Urteile nº T-237/00 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, January 23, 2002

Resolution DateJanuary 23, 2002
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-237/00

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

23. Januar 2002(1) „Beamte - Abordnung im dienstlichen Interesse - Artikel 38 des Statuts - Fraktion - Vorzeitige Beendigung der Abordnung - Verteidigungsrechte - Außervertragliche Haftung der Gemeinschaft“

In der Rechtssache T-237/00

Patrick Reynolds, Beamter des Europäischen Parlaments, wohnhaft in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte P. Legros und S. Rodrigues, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Kläger,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch H. von Hertzen und D. Moore als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagter,

wegen Aufhebung der Entscheidung des Generalsekretärs des Parlaments vom 18. Juli 2000, mit der die im dienstlichen Interesse erfolgte Abordnung des Klägers zur Fraktion für das Europa der Demokratien und der Unterschiede beendet und er wieder der Generaldirektion Information und Öffentlichkeitsarbeit zugewiesen wurde, und wegen Ersatz des Schadens, den der Kläger durch den Erlass dieser Entscheidung durch den Beklagten und die Handlungen der Fraktion und einiger ihrer Mitglieder erlitten hat,

erlässtDAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie der Richter K. Lenaerts und J. Azizi,

Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2001,

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

1.
Artikel 37 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Statut) bestimmt:

„Abordnung ist die dienstrechtliche Stellung des Beamten auf Lebenszeit, der durch eine Abordnungsverfügung der Anstellungsbehörde

a) im dienstlichen Interesse

- beauftragt worden ist, vorübergehend eine Stelle außerhalb des Organs, dem er angehört, zu bekleiden, oder

- beauftragt worden ist, bei einer Person, die ein in den Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften oder im Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften vorgesehenes Amt innehat, oder beieinem gewählten Präsidenten eines Organs oder einer Einrichtung der Gemeinschaften oder einer Fraktion des Europäischen Parlaments vorübergehend Aufgaben wahrzunehmen;

...“

2.
Artikel 38 des Statuts sieht vor:

„Für die Abordnung im dienstlichen Interesse gelten folgende Vorschriften:

a) sie wird von der Anstellungsbehörde nach Anhörung des Beamten verfügt;

b) die Dauer der Abordnung wird durch die Anstellungsbehörde bestimmt;

c) nach Ablauf von jeweils sechs Monaten kann der Beamte die Beendigung seiner Abordnung beantragen;

d) der gemäß Artikel 37 Buchstabe a erster Gedankenstrich abgeordnete Beamte hat Anspruch auf Gehaltsausgleich, falls die Gesamtbezüge aus der Tätigkeit während seiner Abordnung niedriger als die Dienstbezüge nach seiner Besoldungsgruppe und Dienstaltersstufe bei seinem Stammorgan sind; er hat ferner Anspruch auf Ausgleich aller zusätzlichen finanziellen Belastungen, die ihm durch seine Abordnung entstehen;

e) der gemäß Artikel 37 Buchstabe a erster Gedankenstrich abgeordnete Beamte entrichtet weiter Versorgungsbeiträge unter Zugrundelegung der Dienstbezüge, die seiner Besoldungsgruppe und seiner Dienstaltersstufe bei seinem Stammorgan entsprechen;

f) der abgeordnete Beamte behält seine Planstelle sowie seinen Anspruch auf Aufsteigen in den Dienstaltersstufen und seine Anwartschaft auf Beförderung;

g) nach Beendigung der Abordnung wird der Beamte unverzüglich auf dem Dienstposten wieder verwendet, den er vorher innehatte.“

Sachverhalt und Verfahren

3.
Ende September 1999 veröffentlichte das Parlament (im Folgenden: Beklagter) in seinem internen Bulletin Nr. 25/99 eine Stellenausschreibung für den Posten des Generalsekretärs der Fraktion für das Europa der Demokratien und der Unterschiede (im Folgenden: EDD-Fraktion). Diese Ausschreibung lautete wie folgt:

„1 Generalsekretär (M/W) (Besoldungsgruppe A2) (Bediensteter auf Zeit)

Perfekte Kenntnis der französischen und der englischen Sprache in Schrift und Wort zwingend erforderlich

Dienstort: BRÜSSEL

Bewerbungsschluss: 18. Oktober 1999

Datum der Indienststellung: ab Montag, den 1. November 1999“.

4.
Der Kläger, der Beamter in der Generaldirektion Information und Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments war, bewarb sich auf diese Veröffentlichung hin auf diese Stelle und wurde zu einem Vorstellungsgespräch bei der EDD-Fraktion eingeladen, das am 3. November 1999 stattfand.

5.
Mit Schreiben vom 12. November 1999 teilte der Vorsitzende der EDD-Fraktion dem Generalsekretär des Parlaments die Entscheidung des Fraktionsvorstands mit, den Kläger auf die Generalsekretärsstelle zu ernennen, und ersuchte ihn, die Abordnung des Klägers zur EDD-Fraktion zu genehmigen.

6.
Am 22. November 1999 nahm der Kläger seine Arbeit bei der EDD-Fraktion auf.

7.
Mit Entscheidung vom 11. Januar 2000 bestätigte der Generalsekretär des Parlaments, dass der Kläger gemäß Artikel 37 Absatz 1 Buchstabe a des Statuts im dienstlichen Interesse in der Besoldungsgruppe A 2, Dienstaltersstufe 1, für die Zeit vom 22. November 1999 bis zum 30. November 2000 zur EDD-Fraktion abgeordnet werde. Eine beglaubigte Abschrift des Originals dieser Entscheidung wurde dem Kläger am 17. Januar 2000 übermittelt.

