Urteile nº T-38/02 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, October 25, 2005

Resolution DateOctober 25, 2005
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-38/02

„Wettbewerb – Kartelle – Geldbußen – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Mitteilung über Zusammenarbeit“

In der Rechtssache T‑38/02

Groupe Danone mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Winckler und M. Waha,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Bouquet und W. Wils als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/569/EG der Kommission vom 5. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache IV/37.614/F3 PO/Interbrew und Alken‑Maes) (ABl. 2003, L 200, S. 1), hilfsweise wegen Herabsetzung der gegen die Klägerin in Artikel 2 dieser Entscheidung verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras sowie der Richterinnen E. Martins Ribeiro und K. Jürimäe,

Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2004

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

1 Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, 17, S. 204), bestimmt:

„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million [Euro] oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig:

a) gegen Artikel [81] Absatz (1) oder Artikel [82] des Vertrages verstoßen,

b) einer nach Artikel 8 Absatz (1) [der Verordnung] erteilten Auflage zuwiderhandeln.

Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.“

2 Die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), enthalten ein Schema für die Festsetzung des Betrages dieser Geldbußen, „dem die Errechnung eines Grundbetrags zugrunde liegt, wobei Aufschläge zur Berücksichtigung erschwerender und Abzüge zur Berücksichtigung mildernder Umstände berechnet werden können“ (zweiter Absatz der Leitlinien). Nummer 1 der Leitlinien lautet: „Der Grundbetrag wird nach Maßgabe der Schwere und Dauer des Verstoßes als den einzigen Kriterien von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 errechnet.“

3 Die Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) „enthält die Voraussetzungen, unter denen Geldbußen für Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit [der Kommission] zusammenarbeiten, entweder nicht oder niedriger festgesetzt werden können“ (Abschnitt A der Mitteilung).

4 Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit lautet:

„D. Spürbar niedrigere Festsetzung der Geldbuße

  1. Arbeitet ein Unternehmen mit der Kommission zusammen, ohne dass es alle Voraussetzungen [der Abschnitte B und C] erfüllt, so wird die Höhe der Geldbuße, die ohne seine Mitarbeit festgesetzt worden wäre, um 10 bis 50 % niedriger festgesetzt.

  2. Dies gilt insbesondere, wenn

    – ein Unternehmen der Kommission vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen, Unterlagen oder andere Beweismittel liefert, die zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes beitragen;

    – ein Unternehmen der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet.“

    Sachverhalt

    5 Zur Zeit des Tatbestands belegten Interbrew NV (im Folgenden: Interbrew) Platz 1 und Brouwerijen Alken‑Maes NV (im Folgenden: Alken‑Maes) Platz 2 auf dem belgischen Biermarkt. Alken-Maes war eine Tochtergesellschaft der Groupe Danone SA (im Folgenden: Klägerin), die auch auf dem französischen Biermarkt durch ihre Tochtergesellschaft Brasseries Kronenbourg SA (im Folgenden: Kronenbourg) vertreten war. Im Jahr 2000 verkaufte die Klägerin ihre Bieraktivitäten.

    6 Im Jahr 1999 nahm die Kommission in der Sache IV/37.614/F3 Ermittlungen wegen etwaiger Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft auf dem belgischen Biermarkt auf.

    7 Am 29. September 2000 leitete die Kommission in dieser Sache ein Verfahren ein und bestätigte eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerin sowie an Interbrew, Alken-Maes, NV Brouwerij Haacht (im Folgenden: Haacht) und NV Brouwerij Martens (im Folgenden: Martens). Das gegen die Klägerin eingeleitete Verfahren und die an sie gerichtete Mitteilung der Beschwerdepunkte bezogen sich allein auf ihre mutmaßliche Einbindung in das so genannte Interbrew/Alken‑Maes‑Kartell für den belgischen Biermarkt.

    8 Am 5. Dezember 2001 erließ die Kommission die Entscheidung 2003/569/EG in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache IV/37.614/F3 PO/Interbrew und Alken‑Maes) (ABl. 2003, L 200, S. 1), die die Klägerin sowie Interbrew, Alken‑Maes, Haacht und Martens betraf (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

    9 In der angefochtenen Entscheidung werden zwei verschiedene Verstöße gegen die Wettbewerbsvorschriften festgestellt, nämlich zum einen eine Vielzahl von Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen auf dem belgischen Biermarkt (im Folgenden: Kartell Interbrew/Alken‑Maes) und zum anderen abgestimmte Verhaltensweisen in Bezug auf Händlermarkenbier. Nach der angefochtenen Entscheidung nahmen die Klägerin, Interbrew und Alken‑Maes an dem erstgenannten Verstoß und Interbrew, Alken‑Maes, Haacht und Martens an dem letztgenannten Verstoß teil.

