Urteile nº T-20/03 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, September 24, 2008

Resolution DateSeptember 24, 2008
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-20/03

In der Rechtssache T-20/03

Kahla/Thüringen Porzellan GmbH mit Sitz in Kahla (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Schütte und S. Zühlke,

Klägerin,

unterstützt durch

Freistaat Thüringen (Deutschland), vertreten zunächst durch die Rechtsanwälte A. Weitbrecht und A. van Ysendyck, dann durch die Rechtsanwälte A. Weitbrecht und M. Núñez-Müller,

und durch

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch W.-D. Plessing und M. Lumma als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz und V. Di Bucci als Bevollmächtigte im Beistand von Professor C. Koenig,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/643/EG der Kommission vom 13. Mai 2003 über die staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten der Kahla Porzellan GmbH und der Kahla/Thüringen Porzellan GmbH (ABl. L 227, S. 12), soweit diese Entscheidung die zugunsten der Kahla/Thüringen Porzellan GmbH gewährten Finanzhilfen betrifft,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras, der Richterin M. E. Martins Ribeiro, der Richter F. Dehousse und D. -váby sowie der Richterin K. Jürimäe,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2006,

folgendes

Urteil

Sachverhalt

1 Die Kahla Porzellan GmbH (im Folgenden: Kahla I), die Geschirr aus Porzellan und Feinkeramik herstellt, hat ihren Standort in Thüringen, einem der Fördergebiete nach Art. 87 Abs. 3 Buchst. a EG.

2 Kahla I wurde 1990 durch Umwandlung eines Kombinats der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR), der VEB Vereinigte Porzellanwerke Kahla, in zwei Gesellschaften gegründet, von denen die eine, Kahla I, im April 1991 von der Treuhandanstalt (im Folgenden: THA) privatisiert wurde. Kahla I meldete am 9. August 1993 Gesamtvollstreckung an, und am 29. September 1993 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren eingeleitet.

3 Die Kahla/Thüringen Porzellan GmbH (im Folgenden: Kahla II oder Klägerin) wurde im November 1993 von Herrn G. R. gegründet. Sie übernahm im Januar 1994 die Grundstücke, Maschinen und Anlagen sowie 380 Beschäftigte der in Gesamtvollstreckung befindlichen Gesellschaft Kahla I.

4 Die Veräußerung des Grundbesitzes von Kahla I wurde von der THA, auf die dieser Grundbesitz rückübertragen wurde, und von ihrer Rechtsnachfolgerin, der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), genehmigt.

5 Der Kaufvertrag über die Vermögenswerte von Kahla I sah einen Gesamtpreis von 7,391 Millionen DM vor. Der Preis in Höhe von 2,05 Millionen DM für die Anlagen sollte durch einen Zuschuss des Landes Thüringen von 2,5 Millionen DM finanziert werden. Gesetzliche Rechte, Warenzeichen, eingetragene Muster und Know-how wurden zu einem symbolischen Preis von 1 DM übertragen, während die Kundenliste und der Auftragsbestand unentgeltlich übertragen wurden. Der Preis für die Lagerbestände belief sich auf 2,136 Millionen DM und der Grundbesitz sollte abgabenfrei für 3,205 Millionen DM veräußert werden. Da der Preis für Vorräte später gemindert wurde, belief sich der bezahlte Gesamtpreis auf 6,727 Millionen DM.

6 Am 5. März 1994 übernahm das staatseigene Unternehmen Thüringen Industriebeteiligungs GmbH & Co. KG (im Folgenden: TIB), das vom Land Thüringen kontrolliert wird, eine Beteiligung von 49 % an der Klägerin. Am 31. Dezember 1999 veräußerte die TIB diese Beteiligung an Herrn G. R. und an seinen Sohn, Herrn H. R., zu einem Preis, der über dem von der TIB im März 1994 gezahlten Preis lag.

7 Nachdem Beschwerden eingegangen waren und nach einem Schriftwechsel und Zusammenkünften mit Vertretern der Bundesrepublik Deutschland leitete die Kommission am 15. November 2000 hinsichtlich der Ad-hoc-Beihilfen zugunsten von Kahla I und der Klägerin das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG ein. Der Beschluss der Kommission über die Einleitung des Verfahrens wurde der Bundesrepublik Deutschland am 9. Januar 2001 mitgeteilt und im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 30. Juni 2001 (ABl. C 185, S. 45) veröffentlicht. Die Kommission forderte die Bundesrepublik Deutschland auf, ihr alle für die Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfen erforderlichen Unterlagen, Angaben und Daten zu übermitteln. Dabei ging es insbesondere um Daten, anhand deren sich feststellen ließ, ob Kahla I und die Klägerin unabhängige Unternehmen waren oder inwieweit die Klägerin als Fortführung eines Unternehmens oder als -Auffanggesellschaft- anzusehen war. Ferner ging es um Angaben, anhand deren sich feststellen ließ, ob bestimmte Beihilfemaßnahmen mit den genehmigten Beihilferegelungen im Einklang standen. Schließlich ging es um alle vorhandenen Umstrukturierungspläne für Kahla I und die Klägerin mit einer Darstellung der getätigten oder geplanten Investitionen und aller anderen aus staatlichen Beihilfen finanzierten Kosten der Umstrukturierung, mit einer Erläuterung der Bilanzen und der Gewinn- und Verlustrechnungen (für Kahla I), mit einer Beschreibung der Entwicklung der Kapazitäten sowie den Daten, anhand deren sich feststellen ließ, ob der Kapitalgeber einen Beitrag geleistet hatte. Die Kommission forderte die Beteiligten zu einer Stellungnahme zu der betreffenden Beihilfe auf.

