Urteile nº T-354/94 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, February 28, 2002

Resolution DateFebruary 28, 2002
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-354/94

URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)

28. Februar 2002 (1) „Wettbewerb - Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) - Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung - Geldbuße - Rechtsmittel - Zurückverweisung an das Gericht“

In der Rechtssache T-354/94

Stora Kopparbergs Bergslags AB mit Sitz in Falun (Schweden), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Lehr und A. Riesenkampff, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Currall und R. Lyal als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 - Karton, ABl. L 243, S. 1) erlässtDAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf sowie der Richter K. Lenaerts, J. Pirrung, M. Vilaras und N. J. Forwood,

Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Oktober 2001,

folgendes

Urteil

Sachverhalt

1.
Die vorliegende Rechtssache betrifft die Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 - Karton, ABl. L 243, S. 1), die vor ihrer Veröffentlichung durch eine Entscheidung der Kommission vom 26. Juli 1994 (K[94] 2135 endg.) berichtigt wurde (im Folgenden: Entscheidung). In der Entscheidung wurden gegen 19 Kartonhersteller und -lieferanten aus der Gemeinschaft wegen Verstößen gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) Geldbußen festgesetzt.

2.
Der verfügende Teil der Entscheidung lautet wie folgt:

Artikel 1

Buchmann GmbH, Cascades S.A., Enso-Gutzeit Oy, Europa Carton AG, Finnboard - the Finnish Board Mills Association, Fiskeby Board AB, Gruber & Weber GmbH & Co. KG, Kartonfabriek .De Eendracht' NV (unter der Firma BPB de Eendracht handelnd), NV Koninklijke KNP BT NV (ehemals Koninklijke Nederlandse Papierfabrieken NV), Laakmann Karton GmbH & Co. KG, Mo Och Domsjö AB (MoDo), Mayr-Melnhof Gesellschaft mbH, Papeteries de Lancey S.A., Rena Kartonfabrik A/S, Sarrió SpA, SCA Holding Ltd (ehemals Reed Paper &Board (UK) Ltd), Stora Kopparbergs Bergslags AB, Enso Española S.A. (früher Tampella Española S.A.) und Moritz J. Weig GmbH & Co. KG haben gegen Artikel 85 Absatz 1 des EG-Vertrages verstoßen, indem sie sich

- im Falle von Buchmann und Rena von etwa März 1988 bis mindestens Ende 1990,

- im Falle von Enso Española von mindestens März 1988 bis mindestens Ende April 1991 und

- im Falle von Gruber & Weber von mindestens 1988 bis Ende 1990,

- in den [übrigen] Fällen von Mitte 1986 bis mindestens April 1991,

an einer seit Mitte 1986 bestehenden Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligten, durch die die Kartonanbieter in der Gemeinschaft

- sich regelmäßig an einer Reihe geheimer und institutionalisierter Sitzungen zwecks Erörterung und Festlegung eines gemeinsamen Branchenplans zur Einschränkung des Wettbewerbs trafen;

- sich über regelmäßige Preiserhöhungen für jede Kartonsorte in jeder Landeswährung verständigten;

- gleichzeitige und einheitliche Preiserhöhungen für die gesamte Gemeinschaft planten und durchführten;

- sich vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen über die Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile der führenden Hersteller verständigten;

- in zunehmendem Maße ab Anfang 1990 abgestimmte Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft trafen, um die Durchsetzung der vorerwähnten abgestimmten Preiserhöhungen sicherzustellen;

- als Absicherung der vorgenannten Maßnahmen Geschäftsinformationen (über Lieferungen, Preise, Abstellzeiten, Auftragsbestände und Kapazitätsauslastung) austauschten.

...

Artikel 3

Gegen die nachstehenden Unternehmen werden für den in Artikel 1 festgestellten Verstoß folgende Geldbußen festgesetzt:

...

xvii) gegen Stora Kopparbergs Bergslags AB eine Geldbuße in Höhe von 11 250 000 ECU;

...“

3.
Der Entscheidung zufolge geschah die Zuwiderhandlung im Rahmen einer aus mehreren Gruppen oder Ausschüssen bestehenden Organisation namens „Produktgruppe Karton“ (im Folgenden: PG Karton).

4.
Im Rahmen dieser Organisation sei Mitte 1986 ein Ausschuss namens „Presidents' Working Group“ (PWG) eingesetzt worden, der aus hochrangigen Vertretern der (etwa acht) führenden Kartonlieferanten der Gemeinschaft bestanden habe.

5.
Der PWG habe sich u. a. mit der Erörterung und Abstimmung der Märkte, Marktanteile, Preise und Kapazitäten beschäftigt. Er habe insbesondere umfassende Beschlüsse über die zeitliche Folge und die Höhe der von den Herstellern vorzunehmenden Preiserhöhungen gefasst.

6.
Der PWG habe der „Präsidentenkonferenz“ (PK) Bericht erstattet, an der (mehr oder weniger regelmäßig) fast alle Generaldirektoren der betreffenden Unternehmen teilgenommen hätten. Die PK habe im maßgeblichen Zeitraum zweimal pro Jahr getagt.

