung des Vollzugs – Wettbewerb – Zahlung einer Geldbuße – Bankbürgschaft – Fumus boni iuris – Dringlichkeit – Interessenabwägung – Teilweise und bedingte Aussetzung“

In der Rechtssache T‑11/06 R

Romana Tabacchi SpA mit Sitz in Rom (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Siragusa und G. C. Rizza,

Antragstellerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch É. Gippini Fournier und F. Amato als Bevollmächtigte,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung der Kommission vom 20. Oktober 2005 in einem Verfahren nach Artikel 81 Absatz 1 EG (Sache COMP/C.38.281/B.2 – Rohtabak – Italien), soweit darin gegen die Antragstellerin eine Geldbuße in Höhe von 2,05 Mio. Euro verhängt wird, und auf Befreiung von der Pflicht zur Stellung einer Bankbürgschaft als Voraussetzung für die Abwendung der sofortigen Beitreibung dieser Geldbuße

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

Sachverhalt, Verfahren und Anträge

1 Am 20. Oktober 2005 erließ die Kommission eine Entscheidung in einem Verfahren nach Artikel 81 Absatz 1 EG (Sache COMP/C.38.281/B.2 – Rohtabak – Italien) (im Folgenden: Entscheidung). In Artikel 1 der Entscheidung stellte die Kommission fest, dass sieben der wichtigsten italienischen Weiterverarbeiter von Rohtabak, darunter die Romana Tabacchi SpA (im Folgenden: Antragstellerin), Vereinbarungen getroffen beziehungsweise aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen vereinbart hätten mit dem Ziel, die Bedingungen für den Einkauf von Rohtabak in Italien sowohl für den Direktbezug vom Erzeuger als auch von Drittpackern festzulegen. Sie stellte insbesondere fest, dass die Antragstellerin an diesen abgestimmten Verhaltensweisen von Oktober 1997 bis 5. November 1999 sowie vom 29. Mai 2001 bis 19. Februar 2002 mitgewirkt habe.

2 In Artikel 2 der Entscheidung wurde der Antragstellerin eine Geldbuße in Höhe von 2,05 Millionen Euro auferlegt, zahlbar binnen drei Monaten ab Datum der (am 10. November 2005 erfolgten) Zustellung der Entscheidung.

3 Im Schreiben vom 9. November 2005, mit dem die Entscheidung mitgeteilt wurde, hieß es, falls die Antragstellerin das Gericht anrufen sollte, werde die Kommission während der Anhängigkeit der Rechtssache beim Gericht von einer Beitreibung der Geldbuße absehen, sofern die Forderung vom Ablauf der Zahlungsfrist an verzinst und spätestens zu diesem Zeitpunkt, d. h. am 10. Februar 2006, eine akzeptable Bankbürgschaft gestellt werde.

4 Die Antragstellerin hat mit Klageschrift, die am 19. Januar 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß Artikel 230 Absatz 4 EG Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben, soweit sie die Berechnung der Höhe der Geldbuße betrifft, und demzufolge auf Herabsetzung der Geldbuße selbst.

5 Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei eingegangen ist, hat die Antragstellerin gemäß Artikel 242 EG und Artikel 104 der Verfahrensordnung des Gerichts den vorliegenden Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung und auf Befreiung der Antragstellerin von der Obliegenheit gestellt, für die Zahlung der Geldbuße als Bedingung dafür, dass diese nicht sofort beigetrieben werde, eine Bankbürgschaft stellen zu müssen.

6 Am 10. Februar 2006 hat die Kommission zum Antrag auf Aussetzung des Vollzugs schriftliche Erklärungen eingereicht.

7 Die Antragstellerin hat nach Aufforderung durch den Richter der einstweiligen Anordnung am 3. März 2006 neue Erklärungen eingereicht, zu denen die Kommission am 29. März 2006 ihre Stellungnahme vorgelegt hat.

8 Am 8. Mai 2006 hat die Antragstellerin zusätzliche Unterlagen eingereicht, aus denen sich ergibt, dass sie mit Schreiben vom 20. April 2006 vorgeschlagen hat, die Geldbuße in Raten zu zahlen, was die Kommission mit Schreiben vom 5. Mai 2006 zurückgewiesen hat.

9 Am 15. Mai 2006 hat der Präsident des Gerichts die Parteien gehört.

10 Die Parteien haben sich in der Anhörung verpflichtet, die Möglichkeit einer vereinbarten gestaffelten Zahlung der Geldbuße zu prüfen und dem Präsidenten des Gerichts das Ergebnis ihrer Erörterungen mitzuteilen.

11 Mit besonderem Schriftsatz, der am 26. Mai 2006 bei der Kanzlei eingegangen und später, am 30. Mai 2006, geändert worden ist, hat die Antragstellerin dem Präsidenten des Gerichts einen Vorschlag für eine Zahlung in Raten übermittelt, den die Kommission mit Schriftsatz, der am 6. Juni 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, zurückgewiesen hat.

