Urteile nº T-365/00 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, June 11, 2002

Resolution DateJune 11, 2002
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-365/00

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

11. Juni 2002(1) „Öffentliche Aufträge - Personenbeförderung in Kraftfahrzeugen mit Fahrer während der Sitzungen des Parlaments in Straßburg - Vereinbarkeit mit dem französischen Recht“

In der Rechtssache T-365/00

Alsace International Car Service SARL (AICS) mit Sitz in Straßburg (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: J. C. Fourgoux und J. L. Fourgoux, avocats, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch O. Caisou-Rousseau und D. Peterheim als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagter,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung des Parlaments vom 4. Oktober 2000, mit der der Antrag der Klägerin vom 5. September 2000 betreffend die Gültigkeit des Vertrages zwischen dem Parlament und der Coopérative Taxi 13 abgelehnt wurde, und wegen Ersatzes des hierdurch angeblich entstandenen Schadens

erlässtDAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. D. Cooke sowie des Richters R. García-Valdecasas und der Richterin P. Lindh,

Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die Sitzung vom 5. Februar 2002,

folgendes

Urteil

Sachverhalt

1.
Die Klägerin ist ein in Straßburg ansässiges Unternehmen für die Vermietung von Kraftfahrzeugen mit Fahrer.

2.
Am 23. März 1995 schloss das Parlament mit der Association centrale des autos taxis de la communauté urbaine de Strasbourg - Taxi 13 (im Folgenden: ACATS Taxi 13) einen Vertrag über die Beförderung von Personen in neutral aussehenden Fahrzeugen mit Fahrer während der Straßburger Parlamentssitzungen.

3.
Diese Personenbeförderung führte im Jahr 1998 zu strafrechtlichen Ermittlungen des Procureur beim Tribunal de grande instance Straßburg gegen mehrere Führungskräfte und Mitglieder der ACATS Taxi 13 wegen Veruntreuung, Schwarzarbeit und rechtswidriger Ausübung der Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen.

4.
Am 13. November 1998 kamen das Parlament und die ACATS Taxi 13 überein, ihr Vertragsverhältnis zum 23. März 1999 zu beenden. Ein neuer Verband, die am 12. Oktober 1998 gegründete Coopérative Taxi 13, trat als Nachfolgerin der ACATS Taxi 13 in diesen Vertrag bis zu dessen Beendigung ein.

5.
Am 27. Januar 1999 leitete das Parlament ein Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge (Ausschreibung Nummer 99/S 18-8765/FR) ein, das die Beförderung von Personen (Abgeordnete, Beamte oder Gäste des Parlaments) in neutral aussehenden Kraftfahrzeugen mit Fahrer zu Pauschalpreisen während der Parlamentssitzungen in Straßburg betraf. Es ist unstreitig, dass diese Leistungen sachlich den dem Parlament früher von der ACATS Taxi 13 erbrachten Leistungen entsprachen.

6.
Die Klägerin reichte am 10. Februar 1999 ein Angebot beim Parlament ein, wobei sie gleichzeitig die Vergabebedingungen beanstandete. Sie machte geltend, dass diese Bedingungen von einem dem Taxigewerbe angehörenden Bewerber nur unter Verstoß gegen die französischen Rechtsvorschriften erfüllt werden könnten. Insbesondere sei nur ein Mietwagenunternehmen (Limousinen und Luxuswagen) in der Lage, den Anforderungen des Parlaments unter Beachtung der im Bereich der entgeltlichen Personenbeförderung geltenden Rechtsvorschriften gerecht zu werden.

7.
Das Parlament erteilte schließlich den Zuschlag für den Auftrag der Coopérative Taxi 13, mit der es am 31. März 1999 einen Vertrag schloss (im Folgenden: Vertrag vom 31. März 1999).

8.
Am 7. April 1999 teilte das Parlament der Klägerin die Ablehnung ihres Angebots mit. Am 8. Juni 1999 erhob die Klägerin hiergegen Klage (im Folgenden: Rechtssache T-139/99). Sie machte im Wesentlichen geltend, dass ihr Angebot zugunsten von Gewerbetreibenden - Taxifahrern - ausgeschieden sei, die einer Satzung und einer Sonderregelung unterlägen, die es ihnen untersagten, die betreffenden Verkehrsleistungen in Taxis, die als solche nicht erkennbar seien, anzubieten und auszuführen.

9.
Das Gericht wies die Klage mit Urteil vom 6. Juli 2000 (Rechtssache T-139/99, Slg. 2000, II-2849, im Folgenden: Urteil vom 6. Juli 2000) ab.

10.
Mit Beschluss vom 21. Juni 2001 (Rechtssache C-330/00 P, AICS/Parlament, Slg. 2001, I-4809) wies der Gerichtshof das von der Klägerin gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsmittel zurück.

11.
Aufgrund der 1998 eingeleiteten Ermittlungen (Randnr. 3) stellte das Tribunal correctionnel Straßburg mit Urteil vom 7. April 2000 im Fall von 30 Taxiunternehmern, die Mitglieder der ACATS Taxi 13 waren und Verkehrsleistungen für das Parlament erbracht hatten, zwei getrennte Rechtsverstöße fest: Vergehen der „verschleierten Arbeitsleistung“ und „Vergehen der Ausübung der Tätigkeit eines Unternehmens des öffentlichen Personenverkehrs auf der Straße ohne Eintragung im Register dieser Unternehmen“.

