Beschlüsse nº T-287/01 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, September 10, 2002

Resolution DateSeptember 10, 2002
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-287/01

BESCHLUSS DES GERICHTS (Dritte Kammer)

10. September 2002(1) „Artikel 238 EG - Schiedsklausel - Programm Thermie - Einseitige Vertragsauflösung durch die Kommission - Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache“

In der Rechtssache T-287/01

Bioelettrica SpA mit Sitz in Pisa (Italien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt O. Fabe Dal Negro,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Støvlbaek und R. Amorosi als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt M. Moretto, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Feststellung der Nichtigkeit und Rechtswidrigkeit der Auflösung des Vertrages BM 1007/94 IT/DE/UK/PO vom 12. Dezember 1994 über die Durchführung des Vorhabens „Energy Farm: an IGCC plant for the production of electricity and heat through gasification of SRF biomass (Phase I)“, die der Klägerin am 6. September 2001 von der Kommission zugestellt wurde, sowie wegen Verurteilung der Kommission zum Ersatz des Schadens, der der Klägerin durch das Verhalten der Kommission angeblich entstanden ist,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie der Richter K. Lenaerts und J. Azizi,

Kanzler: H. Jung

folgenden

Beschluss

Sachverhalt

1.
Die Kommission schloss am 20. Dezember 1994 gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2008/90 des Rates vom 29. Juni 1990 zur Förderung der Energietechnologien in Europa (Thermie-Programm) (ABl. L 185, S. 1), die inzwischen aufgehoben ist, mit sieben Gesellschaften - der Enel SpA (im Folgenden: Enel), der Lurgi Energie und Umwelt GmbH, der Lurgi Italiana SpA, der Cooperativa Agricola „Le Rene“ (im Folgenden: Le Rene), der South Western Power Ltd (im Folgenden: SWP), der European Gas Turbines Ltd (im Folgenden: EGT) und der EDP Electricidade de Portugal, SA (im Folgenden: EDP) - den Vertrag BM 1007/94 IT/DE/UK/PO (im Folgenden: Vertrag) über die Durchführung des Vorhabens „Energy Farm: an IGCC plant for the production of electricity and heat through gasification of SRF biomass (Phase I)“ [Energiefarm: ein IGCC-Kraftwerk zur Erzeugung von Elektrizität und Wärme durch Vergasung von SRF-Biomasse (Phase I), im Folgenden: Vorhaben]. Die Lurgi Energie und Umwelt GmbH und die Lurgi Italiana SpA - nunmehr Lurgi SpA - gehören zum Lurgi-Konzern, dem im maßgebenden Zeitraum auch die Lurgi Envirotherm GmbH, die Gesellschaft MG Engineering Lurgi und die Lurgi AG angehörten. Die verschiedenen Gesellschaften dieses Konzerns, die in den Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache verwickelt sind, werden im Folgenden unterschiedslos als „Lurgi“ bezeichnet.

2.
Ursprünglich war die Dauer des Vorhabens auf 48 Monate beschränkt, vom 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1998 (Artikel 2.1 des Vertrages). Die Gesamtkosten für das Vorhaben wurden auf 36 698 720 ECU veranschlagt (Artikel 3.1 des Vertrages). Für den finanziellen Beitrag der Kommission war ursprünglich eine Obergrenze von 10 197 229 ECU festgelegt (Artikel 3.2 des Vertrages).

3.
Gemäß Artikel 9 des Vertrages ist auf diesen italienisches Recht anwendbar.

4.
Nach Artikel 8.2 Buchstabe f der Allgemeinen Bedingungen in Anhang II des Vertrages kann die Kommission den Vertrag beenden, wenn eine Vertragspartei die Arbeiten nicht zu dem im Vertrag festgelegten Zeitpunkt beginnt und wenn sie der Ansicht ist, dass jeder andere vorgeschlagene Termin unzumutbar sei. Gemäß Artikel 8.2 letzter Satz der Allgemeinen Bedingungen ist die Auflösung des Vertrages in einem solchen Fall mit einer Frist von einem Monat gegenüber den Vertragsparteien schriftlich gegen Empfangsbekenntnis oder mit eingeschriebenem Brief zu erklären. Gemäß Artikel 8.4 kann die Kommission im Fall einer Auflösung des Vertrages nach Artikel 8.2 Buchstabe f die volle oder teilweise Erstattung des finanziellen Beitrags verlangen, zuzüglich Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Satz, den der Europäische Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit bei seinen Geschäften in ECU zugrunde legt, ab dem Zeitpunkt des Eingangs der Zahlung.

5.
Nach Artikel 12 der Allgemeinen Bedingungen ist für Entscheidungen über alle Streitigkeiten, die den Vertrag betreffen, der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ausschließlich zuständig.

