Urteile nº T-162/06 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, January 14, 2009

Resolution DateJanuary 14, 2009
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-162/06

In der Rechtssache T-162/06

Kronoply GmbH & Co. KG mit Sitz in Heiligengrabe (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Nierer und L. Gordalla,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, zunächst vertreten durch K. Gross und T. Scharf, dann durch V. Kreuschitz, K. Gross und T. Scharf als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2006/262/EG der Kommission vom 21. September 2005 über die staatliche Beihilfe Nr. C 5/2004 (ex N 609/2003), die Deutschland zugunsten von Kronoply gewähren will (ABl. 2006, L 94, S. 50),

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras (Berichterstatter) sowie der Richter M. Prek und V. Ciuc-,

Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2008

folgendes

Urteil

Sachverhalt

1 Die Kronoply GmbH & Co. KG (im Folgenden: Klägerin) ist ein Unternehmen deutschen Rechts, das Holzwerkstoffe herstellt.

2 Am 28. Januar 2000 beantragte sie bei der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) Zuschüsse in Höhe von 77 Mio. DM (39,36 Mio. Euro) zu den Gesamtkosten von 220 Mio. DM (112,5 Mio. Euro) für die Errichtung einer Produktionsstätte für Spanplatten aus ausgerichteten Holzspänen (OSB-Platten).

3 Mit Schreiben vom 22. Dezember 2000 meldete die Bundesrepublik Deutschland bei der Kommission nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) das Vorhaben einer Investitionsbeihilfe zugunsten der Klägerin in Höhe von 77 Mio. DM für die Errichtung einer Produktionsanlage für OSB-Platten an, das in den Anwendungsbereich des Multisektoralen Regionalbeihilferahmens für große Investitionsvorhaben (ABl. 1998, C 107, S. 7, im Folgenden: Multisektoraler Beihilferahmen) in seiner im relevanten Zeitraum geltenden Fassung fiel. Diese Anmeldung wurde von der Kommission unter dem Aktenzeichen N 813/2000 registriert und bearbeitet (im Folgenden: Verfahren N 813/2000).

4 Die maximale Höhe einer Beihilfe nach dem Multisektoralen Beihilferahmen ergibt sich aus einer Berechnung, bei der verschiedene Parameter zu berücksichtigen sind, insbesondere der als Faktor T bezeichnete Wettbewerbsfaktor in dem fraglichen Sektor, der in die vier Stufen 0,25, 0,5, 0,75 und 1 unterteilt ist. Im vorliegenden Fall hatte die Bundesrepublik Deutschland für das Beihilfevorhaben zunächst einen Faktor T von 1 angemeldet, der einem Vorhaben entspricht, das keine negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb hat.

5 Nach einem Schriftwechsel mit der Kommission änderte die Bundesrepublik Deutschland am 19. Juni 2001 ihre Anmeldung in Bezug auf die Beihilfeintensität. Sie teilte der Kommission u. a. mit, sie habe -entschieden, den notifizierten Wettbewerbsfaktor von 1 auf 0,75 zu reduzieren-. Ein Faktor T von 0,75 gilt für Vorhaben, die zu einer Kapazitätserweiterung in einem Sektor mit strukturellen Überkapazitäten führen und/oder in einem schrumpfenden Markt durchgeführt werden. Durch die Anwendung des Faktors T von 0,75 reduzierte sich die Beihilfeintensität von 35 % auf 31,5 %, was einen Gesamtbeihilfebetrag von 69,3 Mio. DM (35,43 Mio. Euro) statt der ursprünglich angemeldeten 77 Mio. DM (39,36 Mio. Euro) ergibt.

6 Am 3. Juli 2001 beschloss die Kommission in Anwendung des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999, keine Einwände gegen die Beihilfe zu erheben; diese Entscheidung wurde im Amtsblatt vom 11. August 2001 (ABl. C 226, S. 14) veröffentlicht.

7 Mit Schreiben vom 3. Januar 2002 beantragte die Bundesrepublik Deutschland eine Änderung der Entscheidung der Kommission vom 3. Juli 2001, weil der betroffene Markt nicht als schrumpfend angesehen werden könne, was die Anwendung eines Faktors T von 1 und die Erhöhung der Intensität der genehmigten Beihilfe von 31,5 % auf 35 % der förderfähigen Investitionskosten zur Folge haben müsse.

8 Mit Schreiben vom 5. Februar 2002 lehnte die Kommission eine Änderung ihrer Entscheidung vom 3. Juli 2001 mit der Begründung ab, die Beihilfe sei auf der Grundlage einer korrekten Berechnung aller anwendbaren Kriterien bewertet worden.

9 Die Klägerin betrachtete dieses Schreiben als Entscheidung der Kommission und erhob dagegen eine Nichtigkeitsklage, die vom Gericht mit Beschluss vom 5. November 2003, Kronoply/Kommission (T-130/02, Slg. 2003, II-4857), wegen Fehlens einer anfechtbaren Handlung als unzulässig abgewiesen wurde.

10 Mit Schreiben vom 22. Dezember 2003 teilte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission mit, dass sie beabsichtige, der Klägerin einen Investitionszuschuss in Höhe von 3 936 947 Euro nach dem Multisektoralen Beihilferahmen zu gewähren. Diese Beihilfe wurde unter dem Aktenzeichen N 609/03 registriert.

