Urteile nº T-81/95 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, July 14, 1997

Resolution DateJuly 14, 1997
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-81/95

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

14. Juli 1997 (1) „Sozialpolitik — Europäischer Sozialfonds — Zuschuß zur Finanzierung von

Maßnahmen der beruflichen Bildung — Nichtigkeitsklage — Übermittlung der

Genehmigungsentscheidung — Entscheidung über den Antrag auf Restzahlung —

Rechtssicherheit — Berechtigtes Vertrauen — Begründung“

In der Rechtssache T-81/95

Interhotel, Sociedade Internacional de Hotéis, SARL, Gesellschaft portugiesischen

Rechts mit Sitz in Lissabon, Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte José Miguel

Alarcão Júdice, Nuno Morais Sarmento und Gabriela Rodrigues Martins, Lissabon,

Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Victor Gillen, 16, boulevard de la

Foire, Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater

António Caeiro und durch Günter Wilms, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre

Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C(94)1410/11 der Kommission vom 12.

Juli 1994 über einen Zuschuß des Europäischen Sozialfonds zu einer

Bildungsmaßnahme, der Klägerin zugestellt am 27. Dezember 1994 unter dem

Aktenzeichen 870840/P1,

erläßt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Saggio sowie der Richterin V. Tiili und des

Richters R. M. Moura Ramos,

Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15.

Januar 1997,

folgendes

Urteil

Sachverhalt und Verfahren

1.
Mit Entscheidung vom 30. April 1987 genehmigte die Kommission mit bestimmten

Änderungen ein Vorhaben, für das das Departamento para os Assuntos do Fundo

Social Europeu (Abteilung für Angelegenheiten des Europäischen Sozialfonds;

nachstehend: DAFSE) in Lissabon für das Haushaltsjahr 1987 zugunsten der

Klägerin einen Antrag auf Zuschuß gestellt hatte, der die Nummer 870840/P1

erhalten hatte. Während die Klägerin beim Europäischen Sozialfonds (nachstehend:

ESF) für die Ausbildung von 284 Personen einen Betrag von 152 466 071 ESC

beantragt hatte, wurde ihr vom ESF ein Zuschuß von 121 647 958 ESC für die

Ausbildung von 277 Personen gewährt.

2.
Die Kommission übermittelte der DAFSE einen Vermerk mit der Überschrift

„Anhang zur Entscheidung C(87)0860 der Kommission“ (Anhang 1 der

Klagebeantwortung), der folgende Daten enthielt:

Zahl der betroffenen Personen

277

Beantragter Betrag

152 466 071 ESC

Bewilligter Betrag

121 647 958 ESC

Nicht zuschußfähig

27 766 349 ESC

Kürzung

3 051 763 ESC

Insgesamt abgelehnter Betrag

30 818 112 ESC

3.
Die DAFSE unterrichtete am 27. Mai 1987 die Klägerin von dieser Entscheidung

mit einem Schreiben, in dem der bewilligte Betrag und die genehmigte

Personenzahl angegeben waren (Anhang 4 der Klageschrift). In diesem Schreiben

wurde darauf hingewiesen, daß die Zuschüsse des Europäischen Sozialfonds Mittel

seien, die unter der Bedingung vergeben würden, daß die Maßnahme unter

Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften durchgeführt werde, und daß die

Nichteinhaltung dieser Bedingung die Rückzahlung der Vorschüsse und die

Einbehaltung des Restbetrags nach sich ziehe. Außerdem war darin hervorgehoben,

daß jede Veränderung gegenüber den Angaben in den Antragsunterlagen der

DAFSE mitzuteilen sei.