8 Mit Schreiben vom 26. März 2001 antwortete die Bundesrepublik Deutschland auf die Anordnung zur Auskunftserteilung, unterbreitete Angaben zu den betreffenden Beihilfen und unterrichtete die Kommission über weitere Beihilfen. Die Kommission verlangte am 28. Mai 2001 zusätzliche Auskünfte, die sie am 30. Juni 2001 und am 9. August 2001 erhielt. Am 31. Juli 2001 erhielt die Kommission die Stellungnahme der Klägerin.

9 Mit Schreiben vom 28. November 2001 (ABl. 2002, C 26, S. 19) teilte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland ihren Beschluss mit, das förmliche Prüfverfahren auf die Beihilfen, die nicht mit den genehmigten Beihilferegelungen übereinstimmten, sowie auf die Beihilfen auszuweiten, die bis dahin nicht angemeldet worden waren. Die Kommission forderte die Beteiligten zu einer Stellungnahme auf.

10 Am 10. Dezember 2001 wurde der Fall mit Vertretern der Bundesrepublik Deutschland und des Unternehmens erörtert.

11 Am 30. Januar 2002 gab die Bundesrepublik Deutschland ihre Stellungnahme zu dem Beschluss über die Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens ab und übermittelte ausführliche Informationen. Mit Schreiben vom 28. Februar 2002 übermittelte die Klägerin der Kommission ihre Stellungnahme.

12 Nach dem Eingang einer neuen Beschwerde, der zufolge die Klägerin weitere Beihilfen erhielt, verlangte die Kommission mit Schreiben vom 30. April 2002 von der Bundesrepublik Deutschland zusätzliche Auskünfte, die sie am 29. Mai 2002 erhielt.

13 Im Anschluss an ein Treffen am 24. Juli 2002 mit Vertretern der Bundesrepublik Deutschland übermittelte diese am 7. August 2002 weitere Erläuterungen. Am 30. Juli 2002 gab die Klägerin eine Stellungnahme ab, und mit Schreiben vom 1. Oktober 2002 übermittelte die Bundesrepublik Deutschland eine weitere Stellungnahme.

14 Nach Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens erließ die Kommission am 30. Oktober 2002 die Entscheidung C(2002) 4040 fin. über die staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten von Kahla I und Kahla II, die Deutschland am 4. November 2002 mitgeteilt und der Klägerin am 12. November 2002 bekannt gegeben wurde.

15 Nach Erhebung der vorliegenden Klage (vgl. unten, Randnr. 39) übermittelte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland mit Schreiben vom 13. Mai 2003 die Änderung der Entscheidung vom 30. Oktober 2002, u. a. des Art. 1, soweit sich die Anordnung der Rückforderung auf die Maßnahme 22 bezog, der Randnrn. 34, 37, 99, 101, 103 und 171 betreffend die Maßnahme 16 und der Randnrn. 146 und 147 betreffend die Maßnahme 32. Die Kommission erließ demzufolge eine neue Entscheidung, die Entscheidung 2003/643/EG vom 13. Mai 2003 über die staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten von Kahla I und Kahla II (im Folgenden: angefochtene Entscheidung). Die angefochtene Entscheidung wurde der Klägerin am 16. Mai 2003 bekannt gegeben und am 11. September 2003 veröffentlicht (ABl. L 227, S. 12).

Angefochtene Entscheidung

16 Die Kommission beurteilt in der angefochtenen Entscheidung die Finanzmaßnahmen, die die öffentliche Hand Kahla I und der Klägerin gewährt hatte, getrennt. Sie weist in Randnr. 85 der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass sie nach der Ausweitung des förmlichen Prüfverfahrens zu dem Schluss gekommen sei, dass Kahla I und die Klägerin verschiedene rechtliche Einheiten seien und dass die Letztgenannte als -Auffanggesellschaft- angesehen worden sei, da sie von Herrn G. R. als -Mantelgesellschaft- gegründet worden sei, um die Tätigkeiten der in Abwicklung befindlichen Gesellschaft Kahla I fortzuführen und deren Vermögenswerte zu übernehmen.

17 Zu Kahla I führt die Kommission in Randnr. 22 der angefochtenen Entscheidung aus, dass die öffentliche Hand ihr von der Gründung bis zum Konkurs Finanzmaßnahmen in einer Gesamthöhe von 115,736 Millionen DM gewährt habe (Maßnahmen 1 bis 10).

18 In Bezug auf die Klägerin benennt die Kommission 23 Finanzhilfen, die dieser zwischen 1994 und 1999 in einer Gesamthöhe von 39,028 Millionen DM gewährt worden seien (Maßnahmen 11 bis 33). Zu diesen in den Randnrn. 34 bis 59 der angefochtenen Entscheidung beschriebenen Maßnahmen zählen u. a. die folgenden:

- Maßnahme 11: Übernahme einer Beteiligung von 49 % an der Klägerin am 5. März 1994 durch die TIB gegen Zahlung von 1,975 Millionen DM;

- Maßnahme 12: im März 1994 von der TIB gewährtes partiarisches Darlehen von 6 Millionen DM;

- Maßnahme 13: vom Land Thüringen im März 1994 geleistete Kreditbürgschaft für Investitionskredite zur Deckung der von den Maßnahmen 18 bis 22 erfassten Kredite.

- Maßnahme 14: vom Land Thüringen im März 1994 geleistete 90%ige Bürgschaft für Betriebskapitalkredite von 6,5 Millionen DM, die im September 1995 von einer Privatbank...

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