11 Mit Schreiben vom 18. Februar 2004 informierte die Kommission die Bundesrepublik Deutschland darüber, dass sie beschlossen habe, das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG einzuleiten, da sie ernsthafte Zweifel am Anreizeffekt und an der Notwendigkeit der angemeldeten zusätzlichen Beihilfe habe.

12 Nachdem sie Stellungnahmen der Bundesrepublik Deutschland und der Klägerin erhalten hatte, erließ die Kommission am 21. September 2005 die Entscheidung 2006/262/EG über die staatliche Beihilfe Nr. C 5/2004 (ex N 609/2003), die Deutschland zugunsten von Kronoply gewähren will (ABl. 2006, L 94, S. 50, im Folgenden: Entscheidung).

13 Der 42. Erwägungsgrund der Entscheidung lautet:

-Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass die angemeldete Beihilfe eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 [EG] darstellt. Da die Beihilfe weder als Anreiz wirkt noch notwendig ist, kommt keine der Ausnahmeregelungen des Artikels 87 Absätze 2 oder 3 [EG] zur Anwendung. Die Beihilfe ist daher eine unzulässige Betriebsbeihilfe und darf nicht gewährt werden.-

14 Art. 1 der Entscheidung lautet:

-Die staatliche Beihilfe in Höhe von 3 936 947 EUR, die Deutschland gemäß der Anmeldung N 609/2003 zugunsten der Kronoply GmbH zu gewähren beabsichtigt, ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

Aus diesem Grunde darf die Beihilfe nicht gewährt werden.-

Verfahren und Anträge der Parteien

15 Mit Klageschrift, die am 26. Juni 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

16 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Fünfte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. In der Sitzung vom 3. September 2008 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

17 Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

18 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

19 Die Klägerin macht fünf Klagegründe geltend: erstens eine Verletzung von Art. 253 EG, zweitens eine Verletzung der Vorschriften der Verordnung Nr. 659/1999, drittens eine Verletzung von Art. 87 Abs. 3 Buchst. a und c EG, Art. 88 EG und der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (ABl. 1998, C 74, S. 9, im Folgenden: Leitlinien), viertens offensichtliche Fehler der Kommission bei der Tatsachenfeststellung und fünftens offensichtliche Fehler der Kommission bei der Tatsachenwürdigung und einen Ermessensmissbrauch.

Zum Klagegrund einer Verletzung von Art. 253 EG

Vorbringen der Parteien

20 Die Klägerin trägt vor, sie könne die Begründung für die Entscheidung der Kommission nicht nachvollziehen; diese enthalte einen logischen Bruch, denn die Kommission verneine die Anreizwirkung, ohne dies jedoch anhand der von ihr selbst aufgestellten Kriterien zu überprüfen. Nach den Leitlinien sei die Anreizwirkung gegeben, wenn der Beihilfeantrag vor der Realisierung des Vorhabens gestellt werde, was hier der Fall sei. Dass die Kommission dies nicht erwähne, stelle über die unrichtige Tatsachenfeststellung hinaus einen Begründungsmangel dar.

21 Ferner habe sich die Kommission nicht mit der vom Gericht in seiner Rechtsprechung ausdrücklich angesprochenen Möglichkeit der Änderung einer bereits gewährten und genehmigten Beihilfe auseinandergesetzt, denn sie setze in ihrer Entscheidung voraus, dass es sich um ein weiteres Investitionsvorhaben handele, für das eine neue Beihilfe begehrt werde. Daraus folge, dass die Entscheidung unzureichend begründet sei.

22 Die Kommission beantragt, den von der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeitsgrund zurückzuweisen.

Würdigung durch das Gericht

23 Aus der Formulierung und dem Inhalt des Vorbringens, auf das die Klägerin die beiden im Rahmen des Klagegrundes einer Verletzung von Art. 253 EG vorgetragenen Rügen stützt, geht hervor, dass diese Rügen genau genommen nicht eine fehlende oder unzureichende Begründung, die eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne von Art. 230 EG darstellt, zum Gegenstand haben. Die fraglichen Rügen überschneiden sich in Wirklichkeit mit dem Vorbringen, das sich gegen die Begründetheit der Entscheidung und damit die materielle Rechtmäßigkeit dieser Handlung richtet, die u. a. deshalb rechtswidrig sein soll, weil die Kommission insbesondere durch eine fehlerhafte Bewertung der Anreizwirkung und der Notwendigkeit der streitigen Beihilfe Art. 87 EG und die Leitlinien verletzt und einen Ermessensmissbrauch begangen habe.

24 Insoweit ist es symptomatisch, dass der Vorwurf, die Kommission habe das Datum der Stellung des ersten Beihilfeantrags und die vom Gericht anerkannte Möglichkeit, eine bereits gewährte und genehmigte Beihilfe zu ändern, nicht berücksichtigt, in der Argumentation, mit der die Klägerin die fehlerhafte Würdigung der Anreizwirkung und der Notwendigkeit der streitigen Beihilfe und einen Ermessensmissbrauch dartun will, ausdrücklich wiederholt wird.

25 Jedenfalls ist festzustellen, dass die Begründung der Entscheidung den Anforderungen des Art. 253 EG nach dessen Auslegung durch die Rechtsprechung entspricht.

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