12.
Die Klägerin übermittelte dem Präsidenten des Parlaments mit Schreiben vom 15. Juni 2000 eine Kopie dieses Urteils und wies auf die Wiederholungen der vom Tribunal correctionnel Straßburg verurteilten Praktiken hin, die bei den Parlamentssitzungen im Juni 2000 festgestellt worden seien. Außerdem erklärte die Klägerin, sie wünsche, dass diese rechtswidrigen Praktiken abgestellt würden.

13.
Der Präsident des Parlaments antwortete der Klägerin am 1. September 2000, dass das Urteil des Tribunal correctionnel Straßburg gegen Taxiunternehmer ergangen sei, die Mitglieder der ACATS Taxi 13 gewesen seien, einer Vereinigung, die von der Coopérative Taxi 13 rechtlich zu unterscheiden sei, die das Parlament seither mit den betreffenden Beförderungen beauftrage. Nach dem Hinweis auf die Abweisung der Klage durch das Urteil vom 6. Juli 2000 fügte der Präsident des Parlaments hinzu:

„Nach Ansicht des Europäischen Parlaments verstößt der derzeit geltende Vertrag nicht gegen die französischen Rechtsvorschriften. Ich kann Ihnen versichern, dass das Parlament sehr aufmerksam verfolgen wird, ob der Vertrag weiterhin im Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften erfüllt wird.“

14.
In ihrem Schreiben vom 5. Dezember 2000 ersuchte die Klägerin nach einer eingehenden Untersuchung der einschlägigen französischen Rechtsvorschriften den Präsidenten des Parlaments, „den Vertrag [mit der Coopérative] Taxi 13 zu kündigen und entweder den Auftrag [an sie] zu vergeben oder neu auszuschreiben, und dabei selbstverständlich jede Bewerbung von Taxiunternehmen oder Zusammenschlüssen von solchen auszuschließen, um auf diese Weise nur Unternehmen miteinander in Wettbewerb treten zu lassen, die die Leistungen rechtmäßig ausführen können“.

15.
Mit Schreiben vom 4. Oktober 2000 (im Folgenden: angefochtene Handlung) lehnte der Präsident des Parlaments diesen Antrag wie folgt ab:

„... Ich möchte klarstellen, dass [das Parlament] die Entscheidungen [des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften] und des Tribunal de grande instance Straßburg aufmerksam zur Kenntnis genommen hat.

Da die Ordnungsmäßigkeit der Vergabe des neuen Auftrags an die Coopérative Taxi 13 vom Gericht erster Instanz bestätigt wurde und die vom Tribunal de grand instance gegenüber der Association Taxi 13 festgestellten Verstöße im Fall der Coopérative Taxi 13 nicht mehr aufgetreten sind, ist das Europäische Parlament der Ansicht, dass die Vertragserfüllung in Einklang mit den französischen Rechtsvorschriften steht.

...

Die Änderung besteht ganz offenkundig darin, dass dieses neue Unternehmen in das Handelsregister und in das Register der Straßenverkehrsunternehmer eingetragen ist. Bezüglich des Einsatzes von neutral aussehenden Fahrzeugen habe ich meine Dienststellen angewiesen, nachzuprüfen, ob die Fahrzeuge bei der Beförderung der Abgeordneten in den Genuss der verschiedenen Vergünstigungen kommen, die nach der Regelung allein den Taxis vorbehalten sind.

Schließlich möchte ich klarstellen, dass die Fahrer der Coopérative Taxi 13 ordnungsgemäß versichert sind, wenn sie Leistungen für das Europäische Parlament erbringen.

...“

Verfahren

16.
Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 29. November 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

17.
Mit am 1. Februar 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat das Parlament gemäß § 114 der Verfahrensordnung eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

18.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 8. Mai 2001 die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit und über die Kosten dem Endurteil vorbehalten.

19.
Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen und den Parteien schriftlich Fragen zu stellen. Die Parteien haben diese Fragen fristgemäß beantwortet.

20.
Die Parteien haben in der Sitzung des Gerichts vom 5. Februar 2002 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

21.
Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Handlung für nichtig zu erklären;

- das Parlament zu verurteilen, ihm den durch diese Handlung entstandenen Schaden zu ersetzen;

- dem Parlament die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

22.
Das Parlament beantragt,

- die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit

Vorbringen der Parteien

23.
Zur Begründung seiner Einrede der Unzulässigkeit trägt das Parlament zwei Rügen vor.

24.
In erster Linie macht es geltend, dass die Klage zwar als Nichtigkeitsklage erhoben worden sei, in Wirklichkeit aber auf die Kündigung des Vertrags vom 31. März 1999 oder die Nichtigerklärung der Vergabe des Auftrags an die Coopérative Taxi 13 abziele. Die angefochtene Handlung habe keine Rechtswirkungen; sie sei überhaupt keine neue Entscheidung, sondern bestätige lediglich frühere Entscheidungen, mit denen der Auftrag an die Coopérative Taxi 13 statt an die Klägerin vergeben worden sei.

25.
...

To continue reading

Request your trial

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT