Urteile nº T-126/99 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, May 14, 2002

Resolution DateMay 14, 2002
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-126/99

URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)

14. Mai 2002(1) „Staatliche Beihilfen - Beihilfe zur Umstrukturierung - Nichtigkeitsklage - Offensichtliche Beurteilungsfehler“

In der Rechtssache T-126/99

Graphischer Maschinenbau GmbH, jetzt KBA-Berlin GmbH, Berlin (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Bach, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou und P. Nemitz als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung 1999/690/EG der Kommission vom 3. Februar 1999 über eine von Deutschland geplante staatliche Beihilfe zugunsten der Firma Graphischer Maschinenbau GmbH, Berlin (ABl. L 272, S. 16),

erlässtDAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf sowie der Richter P. Mengozzi, J. Pirrung, M. Vilaras und N. J. Forwood,

Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2001,

folgendes

Urteil

Sachverhalt

1.
Die in Berlin ansässige Klägerin ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Koenig & Bauer-Albert AG (im Folgenden: KBA) mit Sitz in Würzburg. Sie stellt Teile für Zeitungsdruckmaschinen her und verkauft Baugruppen an die KBA, die vorwiegend im Druckmaschinenbau tätig ist.

2.
Da ein allgemeiner Rückgang der Nachfrage im Druckmaschinensektor 1993 zu einem drastischen Rückgang der Aufträge führte, die die Klägerin von der KBA und deren anderen Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen (im Folgenden: KBA-Konzern) erhielt, wurde im November 1996 die Entscheidung getroffen, das Werk der Klägerin zu schließen. Zur Vermeidung weiterer Verluste sollte die Schließung am 30. Juni 1997 erfolgen.

3.
Das Land Berlin und die betroffenen Gewerkschaften bekundeten ihre Absicht, die Schließung des Werkes der Klägerin abzuwenden; Verhandlungen zwischen ihnen, der Klägerin und der KBA führten am 24. Februar 1997 zur Unterzeichnung eines „Bündnisses für Arbeit“ auf der Grundlage eines Umstrukturierungsprogramms, das nach Angaben der Klägerin in Zusammenarbeit mit dem Land Berlin ausgearbeitet wurde. Das Land Berlin habe sich schon zu diesem Zeitpunkt bereit erklärt, der Klägerin eine Beihilfe in Höhe von etwa 9 Millionen DM zu gewähren.

4.
Das Umstrukturierungsprogramm, das im September 1997 nach mehreren leichten Änderungen der Fassung vom Februar 1997 fertiggestellt wurde, sah die Konzentration der Produktion der Klägerin auf ein eingeschränktes Spektrum neuer Produkte, insbesondere veränderter und konkurrenzfähigerer Rollenwechsler, Einzugswerke und Kühlwalzenständer vor. Verlustbringende Produkte sollten aufgegeben, der Produktionsablauf sollte effizienter organisiert werden. Im Rahmen der vorgesehenen Umstrukturierung, deren Gesamtkosten sich auf 22,93 Millionen DM beliefen, sollte die KBA die Verluste der Klägerin in Höhe von 12,25 Millionen DM übernehmen und zusammen mit der Klägerin einen Beitrag von 1,37 Millionen DM leisten.

5.
Da die Klägerin über keine eigene Konstruktionsabteilung verfügte, sollten die im Umstrukturierungsprogramm vorgesehenen Konstruktions- und Entwicklungsarbeiten in Werken anderer Gesellschaften des KBA-Konzerns in Würzburg und Frankenthal durchgeführt werden. Auch Umbauarbeiten am Werk in Berlin waren vorgesehen, um der Klägerin die Herstellung der neuen Produkte zu ermöglichen. Nach Angaben der Klägerin wurde mit den Konstruktions- und Entwicklungsarbeiten erst nach der Unterzeichnung des Bündnisses für Arbeit begonnen.

6.
Da das Land Berlin im August 1997 noch immer keine Entscheidung über die Gewährung einer Beihilfe an die Klägerin getroffen hatte, drohte die KBA mit der Schließung ihres Werkes. Am 11. September 1997 beschloss der Berliner Senat daraufhin, der Klägerin eine Beihilfe in Höhe von 9,31 Millionen DM zu gewähren (im Folgenden: streitige Beihilfe); ein erster Teilbetrag dieser Beihilfe in Höhe von 2,5 Millionen DM wurde am 23. Dezember 1997 ausgezahlt. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland notifizierte der Kommission die Beihilfe mit Schreiben vom 21. Januar 1998, dem u. a. eine Kopie der endgültigen Fassung des Umstrukturierungsprogramms beigefügt war.

7.
Nach einem Schriftwechsel, zu dem u. a. drei Schreiben der Kommission vom 23. Februar, 28. Mai und 3. Juli 1998 gehörten, in denen sie die Regierung der Bundesrepublik Deutschland um nähere Angaben zu der fraglichen Beihilfe bat und auf die diese u. a. am 18. Juni 1998 antwortete, sowie nach einem Gespräch zwischen den Beteiligten am 1. Juli 1998 informierte die Kommission Deutschland mit Schreiben vom 17. August 1998 (ABl. C 336, S. 13, im Folgenden: verfahrenseinleitendes Schreiben) über ihre Entscheidung, das Prüfungsverfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 2 EG) einzuleiten.