12 Die Antragstellerin beantragt,

– den Vollzug der Entscheidung, soweit ihr darin die Verpflichtung zur Zahlung der Geldbuße auferlegt wird, bis zur Verkündung des das Verfahren in der Hauptsache abschließenden Urteils auszusetzen;

– sie von der Verpflichtung zu entbinden, bis zum 10. Februar 2006 eine Bankbürgschaft als Voraussetzung für die Abwendung der sofortigen Beitreibung der Geldbuße zu stellen;

– der Kommission die Kosten dieses Verfahrens aufzuerlegen;

– jede andere einstweilige Maßnahme zu treffen, die dem Richter der einstweiligen Anordnung erforderlich erscheint.

13 Die Antragsgegnerin beantragt,

– den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs zurückzuweisen;

– der Antragstellerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

14 Nach den Artikeln 242 EG und 243 EG in Verbindung mit Artikel 225 Absatz 1 EG kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

15 Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung bestimmt, dass Anträge auf einstweilige Anordnungen den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen müssen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (Fumus boni iuris). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass der Antrag auf einstweilige Anordnungen zurückzuweisen ist, sofern eine von ihnen fehlt (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1996 in der Rechtssache C‑268/96 P[R], SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, I‑4971, Randnr. 30). Außerdem nimmt der Richter der einstweiligen Anordnung gegebenenfalls auch eine Abwägung der bestehenden Interessen vor (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 21. Januar 2004 in der Rechtssache T‑245/03 R, FNSEA u. a./Kommission, Slg. 2004, II‑271, Randnr. 13).

Zur Zulässigkeit des Antrags

Vorbringen der Parteien

16 Die Kommission ist der Ansicht, dass keiner der von der Antragstellerin vorgetragenen Antragsgründe die in Artikel 104 der Verfahrensordnung vorgesehenen Voraussetzungen erfülle; vor allem seien sie nicht hinreichend substanziiert und enthielten nicht die wesentlichen tatsächlichen Angaben, auf die sich die Antragstellerin stütze.

17 Die Antragstellerin vertritt demgegenüber die Auffassung, dass der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht all die Beweiselemente enthalten müsse, auf die sie sich im Hauptverfahren stütze. Außerdem habe Artikel 104 den Zweck, die Rechtssicherheit und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, insbesondere, um der Antragsgegnerin die Möglichkeit zu sichern, eine Stellungnahme abzugeben. Die Kommission sei im vorliegenden Fall nicht daran gehindert worden, sich zu äußern, denn sie habe zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz eingehend Stellung genommen.

Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

18 Wenn die von der Antragstellerin vorgetragenen Gründe, auf die sie ihre Klage stützt, nicht den in Artikel 104 der Verfahrensordnung vorgesehenen Erfordernissen der Klarheit genügen, ist ihr Antrag, wie die Kommission geltend macht, als unzulässig zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. Januar 2001 in der Rechtssache T‑236/00, Stauner u. a./Parlament und Kommission, Slg. 2001, II‑15, Randnr. 34).

19 Die Argumente der Kommission zu diesem Punkt sind im Rahmen der Prüfung der einzelnen Gründe zu untersuchen, mit denen das Bestehen eines Fumus boni iuris geltend gemacht wird.

20 Die Prüfung der Zulässigkeit des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz hat also im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der geltend gemachten Antragsgründe zu erfolgen.

Zum Gegenstand des Antrags

Vorbringen der Parteien

21 Nach Ansicht der Kommission ist der Antrag der Antragstellerin dahin auszulegen, dass er ausschließlich darauf gerichtet ist, sie von der Verpflichtung zur Stellung einer Bankbürgschaft als Voraussetzung für die Abwendung der sofortigen Beitreibung der Geldbuße zu entbinden, und dass er demzufolge nicht die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung bezwecke.

22 Die Antragstellerin hat sich hierzu nicht geäußert.

Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

23 Die Antragstellerin beantragt zum einen, den Vollzug der Entscheidung in Bezug auf die Verpflichtung zur Zahlung der von der Kommission auferlegten Geldbuße bis zur Verkündung des Urteils in der Hauptsache auszusetzen, und zum anderen, sie von der Verpflichtung zu entbinden, als Voraussetzung für die Abwendung der sofortigen Beitreibung der Geldbuße eine Bankbürgschaft zu stellen.

24 Es ist unstreitig, dass die Kommission der Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 9. November 2005 zur Mitteilung der Entscheidung erklärt hat, dass die Kommission, falls die Antragstellerin das Gericht anrufen sollte, während der Anhängigkeit der Rechtssache beim Gericht von einer Beitreibung der Geldbuße absehen werde, sofern die Forderung vom Ablauf der Zahlungsfrist an verzinst und spätestens am 10. Februar 2006 eine akzeptable Bankbürgschaft gestellt werde.

25 Außerdem hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie in Erwartung der Entscheidung des Richters der einstweiligen Anordnung die Zwangsvollstreckung der Entscheidung noch nicht eingeleitet habe.

26 Daraus folgt, dass sich der Antrag der Antragstellerin, wie die Kommission geltend macht, nur darauf beziehen...

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