7.
Ende 1987 sei das „Joint Marketing Committee“ (JMC) eingesetzt worden. Die Hauptaufgabe des JMC habe darin bestanden, zum einen zu ermitteln, ob und, wenn ja, wie sich Preiserhöhungen durchsetzen ließen, und zum anderen die vom PWG beschlossenen Preisinitiativen nach Ländern und wichtigsten Kunden im Detail auszuarbeiten, um zu einem einheitlichen Preissystem in Europa zu gelangen.

8.
Schließlich habe die „Wirtschaftliche Kommission“ (WK) unter anderem die Preisentwicklung auf den nationalen Märkten und die Auftragslage erörtert und dem JMC oder - bis Ende 1987 - dessen Vorgänger, dem „Marketing Committee“, über die Ergebnisse ihrer Arbeit berichtet. Die WK habe aus Vertriebs- und/oder Verkaufsleitern der meisten fraglichen Unternehmen bestanden und sei mehrmals pro Jahr zusammengetreten.

9.
Aus der Entscheidung geht ferner hervor, dass die Tätigkeiten der PG Karton nach Ansicht der Kommission durch einen Informationsaustausch über die Treuhandgesellschaft FIDES mit Sitz in Zürich (Schweiz) unterstützt wurden. In der Entscheidung heißt es, die meisten Mitglieder der PG Karton hätten der FIDES regelmäßig Berichte über Auftragslage, Produktion, Verkäufe und Kapazitätsauslastung geliefert. Diese Berichte seien im Rahmen des FIDES-Systems bearbeitet worden, und die Teilnehmer hätten die zusammengefassten Daten erhalten.

10.
Die Klägerin ist ein europäischer Kartonhersteller; sie erwarb mit Wirkung zum 1. Januar 1987 die Kopparfors AB (Tabelle 8 im Anhang der Entscheidung). 1990 erwarb sie den deutschen Papierkonzern Feldmühle-Nobel (im folgenden: FeNo-Konzern) über dessen Muttergesellschaft, die Feldmühle Nobel AG (im Folgenden: FeNo). Zum Zeitpunkt des Erwerbs gehörte zum FeNo-Konzern u. a. die Feldmühle AG, die zu dieser Zeit bereits Eigentümerin der Papeteries Béghin-Corbehem (im Folgenden: CBC) war.

11.
Der Entscheidung zufolge haben sich Kopparfors, Feldmühle und CBC während des gesamten Zeitraums, der Gegenstand der Entscheidung ist, am Kartell beteiligt. Außerdem hätten Feldmühle und CBC an Sitzungen des PWG teilgenommen.

12.
Weiter heißt es dort: „Das Kartongeschäft von .Kopparfors' und .Feldmühle' ist jetzt zusammengefasst und bildet den Geschäftsbereich Billerud von Stora“ (Randnr. 11).

13.
Randnummer 158 der Entscheidung lautet: „Stora übernimmt die Verantwortung für die Beteiligung ihrer Tochtergesellschaften Feldmühle, Kopparfors und CBC an den Wettbewerbsverstößen für den Zeitraum sowohl vor als auch nach deren Erwerb.“ Außerdem kam die Kommission zu dem Schluss, dass die Klägerin aufgrund der Teilnahme von Feldmühle und CBC an den Sitzungen des PWG zu den „Anführern“ des Kartells gehört habe und daher eine besondere Verantwortung trage.

14.
Mit Klageschrift, die am 24. Oktober 1994 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Klägerin Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung, soweit sie sich auf sie bezieht, und, hilfsweise, auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße.

15.
Mit Urteil vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-354/94 (Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, Slg. 1998, II-2111; im Folgenden: Urteil des Gerichts) erklärte das Gericht Artikel 2 der Entscheidung teilweise für nichtig und wies die Klage im Übrigen ab.

16.
Mit Rechtsmittelschrift, die am 27. Juli 1998 bei der Kanzlei des Gerichtshofes einging, legte die Klägerin gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts ein.

17.
Die Klägerin stützte ihr Rechtsmittel auf drei Gründe.

18.
Der erste Rechtsmittelgrund betraf die Verletzung der Artikel 85 EG-Vertrag und 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962,Nr. 13, S. 204), sowie allgemeiner Grundsätze des Gemeinschaftsrechts. Im ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes machte die Klägerin geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es entschieden habe, dass ihr die von ihrer Tochtergesellschaft Kopparfors begangenen Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 EG-Vertrag zuzurechnen seien, ohne zu berücksichtigen, dass die Kommission ihr eine tatsächliche Einflussnahme auf die Geschäftspolitik von Kopparfors nicht nachgewiesen habe. Im zweiten Teil des Rechtsmittelgrundes rügte sie einen Rechtsfehler, der darin bestehen soll, dass das Gericht ihr die von Feldmühle und CBC vor und nach deren Erwerb begangenen Zuwiderhandlungen zugerechnet habe, weil ihr deren Teilnahme an der Zuwiderhandlung nicht verborgen geblieben sein könne und sie nicht die geeigneten Maßnahmen getroffen habe, um die Fortsetzung der Zuwiderhandlung zu verhindern (Randnr. 83 des Urteils des Gerichts).

19.
Der zweite Rechtsmittelgrund wurde aus einer unzureichenden Begründung hinsichtlich der Berechnung der Geldbuße abgeleitet.

20.
Mit dem dritten Rechtsmittelgrund rügte die Klägerin, dass das Gericht...

To continue reading

Request your trial

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT