Beschlüsse nº T-216/01 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, December 05, 2001

Resolution DateDecember 05, 2001
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-216/01

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

5. Dezember 2001(1) „Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Entscheidung, mit der die Einsicht in bestimmte Unterlagen verweigert wird - Zulässigkeit der Klage“

In der Rechtssache T-216/01 R

Reisebank AG mit Sitz in Frankfurt am Main (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Klusmann und F. Wiemer,

Antragstellerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch S. Rating als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung der Kommission vom 14. August 2001, mit der der Antragstellerin die Einsicht in bestimmte Unterlagen über die Einstellung des Verfahrens gegen andere Banken in der Sache COMP/E-1/37.919 - Bankgebühren für den Umtausch von Währungen der Euro-Zone verweigert wurde, und Aussetzung des Verfahrens nach Artikel 81 EG in dieser Sache in Bezug auf die Antragstellerin,

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

Rechtlicher Rahmen

1.
Am 23. Mai 2001 erließ die Kommission den Beschluss 2001/462/EG, EGKS über das Mandat von Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren (ABl. L 162, S. 21), mit dem der Beschluss 94/810/EGKS, EG der Kommission vom 12. Dezember 1994 (ABl. L 330, S. 67) aufgehoben wurde.

2.
In der dritten und der sechsten Begründungserwägung dieses Beschlusses heißt es, dass die Durchführung der Anhörungsverfahren einer in Wettbewerbsfragen erfahrenen unabhängigen Person - dem Anhörungsbeauftragen - übertragen werden sollte, die über die nötige Integrität verfügt, um ein möglichst objektives, transparentes und effizientes Verfahren zu gewährleisten; um die Unabhängigkeit des Anhörungsbeauftragten sicherzustellen, sollte dieser verwaltungstechnisch dem für Wettbewerbsfragen zuständigen Mitglied der Kommission unterstellt werden. Ferner sollte für größere Transparenz im Zusammenhang mit der Ernennung, Abberufung und Versetzung von Anhörungsbeauftragten gesorgt werden.

3.
Nach Artikel 5 des Beschlusses 2001/462 hat der Anhörungsbeauftragte die Aufgabe, für einen ordnungsgemäßen Ablauf der Anhörung zu sorgen und zur Objektivität sowohl der Anhörung als auch aller späteren Entscheidungen im Rahmen von Verwaltungsverfahren in Wettbewerbssachen beizutragen. Er trachtet insbesondere sicherzustellen, dass alle für die Beurteilung des Falles erheblichen Umstände tatsächlicher Art, gleichgültig ob sie für die Beteiligten günstig oder ungünstig sind, einschließlich solcher, die über die Schwere eines Verstoßes Aufschluss geben, bei der Ausarbeitung von Entwürfen zu Entscheidungen der Kommission in Bezug auf solche Verfahren angemessen berücksichtigt werden.

4.
Artikel 8 des Beschlusses 2001/462 lautet:

„(1) Haben Personen, Unternehmen oder Vereinigungen von Personen oder Unternehmen nach Erhalt eines oder mehrerer der in Artikel 7 Absatz 2 aufgeführten Schreiben [der Kommission, zu denen u. a. Schreiben gehören, mit denen Beschwerdepunkte mitgeteilt werden] Grund zu der Annahme, dass die Kommission über ihnen bisher nicht zugängliche Unterlagen verfügt, die sie für eine wirksame Ausübung ihres Anhörungsrechts benötigen, kann Einsicht in diese Unterlagen mittels eines begründeten Antrags beantragt werden.

(2) Die mit Gründen versehene Entscheidung über einen solchen Antrag wird den antragstellenden Personen, Unternehmen oder Vereinigungen und den übrigen am Verfahren beteiligten Personen, Unternehmen und Vereinigungen mitgeteilt.“

5.
Am 30. Mai 2001 erließen das Europäische Parlament und der Rat die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43). Nach ihrem Artikel 19 tritt diese Verordnung am dritten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft und gilt ab dem 3. Dezember 2001.