8.
Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland antwortete auf das verfahrenseinleitende Schreiben mit Schreiben vom 21. September 1998, an dessen Ausarbeitung die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitgewirkt hatten. Im Übrigen trägt die Klägerin vor, dass ihr Prozessbevollmächtigter am 7. Oktober 1998 ein Telefongespräch mit der zuständigen Kommissionsbeamtin geführt habe.

9.
Am 3. Februar 1999 erließ die Kommission die Entscheidung 1999/690/EG über eine von Deutschland geplante staatliche Beihilfe zugunsten der Firma Graphischer Maschinenbau GmbH, Berlin (ABl. L 272, S. 16, im Folgenden: streitige Entscheidung). Nach dieser Entscheidung wurden von den „förderfähigen Umstrukturierungskosten“ die gesamten Kosten für die Konstruktion und Entwicklung neuer oder veränderter Produkte in Höhe von 4,875 Millionen DM ausgenommen. Unter Berücksichtigung insbesondere des Beitrags der KBA in Höhe von 12,25 Millionen DM und des gemeinsamen Beitrags der KBA und der Klägerin in Höhe von 1,37 Millionen DM sowie der Tatsache, dass die auf diese Weise herabgesetzten förderfähigen Umstrukturierungskosten nur 18,055 Millionen DM betrugen, kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die beabsichtigte Beihilfe nur insoweit mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei, als sie mit einem Betrag von 4,435 Millionen DM zur Finanzierung dieser Kosten diene. Der diesen Betrag übersteigende Teil der geplanten Beihilfe wurde daher für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt.

10.
Der verfügende Teil der streitigen Entscheidung lautet wie folgt:

„Artikel 1

Die von Deutschland vorgesehene staatliche Beihilfe zugunsten der Firma Graphischer Maschinenbau GmbH, Berlin, in Form einer Zuwendung in Höhe von 9,31 Mio. DEM ... ist nur in Höhe von 4,435 Mio. DEM im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) EG-Vertrag und Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe c) EWR-Abkommen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

Der 4,435 Mio. DEM übersteigende Betrag der geplanten Beihilfe darf nicht gewährt werden.

Artikel 2

Deutschland legt der Kommission jährlich ausführliche Berichte vor, um die ordnungsgemäße Durchführung des Umstrukturierungsprogramms zu belegen.

Artikel 3

Deutschland teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung mit, welche Maßnahmen zu deren Umsetzung getroffen wurden.

Artikel 4

Diese Entscheidung ist an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet.“

Verfahren

11.
Mit Klageschrift, die am 25. Mai 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß Artikel 230 EG die vorliegende Klage auf teilweise Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung erhoben.

12.
Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Artikel 64 seiner Verfahrensordnung hat das Gericht die Parteien und die Regierung der Bundesrepublik Deutschland aufgefordert, bestimmte schriftliche Fragen zu beantworten und einige Unterlagen vorzulegen. Diesen Aufforderungen ist fristgerecht Folge geleistet worden.

13.
Die Parteien haben in der Sitzung vom 3. Juli 2001 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

14.
Die Klägerin beantragt,

- die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit darin die Gewährung des den Betrag von 4,435 Millionen DM übersteigenden Teils der geplanten Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt und untersagt wird;

- die Kommission zu verpflichten, die geplante Beihilfe auch in Höhe eines weiteren Betrages von 4,875 Millionen DM für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

15.
Die Kommission beantragt,

- die Klage als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zulässigkeit

16.
Nach Artikel 113 der Verfahrensordnung kann das Gericht von Amts wegen prüfen, ob zwingende Prozessvoraussetzungen fehlen.

17.
Nach ständiger Rechtsprechung ist es nicht Sache des Gerichts, im Rahmen einer auf Artikel 230 EG gestützten Klage auf Nichtigerklärung einer Handlung den Gemeinschaftsorganen Weisungen zu erteilen (Urteile des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-5/93 P, DSM/Kommission, Slg. 1999, I-4695, Randnr. 36, und des Gerichts vom 15. September 1998 in den Rechtssachen T-374/94, T-375/94, T-384/94 und T-388/94, European Night Services u. a./Kommission, Slg. 1998, II-3141, Randnr. 53). Erklärt das Gericht die angefochtene Handlung für nichtig, so hat das betreffende Organ gemäß Artikel 233 EG Maßnahmen zur Durchführung des Nichtigkeitsurteils zu ergreifen (Urteil des Gerichts vom 27. Januar 1998 in der Rechtssache T-67/94, Ladbroke Racing/Kommission, Slg. 1998, II-1, Randnr. 200). Der zweite Antrag der Klägerin, die Kommission zu verpflichten, die geplante Beihilfe in vollem Umfang für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären, ist daher als...

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