8.
Am 18. Mai 2000 teilte der Vorsitzende der EDD-Fraktion dem Kläger erstmals mit, dass einige Untergruppen in einer Sitzung des Fraktionsvorstands, die wenige Stunden zuvor stattgefunden habe, geäußert hätten, dass sie in den Kläger kein Vertrauen mehr hätten, und dass man daher entschieden habe, seine Abordnung zur EDD-Fraktion nicht über den 30. November 2000 hinaus zu verlängern.

9.
Am 24. Mai 2000 bestätigte der Vorsitzende der EDD-Fraktion in einer zweiten Besprechung mit dem Kläger, dass sich die Fraktion von ihm trennen wolle. Am selben Tag teilte der Kläger dem Vorsitzenden seine Absicht mit, für vier Wochen zu verreisen, um über einige Fragen nachzudenken, was vom Fraktionsvorsitzenden akzeptiert wurde. Zudem suchte der Kläger seinen behandelnden Arzt auf, der seine Arbeitsunfähigkeit wegen eines krankhaften Zustands feststellte.

10.
Ab dem 24. Mai 2000 erschien der Kläger wegen seines schlechten Gesundheitszustands nicht mehr an seinem Arbeitsplatz.

11.
Am 23. Juni 2000 legte der Kläger gemäß Artikel 90 des Statuts beim Generalsekretär des Parlaments eine Beschwerde gegen ihn bei der Ausübungseines Amtes bei der EDD-Fraktion beschwerende Maßnahmen ein. Zu diesen Maßnahmen gehörte es nach Ansicht des Klägers u. a., dass er am Zugang zu den Konten der EDD-Fraktion gehindert wurde, obwohl der Dienstposten des Generalsekretärs einer Fraktion seinem Wesen nach einen solchen Zugang mit umfasse, und dass er in einem durch Mobbing gekennzeichneten Klima widersprüchliche Weisungen erhalten habe. Der Kläger beantragte den Erlass einer Entscheidung zur Beendigung dieser Maßnahmen und zur Beseitigung ihrer negativen Auswirkungen. Er wies jedoch darauf hin, dass er nicht beabsichtige, deswegen von seinem Posten als Generalsekretär der EDD-Fraktion zurückzutreten.

12.
Am selben Tag richtete der Kläger an den Präsidenten des Rechnungshofes einen förmlichen Antrag auf Prüfung der Konten der EDD-Fraktion mit dem Hinweis, dass eine solche Prüfung im Interesse der Fraktion und im öffentlichen Interesse liege und dass er am Zugang zu diesen Konten gehindert worden sei.

13.
Der Vorsitzende der EDD-Fraktion, der u. a. durch die Presse davon erfuhr, dass beim Rechnungshof ein solcher Antrag gestellt worden war, bestätigte gegenüber dem Präsidenten des Rechnungshofes mit Schreiben vom 30. Juni 2000, dass der Rechnungshof freien Zugang zu den Konten seiner Fraktion habe und dass das Vorgehen des Klägers in dieser Hinsicht vermutlich dadurch zu erklären sei, dass dieser am 18. Mai 2000 über die Nichtverlängerung seiner Abordnung zur EDD-Fraktion informiert worden sei.

14.
Am 1. Juli 2000 verfasste der Kläger ein Memorandum, in dem er seine Erfahrungen während seiner Abordnung zur EDD-Fraktion im Einzelnen darlegt (im Folgenden: Memorandum vom 1. Juli 2000). Der Kläger vervollständigte dieses Memorandum durch ein Addendum vom 2. Februar 2001.

15.
Am 4. Juli 2000 beantragte der Vorsitzende der EDD-Fraktion aufgrund einer Entscheidung des Fraktionsvorstands (im Folgenden: Entscheidung vom 4. Juli 2000) beim Generalsekretär des Parlaments, die Abordnung des Klägers so bald wie möglich zu beenden.

16.
Am 18. Juli 2000 entschied der Generalsekretär des Parlaments in seiner Eigenschaft als Anstellungsbehörde, die im dienstlichen Interesse erfolgte Abordnung des Klägers zur EDD-Fraktion zum Abend des 14. Juli zu beenden (Artikel 1 der Entscheidung) und ihn vom 15. Juli 2000 an wieder auf einer Hauptübersetzerstelle in der Generaldirektion Information und Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments in der Besoldungsgruppe LA 5, Dienstaltersstufe 3, mit einem auf den 1. Januar 2000 festgelegten Besoldungsdienstalter und mit dem Dienstort Brüssel zu beschäftigen (Artikel 2 der Entscheidung) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

17.
Diese Entscheidung wurde dem Kläger mit Schreiben vom 25. Juli 2000 mitgeteilt.

18.
Am 8. August 2000 beantragten die Anwälte des Klägers beim Generalsekretär des Parlaments, ihnen die Unterlagen zu übermitteln, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde lägen, insbesondere das Schreiben des Vorsitzenden der EDD-Fraktion vom 4. Juli 2000 und den Vorschlag des Generaldirektors Personal des Parlaments, auf die in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werde.

19.
Der Kläger legte am 28. August 2000 gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts eine zweite Beschwerde beim Generalsekretär des Parlaments ein, mit der er die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Ersatz des ihm durch diese Entscheidung entstandenen Schadens beantragte.

20.
Mit am 8. September 2000 bei der Kanzlei...

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