Sachverhalt und Verfahren

6.
Anfang 1999 leitete die Kommission gegen etwa 150 Banken, darunter die Antragstellerin, mit Sitz in den sieben Mitgliedstaaten Belgien, Deutschland, Irland, Niederlande, Österreich, Portugal und Finnland Ermittlungsverfahren ein, weil sie den Verdacht hatte, dass die betreffenden Banken Absprachen getroffen hatten, um die Bankgebühren für den Umtausch von Währungen der Euro-Zone auf einem bestimmten Niveau zu halten.

7.
Am 3. August 2000 richtete die Kommission im Rahmen dieser Ermittlungen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Antragstellerin.

8.
Am 27. November 2000 nahm die Antragstellerin dazu Stellung.

9.
Am 1. und 2. Februar 2001 fand im Rahmen dieser Ermittlungen eine Anhörung der Antragstellerin statt.

10.
Aus Pressemitteilungen der Kommission vom 11. April, 7. Mai und 14. Mai 2001 geht hervor, dass sie beschloss, das Kartellverfahren gegen niederländische und belgische Banken sowie gegen einige deutsche Banken einzustellen. Sie fasste diesen Beschluss, nachdem die betreffenden Banken ihre Gebühren für den Umtausch von Währungen der Euro-Zone gesenkt hatten.

11.
Mit Schreiben vom 16. Mai, 13. Juni und 25. Juli 2001 übermittelte die Antragstellerin der Kommission drei Angebote, sich zu verpflichten, ihre Bankgebühren für den Umtausch von Währungen der Euro-Zone zu senken. Die Kommission lehnte alle diese Angebote ab.

12.
Aus einer Pressemitteilung der Kommission vom 31. Juli 2001 geht hervor, dass sie beschloss, die Kartellverfahren gegen finnische, irische, belgische, niederländische und portugiesische Banken sowie gegen einige deutsche Banken einzustellen.

13.
Die Antragstellerin richtete an den Anhörungsbeauftragten einen Antrag auf Einsicht in die Unterlagen, die Aufschluss darüber geben, zu welchen Bedingungen die Verfahren gegen die übrigen von den Ermittlungen betroffenen Unternehmen eingestellt worden sind.

14.
Mit einem ersten Schreiben vom 14. August 2001 lehnte der Anhörungsbeauftragte diesen Antrag auf Einsicht in die genannten Unterlagen ab (im Folgenden: streitige Entscheidung). Diese Ablehnung wurde wie folgt begründet:

„Nach ständiger Rechtsprechung erfüllt die Akteneinsicht in Wettbewerbsverfahren vor der Kommission eine spezifische Funktion. Sie soll die des Verstoßes gegen das Gemeinschaftskartellrecht beschuldigten Unternehmen in die Lage versetzen, sich gegen die Beschwerdepunkte der Kommission wirksam zu verteidigen. Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn den Unternehmen sämtliche in der Verfahrensakte enthaltenen einschlägigen, d. h. für das Verfahren relevanten Unterlagen mit Ausnahme vertraulicher Schriftstücke und interner Dokumente der Verwaltung zugänglich gemacht werden. Auf diese Weise wird .Waffengleichheit' zwischen der Kommission und der Verteidigung hergestellt.

Im vorliegenden Fall haben die Reisebank AG und die Deutsche Verkehrsbank AG Einsicht in die Verfahrensakte [COMP/E-1/37.919] sowie zusätzlich in weitere, in Parallelakten enthaltene, aber für das Verfahren .Deutsche Banken' relevante Schriftstücke nehmen können. Diesem Recht auf uneingeschränkte Verteidigung gegen die von der Kommission erhobenen Beschwerdepunkte ist damit Rechnung getragen worden.

Die Umstände, welche zur Einstellung der Verfahren gegen Bankinstitute anderer Mitgliedstaaten geführt haben, sind Gegenstand von parallelen, aber getrennten, den deutschen Banken grundsätzlich nicht zugänglichen Kommissionsakten. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die von Ihnen gewünschten Informationen für die Verteidigung Ihrer...

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