Urteile nº T-177/04 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, July 04, 2006

Resolution DateJuly 04, 2006
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-177/04

„Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 – Entscheidung, mit der ein Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird – Klage eines Dritten – Zulässigkeit – Luftverkehrsmärkte – Zusagen“

In der Rechtssache T‑177/04

easyJet Airline Co. Ltd mit Sitz in Luton (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: zunächst J. Cook, J. Parker und S. Dolan, Solicitors, dann Rechtsanwälte M. Werner und M. Waha, L. Mills, Solicitor, sowie Rechtsanwälte M. de Lasala Lobera und R. Malhotra,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Oliver, A. Bouquet und A. Whelan als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 11. Februar 2004, mit der unter dem Vorbehalt, dass die angebotenen Zusagen eingehalten werden, der Zusammenschluss zwischen der Gesellschaft Air France und der Koninklijke Luchtvaart Maatschappij NV für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird (Sache COMP/M.3280 – Air France/KLM),

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZDER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Pirrung sowie der Richter N. J. Forwood und S. Papasavvas,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2005

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

1 Die Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1, in der berichtigten [ABl. 1990, L 257, S. 13] und durch die Verordnung [EG] Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 [ABl. L 180, S. 1, berichtigt in ABl. 1998, L 40, S. 17] geänderten Fassung) gilt nach ihrem Artikel 1 für alle Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung im Sinne der Absätze 2 und 3 dieses Artikels.

2 Nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4064/89 sind Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung vorab bei der Kommission anzumelden.

3 Nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 4064/89 trifft die Kommission, wenn sie feststellt, dass der angemeldete Zusammenschluss zwar unter die Verordnung fällt, jedoch keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt, die Entscheidung, keine Einwände zu erheben, und erklärt den Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt (im Folgenden: Phase I).

4 Nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89 hingegen trifft die Kommission, wenn sie feststellt, dass der angemeldete Zusammenschluss unter die Verordnung fällt und Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt, die Entscheidung, das Verfahren einzuleiten (im Folgenden: Phase II).

5 Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 lautet:

„Stellt die Kommission fest, dass der angemeldete Zusammenschluss nach Änderungen durch die beteiligten Unternehmen keinen Anlass mehr zu ernsthaften Bedenken im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe c) gibt, so kann sie gemäß Absatz 1 Buchstabe b) die Entscheidung treffen, den Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären.

Die Kommission kann ihre Entscheidung gemäß Absatz 1 Buchstabe b) mit Bedingungen und Auflagen verbinden, um sicherzustellen, dass die beteiligten Unternehmen den Verpflichtungen nachkommen, die sie gegenüber der Kommission hinsichtlich einer mit dem Gemeinsamen Markt zu vereinbarenden Gestaltung des Zusammenschlusses eingegangen sind.“

6 Nach Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung Nr. 4064/89 kann die Kommission die erlassene Entscheidung widerrufen, wenn die beteiligten Unternehmen einer in der Entscheidung vorgesehenen Auflage zuwiderhandeln.

7 In der Mitteilung über im Rahmen der Verordnung Nr. 4064/89 und der Verordnung (EG) Nr. 447/98 der Kommission zulässige Abhilfemaßnahmen (ABl. 2001, C 68, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über Abhilfemaßnahmen) legt die Kommission die Leitlinien dar, nach denen sie bei Verpflichtungszusagen vorzugehen beabsichtigt, und führt insbesondere aus:

– Es obliegt den Parteien, die Kommission davon zu überzeugen, dass durch die Abhilfemaßnahme die Bedingungen für einen wirksamen Wettbewerb im Gemeinsamen Markt auf Dauer wiederhergestellt werden (Nr. 6), und gleich von Anfang an allen Zweifeln vorzubeugen, die in Bezug auf Art, Umfang und Tragweite der vorgeschlagenen Abhilfemaßnahme sowie auf die Wahrscheinlichkeit ihrer erfolgreichen, vollständigen und rechtzeitigen Durchführung durch die Parteien aufkommen könnten (Nr. 7);

– die Verpflichtungen dienen im Wesentlichen dazu, wettbewerbsfähige Marktstrukturen zu gewährleisten; Verpflichtungen struktureller Art, z. B. die Verpflichtung, eine Tochtergesellschaft zu veräußern, sind generell angesichts der Zielsetzung der Verordnung Nr. 4064/89 vorzuziehen, soweit derartige Verpflichtungen die Begründung oder aber Verstärkung einer bereits von der Kommission festgestellten beherrschenden Stellung verhindern und darüber hinaus keine mittel- oder langfristige Überwachung benötigen. Doch kann nicht automatisch ausgeschlossen werden, dass auch andere Arten von Verpflichtungen die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung verhindern können. Ob derartige Verpflichtungen akzeptiert werden können, muss in jedem Einzelfall gesondert bestimmt werden (Nr. 9);