6.
Am 18. Juli 1995 wurde die Bioelettrica SpA (im Folgenden: Bioelettrica) von der CISE SpA (im Folgenden: CISE) - deren Anteile zu 99 % von Enel gehalten werden -, der Lurgi, der South Western Power Investments Ltd - deren Anteile zu 100 % von SWP gehalten werden -, der Energia Verde SpA - deren Anteile zu 62 % von Le Rene gehalten werden - und der EDP gegründet. Gemäß Artikel 5 ihrer Satzung ist Gegenstand der Gesellschaft die Errichtung und der Betrieb eines mit pflanzlicher Biomasse gespeisten Wärmekraftwerks zur Stromerzeugung in Italien, bei dem es sich um ein Kombikraftwerk mit integrierter atmosphärischer Wirbelschichtvergasung (IGCC) handelt.

7.
Gemäß der von den Vertragsparteien im Januar 1996 geschlossenen Zusatzvereinbarung Nr. 1 zum Vertrag wurde Bioelettrica Vertragspartei und übernahm die Funktion des Projektkoordinators, die bis dahin von Enel erfüllt worden war. Durch dieselbe Zusatzvereinbarung schied EGT aus dem Vertragsverhältnis aus, behielt aber den Status einer „assoziierten Vertragspartei“. Nach der Zusatzvereinbarung Nr. 2 zum Vertrag, die von den Parteien zwischen Oktober 1996 und Dezember 1998 geschlossen wurde, schied SWP aus dem Vertragsverhältnis aus, und ihre Rechte und Pflichten wurden von den anderen Vertragsparteien übernommen. Gemäß der Zusatzvereinbarung Nr. 3 zum Vertrag, die von den Parteien zwischen März und Juni 1997 geschlossen wurde, wurde Bioelettrica als Projektkoordinator verantwortlich für die Verwaltung der von der Kommission geleisteten Zahlungen einschließlich des nach Artikel 4.1 des Vertrages geleisteten Vorschusses.

8.
Am 30. Mai 1997 schlossen Bioelettrica als Auftraggeber und Lurgi als Auftragnehmer einen Vertrag im Wert von 35 Milliarden italienische Lire (ITL) über die Durchführung von Planung, Realisierung, Installation und Erprobung einer Vergasungseinheit für das oben in Randnummer 6 genannte thermische Kraftwerk (im Folgenden: Vertrag vom 30. Mai 1997). Nach Punkt 1.1 der besonderen Bedingungen im Anhang dieses Vertrages mussten diese Arbeiten binnen 30 Monaten durchgeführt werden.

9.
Mit der von den Parteien zwischen Januar und Dezember 1998 geschlossenen Zusatzvereinbarung Nr. 4 zum Vertrag wurde der Höchstbetrag des finanzielles Beitrags der Kommission auf 10 897 229 ECU angehoben. Später wurde er durch die von den Parteien im Dezember 1998 geschlossene Zusatzvereinbarung Nr. 5 zum Vertrag auf 11 897 229 ECU erhöht.

10.
Mit Telefax vom 7. April 1999 teilte Lurgi der Bioelettrica mit, dass sie es für erforderlich halte, die technischen Spezifikationen im Vertrag vom 30. Mai 1997 zu ändern, um den Wirkungsgrad der Vergasungseinheit zu verbessern. Allerdings würden diese Änderungen, die im Telefax einzeln dargelegt waren, zwangsläufig eine Erhöhung der Kosten für die Durchführung des Vorhabens mit sich bringen.

11.
Nach einem Schriftwechsel zwischen Lurgi und Bioelettrica, der Letzterer die Notwendigkeit der empfohlenen technischen Änderungen verständlich machen sollte, unterzeichneten Bioelettrica und Lurgi am 16. September 1999 ein Vereinbarungsprotokoll, in dem festgelegt war, welche wesentlichen Änderungen bei dem Vorhaben in Bezug auf die Vergasungseinheit vorzunehmen seien, und das vorsah, dass die Vergütung von Lurgi für die Ausführung dieses Vorhabens auf 46 300 000 000 ITL erhöht werden sollte.

12.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 1999 teilte Bioelettrica unter Berufung auf den Wortlaut des in der vorstehenden Randnummer genannten Vereinbarungsprotokolls der Lurgi mit, dass die in diesem Protokoll festgelegten Fristen für die Durchführung der vereinbarten Maßnahmen - insbesondere für den Abschluss einer Vereinbarung, die den Wortlaut des Vertrages vom 30. Mai 1997 ändere, und für die Übergabe von Bankdokumenten durch Lurgi in Zusammenhang mit der Kostensteigerung der Arbeiten - abgelaufen seien, ohne dass irgendeine dieser Handlungen vorgenommen worden sei. Sie regte an, dass sich die Parteien dringend über den Inhalt der an dem genannten Vertrag vorzunehmenden Änderungen einigten und Lurgi die erwähnten Bankdokumente beibringe.

13.
Am 5. Januar 2000 sandte die Kommission Bioelettrica ein Schreiben, in dem sie diese darüber informierte, dass sie bereit sei, die Frist für die...

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