4.
Die Maßnahme wurde im Jahr 1987 durchgeführt. Mit dem Rundschreiben Nr.

10/87 vom 8. Januar 1987, das die Klägerin ihren Angaben zufolge am 29. Juni

1987 erhielt, forderte die DAFSE die Empfänger von ESF-Zuschüssen auf, die

Zeiten der praktischen Ausbildung auf eine der theoretischen Ausbildung

entsprechende Dauer zu kürzen. Um den Anforderungen des Rundschreibens

nachzukommen, kürzte die Klägerin die vorgesehene Zahl der Stunden praktischer

Ausbildung um 36,13 %. Sie behauptet, sie habe von sich aus auch die Kosten in

sämtlichen Ansätzen des Haushalts für die Maßnahme proportional um 36,13 %

gekürzt.

5.
Die Klägerin erhielt einen Vorschuß von 50 % des ESF-Zuschusses, d. h. einen

Vorschuß von 60 823 979 ESC. Als die Maßnahme abgeschlossen war, reichte sie

einen Antrag auf Restzahlung ein, in dem sie vom ESF einen Betrag von

73 496 941 ESC verlangte, d. h. den Betrag des Vorschusses zuzüglich

12 672 962 ESC.

6.
Am 19. Juli 1989 unterrichtete die DAFSE die Klägerin, daß der Zuschuß des ESF

gemäß einer dieser Mitteilung beiliegenden Entscheidung der Kommission im

Ergebnis 42 569 539 ESC nicht übersteigen könne, weil bestimmte Ausgaben

betreffend die Punkte 14.1, 14.2, 14.3, 14.6 und 14.8 des Formblatts nicht

zuschußfähig seien, „da eine der Herabsetzung der Bildungsstunden entsprechende

Kürzung nicht erfolgt ist und bestimmte Bedingungen des ursprünglichen

Vorschlags nicht eingehalten worden sind (14.1)“.

7.
Auf Klage der Klägerin wurde diese Entscheidung der Kommission vom

Gerichtshof für nichtig erklärt, weil die Kommission der Portugiesischen Republik

vor Erlaß der endgültigen Entscheidung über die Kürzung des Zuschusses keine

Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Mai

1991 in der Rechtssache C-291/89, Interhotel/Kommission, Slg. 1991, I-2257).

8.
Zur Vorbereitung einer neuen Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf

Restzahlung übermittelte die Kommission der DAFSE am 6. August 1991 einen

ersten Entscheidungsentwurf. Mit Schreiben vom 26. August 1991 teilte ihr die

DAFSE mit, daß sie mit bestimmten der vorgeschlagenen Kürzungen nicht

einverstanden sei.

9.
Am 9. Februar 1993 stellte die Klägerin bei der Kommission den Antrag, innerhalb

der im Vertrag vorgesehenen Fristen, d. h. innerhalb von zwei Monaten ab

Antragstellung, eine neue Entscheidung zu erlassen.

10.
Nach der Stellungnahme der DAFSE und dem in der vorstehenden Randnummer

genannten Antrag der Klägerin führte die Kommission am 19. Februar 1993 eine

Prüfung durch, die am 18. März 1993 fortgesetzt wurde, um die Belege für die

Durchführung der Maßnahme an Ort und Stelle nachzuprüfen. Die Klägerin hatte

während dieser Prüfung Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Nach Angaben der

Kommission waren nur wenige Belege verfügbar, deren Auswertung schwierig

gewesen sei, insbesondere weil bestimmte Arbeiten von der Klägerin an einen

Unterauftragnehmer, Partex, vergeben worden seien, der seinerseits zwei

Unterauftragnehmer, Europraxis und Fortécnica, beauftragt habe. Daher seien die

Bücher der Unterauftragnehmer des von der Klägerin eingeschalteten

Unterauftragnehmers überprüft worden. Die Ergebnisse dieser Überprüfung seien

in der Zeit vom 24. bis 26. Mai 1993 von einer Arbeitsgruppe, in der die

Kommission und die DAFSE vertreten gewesen seien, untersucht worden.