– Verpflichtungen, die in Phase I gegenüber der Kommission eingegangen werden, müssen alle „ernsthaften Bedenken“ im Sinne des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89 in überzeugender Weise ausschließen (Nr. 11);

– droht ein geplanter Zusammenschluss, eine beherrschende Stellung zu begründen oder zu verstärken, durch die wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, so ist es – abgesehen von einem Verbot – für die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs die beste Lösung, wenn im Wege der Veräußerung die Voraussetzungen für die Schaffung einer neuen wettbewerbsfähigen Einheit oder für die Stärkung bestehender Wettbewerber geschaffen werden (Nr. 13);

– bei den zu veräußernden Tätigkeiten muss es sich um ein lebensfähiges Geschäft handeln, das in den Händen eines fähigen Käufers wirksam und auf Dauer mit dem durch die Fusion entstandenen Unternehmen konkurrieren kann. Ein lebensfähiges Geschäft ist in der Regel ein bereits bestehendes Unternehmen, das selbständig tätig sein kann, d. h. unabhängig von den sich zusammenschließenden Unternehmen hinsichtlich der Rohstoffversorgung oder anderer Formen der Zusammenarbeit, mit Ausnahme einer Übergangszeit, in der eine solche Abhängigkeit bestehen könnte (Nr. 14);

– in manchen Fällen hängt die Lebensfähigkeit des Veräußerungspakets wegen der Aktiva, die zu dem Geschäft gehören, weitgehend davon ab, wer der Käufer sein wird. Die Kommission wird hier den Zusammenschluss erst genehmigen, wenn sich die Parteien verpflichten, das notifizierte Vorhaben erst durchzuführen, nachdem sie mit einem von der Kommission gutgeheißenen Käufer eine verbindliche Vereinbarung über das Veräußerungspaket geschlossen haben (Nr. 20);

– während die Veräußerung als Abhilfemaßnahme bevorzugt wird, ist sie jedoch für die Kommission nicht die einzige Abhilfemaßnahme. In manchen Fällen ist nämlich die Veräußerung eines Unternehmens unmöglich. In diesen Fällen muss die Kommission entscheiden, ob sich andere Arten von Abhilfemaßnahmen in einer Weise auf den Markt auswirken, die ausreicht, um wirksamen Wettbewerb wiederherzustellen (Nr. 26).

8 Nach der Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. 1997, C 372, S. 5, im Folgenden: Bekanntmachung über die Marktdefinition) speisen sich die Wettbewerbskräfte, denen die Unternehmen unterliegen, hauptsächlich aus drei Quellen: Nachfragesubstituierbarkeit, Angebotssubstituierbarkeit und potenzieller Wettbewerb. Aus wirtschaftlicher Sicht – im Hinblick auf die Definition des relevanten Marktes – stellt die Möglichkeit der Nachfragesubstitution die unmittelbarste und wirksamste disziplinierende Kraft dar, die auf die Anbieter eines gegebenen Produktes einwirkt, vor allem was ihre Preisentscheidungen anbetrifft (Nr. 13).

Sachverhalt

Die fraglichen Unternehmen

9 Am 11. Februar 2004 erließ die Kommission am Ende der Phase I eine Entscheidung, mit der sie gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 unter dem Vorbehalt, dass die angebotenen Zusagen eingehalten werden, den Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärte (Sache COMP/M.3280 – Air France/KLM) (ABl. C 60, S. 5; im Folgenden: angefochtene Entscheidung). Die Klägerin ist eine Billigfluggesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich, die zu attraktiven Preisen Flüge zu verschiedenen Zielen in Europa anbietet.

10 Air France ist eine in Frankreich ansässige Fluggesellschaft, die hauptsächlich in drei Bereichen tätig ist: Personenbeförderung im Luftverkehr, Frachttransport und Wartungsdienste. Air France betreibt ein Drehkreuzsystem, dessen wichtigstes Drehkreuz für internationale Flüge der Flughafen Roissy-Charles-de-Gaulle (im Folgenden: CDG) und für Inlandsflüge der Flughafen Paris-Orly (im Folgenden: Orly) ist. Air France ist außerdem eines der Gründungsmitglieder der SkyTeam-Allianz; die übrigen Mitglieder dieser Allianz sind die Gesellschaften Aeromexico, Alitalia, Continental Airlines, CSA Czech Airlines, Delta, Northwest Airlines und Korean Air.

11 KLM ist eine in den Niederlanden ansässige Fluggesellschaft, die im Wesentlichen in vier Bereichen tätig ist: Personenbeförderung im Luftverkehr, Frachttransport, Wartungsdienste sowie Durchführung von Charterflügen und Billiglinienflügen durch ihre Tochtergesellschaft Transavia. KLM betreibt ein Drehkreuzsystem, dessen wichtigstes Drehkreuz der Flughafen Amsterdam-Schiphol ist. KLM hat mit Northwest...

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