    10 Obgleich die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum die Muttergesellschaft von Alken‑Maes war, wird in der angefochtenen Entscheidung nur eine Zuwiderhandlung der Klägerin festgestellt. Die Klägerin wird nämlich wegen ihrer aktiven Mitwirkung am Interbrew/Alken‑Maes‑Kartell sowohl für ihre eigene Beteiligung als auch für die Beteiligung von Alken‑Maes an diesem Kartell verantwortlich gemacht. Die Kommission hielt es hingegen nicht für angemessen, der Klägerin die Teilnahme ihrer Tochtergesellschaft an der abgestimmten Verhaltensweise für Händlermarkenbier zur Last zu legen, da die Klägerin nicht selbst an diesem Kartell beteiligt gewesen sei.

    11 Die der Klägerin zur Last gelegte Zuwiderhandlung besteht in ihrer unmittelbaren und mit Hilfe ihrer Tochtergesellschaft Alken-Maes betriebenen Teilnahme an einer Vielzahl von Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen in Bezug auf einen allgemeinen Nichtangriffspakt, die Preise und die Verkaufsförderung im Einzelhandel, die Aufteilung von Kunden im Hotel‑, Restaurant‑ und Cafébereich (im Folgenden: Horeca) einschließlich der so genannten nationalen Kunden, die Beschränkung der Investitionen und der Werbung auf dem Horeca‑Markt, eine neue Preisstruktur für den Horeca‑Sektor und den Einzelhandel und den Austausch von Informationen über den Absatz im Horeca‑Sektor und im Einzelhandel.

    12 In der angefochtenen Entscheidung wird festgestellt, dass die genannte Zuwiderhandlung vom 28. Januar 1993 bis zum 28. Januar 1998 bestanden habe.

    13 Da die Kommission aufgrund einer Reihe von Anhaltspunkten davon ausging, dass die Zuwiderhandlung geendet hatte, hielt sie es nicht für erforderlich, die beteiligten Unternehmen gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 zur Einstellung der Zuwiderhandlung zu verpflichten.

    14 Nach Ansicht der Kommission war hingegen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 eine Geldbuße gegen Interbrew und die Klägerin wegen deren Beteiligung am Interbrew/Alken‑Maes‑Kartell zu verhängen.

    15 Hierzu wird in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass alle Teilnehmer am Interbrew/Alken‑Maes‑Kartell die Zuwiderhandlung vorsätzlich begangen hätten.

    16 Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen bediente sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung der Methode, die in den Leitlinien und in der Mitteilung über Zusammenarbeit dargelegt ist.

    17 Im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung heißt es:

    „Artikel 1

    [Interbrew], [Alken‑Maes] und [die Klägerin] haben vom 28. Januar 1993 bis einschließlich 28. Januar 1998 durch ihre Teilnahme an einer Vielzahl von Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen in Bezug auf einen allgemeinen Nichtangriffspakt, die Preise und die Verkaufsförderung im Einzelhandel, die Aufteilung von Kunden auf dem Horeca‑Markt (sowohl im Bereich des ‚klassischen‘ Horeca als auch im Bereich der nationalen Kunden), die Beschränkung der Investitionen und der Werbung auf dem Horeca‑Markt eine neue Preisstruktur für den Horeca‑Sektor und den Einzelhandel und den Austausch von Informationen über den Absatz im Horeca‑Sektor und im Einzelhandel gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] verstoßen.

    Artikel 2

    Gegen [Interbrew] und [die Klägerin] werden aufgrund der in Artikel 1 festgestellten Verstöße folgende Geldbußen verhängt:

    a) gegen [Interbrew] eine Geldbuße von 45,675 Mio. Euro;

    b) gegen [die Klägerin] eine Geldbuße von 44,043 Mio. Euro.

    …“

    Verfahren und Anträge der Parteien

    18 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 22. Februar 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

    19 Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Es hat die Parteien gemäß Artikel 64 der Verfahrensordnung des Gerichts aufgefordert, bestimmte Unterlagen vorzulegen und schriftliche Fragen zu beantworten. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgemäß nachgekommen.

    20 Die Klägerin hat mit Schreiben vom 30. November 2004 beantragt, die unter dem Aktenzeichen K (2004) 3597 endg. bekannt gegebene Entscheidung der Kommission vom 29. September 2004 in einem...

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