11.
Danach, am 12. November 1993, übermittelte die Kommission der DAFSE mit

einem Vermerk Nr. 22917 einen neuen Entscheidungsentwurf, wonach der Zuschuß

des ESF auf 41 190 905 ESC festgesetzt würde, sofern die Stellungnahme der

DAFSE nicht zu einer Änderung dieses Betrages führe.

12.
Dieser Vermerk enthält eine Reihe von Erläuterungen zu den vorgeschlagenen

Kürzungen. Zunächst wird darin darauf hingewiesen, daß die im Antrag auf

Restzahlung angegebenen Zeiten der Kurse von den Verzeichnissen über die

Anwesenheit der Auszubildenden und den Berichten des Lehrpersonals abwichen.

Es sei weiter nicht möglich gewesen, die Aufteilung der Ausbildungsdauer auf den

theoretischen und den praktischen Teil zu bestätigen. Schließlich habe nicht

festgestellt werden können, wann welche Kurse stattgefunden hätten.

Was die verschiedenen Rubriken des Antrags auf Restzahlung anbelangt, wurden

die Kürzungen im einzelnen wie folgt begründet:

14.1 Entgelte der Auszubildenden

Ausbildungsbeihilfen

3 180 878 ESC

— Nach den Feststellungen haben 56 Auszubildende keine zuschußfähige

praktische Ausbildung erhalten, daher eine entsprechende Kürzung

gemäß beiliegender Berechnung.

14.2 Vorbereitung der Kurse

Einstellung und Auswahl der Auszubildenden

1 456 000 ESC

— Nach den Feststellungen sind in der Rechnung der Partex ebenso wie

im Antrag auf Restzahlung 490 Tests zum Einheitspreis von

7 000 ESC genannt, während diese Arbeiten durch eine dritte

Einrichtung durchgeführt wurden, die der Partex die Durchführung

von 282 Tests zu Einheitskosten von 12 000 ESC in Rechnung stellte.

Folglich wurden, da die Partex keine zusätzliche Leistung erbracht

hatte, die Kosten für 282 Auszubildende auf 7 000 ESC pro Einheit

festgesetzt.

Vervielfältigung von Schriftstücken

1 183 680 ESC

— Diese Ausgabe war durch die Genehmigungsentscheidung nicht

gedeckt, und sie war angesichts der für Lehrmaterial angemeldeten

Beträge und der Art der durchgeführten Maßnahme nicht

gerechtfertigt.

14.3 Ausführung und Verwaltung der Kurse

Lehrpersonal

21 705 954 ESC

— Diese Rubrik betrifft die Arbeitsentgelte, sowie die Fahrt-,

Aufenthalts- und Verpflegungskosten des Lehrpersonals.

Der Betrag für das Lehrpersonal wurde von Partex in voller Höhe in

Rechnung gestellt; Partex wandte sich ihrerseits an einen

Unterauftragnehmer. Nach der bei dem Unterauftragnehmer

durchgeführten Überprüfung konnte festgestellt werden, daß Partex

einen Vertrag geschlossen hatte, nach dem der Unterauftragnehmer

Kurse im Rahmen der von Interhotel und von einem anderen

Unternehmen, Grão-Pará, übernommenen Maßnahmen ungeachtet

des Wertunterschieds durchzuführen hatte. Der zuschußfähige

Höchstbetrag für die Bildungsmaßnahmen wurde auf der Grundlage

der Kosten ermittelt, die dem Unterauftragnehmer für Lehrkräfte

entstanden waren, die Kurse für die Auszubildenden von Interhotel

gehalten hatten, zuzüglich einer Brutto-Gewinnspanne von 50 %. Der

zuschußfähige Höchstbetrag für die Bildungsmaßnahmen belief sich

somit auf 10 613 646 ESC.

In bezug auf die Aufenthalts- und Verpflegungskosten des

Lehrpersonals waren in dem ursprünglichen Antrag zwei Fachkräfte

und ein Direktor genannt. Die Kosten für die beiden Fachkräfte

waren in der Genehmigungsentscheidung...

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