Urteile nº T-12/03 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, April 30, 2009

Resolution DateApril 30, 2009
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-12/03

In der Rechtssache T-12/03

Itochu Corp. mit Sitz in Tokyo (Japan), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Y. Shibasaki, G. van Gerven und T. Franchoo,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten zunächst durch P. Hellström und O. Beynet, dann durch F. Castillo de la Torre und O. Beynet als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage auf Nichtigerklärung der Art. 1, 3 und 5 der Entscheidung 2003/675/EG der Kommission vom 30. Oktober 2002 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (COMP/35.587 - PO Video Games, COMP/35.706 - PO Nintendo Distribution und COMP/36.321 - Omega - Nintendo) (ABl. 2003, L 255, S. 33), soweit sie die Klägerin betreffen, oder, hilfsweise, Herabsetzung der gegen sie festgesetzten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro sowie der Richter S. Papasavvas und N. Wahl (Berichterstatter),

Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2008

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

  1. Beteiligte Unternehmen

    1 Die Nintendo Co., Ltd (im Folgenden: NCL oder Nintendo), eine an der Börse notierte Gesellschaft mit Sitz in Kyoto (Japan), steht an der Spitze der Nintendo-Unternehmensgruppe, die auf die Herstellung und den Vertrieb von Konsolen für Videospiele und von Spielkassetten für diese Konsolen spezialisiert ist.

    2 Nintendos Geschäftstätigkeit im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) wird in manchen Gebieten von ihr zu 100 % gehörenden Tochtergesellschaften betrieben, unter denen die wichtigste die Nintendo of Europe GmbH (im Folgenden: NOE oder Nintendo) ist. Zur Zeit der fraglichen Vorgänge koordinierte NOE bestimmte Geschäftstätigkeiten von Nintendo in Europa und war ihre Alleinvertriebshändlerin in Deutschland.

    3 In anderen Absatzgebieten hatte Nintendo unabhängige Alleinvertriebshändler eingesetzt. So wurde die The Games Ltd, ein Geschäftsbereich der John Menzies Distribution Ltd, die wiederum als Tochtergesellschaft zu 100 % der John Menzies plc gehört, von Nintendo im August 1995 als Alleinvertriebshändlerin für das Vereinigte Königreich und Irland eingesetzt und blieb dies mindestens bis zum 31. Dezember 1997.

    4 Die Itochu Hellas EPE, die als Tochtergesellschaft zu 100 % direkt oder indirekt der Klägerin, der in Japan ansässigen Itochu Corp., oder deren Tochtergesellschaften (darunter Itochu Europe) gehört, war vom 14. Mai 1991 bis 28. Februar 1997 unabhängige Alleinvertriebshändlerin von Nintendo für Griechenland.

  2. Verwaltungsverfahren

    Untersuchung im Bereich der Videospielindustrie (Sache IV/35.587 - PO Videospiele)

    5 Im März 1995 leitete die Kommission eine Untersuchung ein, die die Videospielindustrie betraf (Sache IV/35.587 - PO Videospiele). Im Rahmen dieser Untersuchung richtete die Kommission am 26. Juni und 19. September 1995 gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), an Nintendo Auskunftsverlangen, um Informationen u. a. über ihre Vertriebshändler und Tochtergesellschaften, die mit diesen förmlich geschlossenen Vertriebsverträge und ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen einzuholen. NOE antwortete auf diese Auskunftsverlangen mit Schreiben vom 31. Juli und 26. September 1995.

    Ergänzende Untersuchung speziell zum Vertriebssystem von Nintendo (Sache IV/35.706 - PO Nintendo-Vertrieb)

    6 Als Ergebnis ihrer vorläufigen Feststellungen leitete die Kommission im September 1995 eine ergänzende Untersuchung speziell zum Vertriebssystem von Nintendo (Sache IV/35.706 - PO Nintendo-Vertrieb) ein.

    7 Im Rahmen dieser Untersuchung richtete die Kommission an Nintendo am 9. Oktober 1995 ein Auskunftsverlangen. Es fanden mehrere Zusammenkünfte von Vertretern Nintendos und der Kommission statt, deren Thema die Vertriebspolitik von Nintendo war. Nintendo legte außerdem verschiedene Versionen der Verträge vor, die sie mit bestimmten ihrer Vertriebshändler geschlossen hatte.

    Untersuchung infolge der Beschwerde der Omega Electro BV (Sache IV/36.321 - Omega - Nintendo)

    8 Am 26. November 1996 reichte die Omega Electro BV, eine im Bereich der Einfuhr und des Verkaufs von elektronischen Spielen tätige Gesellschaft, gemäß Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 17 eine Beschwerde ein, die im Wesentlichen den Vertrieb von Nintendo-Spielkassetten und -konsolen betraf und zu deren Begründung insbesondere geltend gemacht wurde, dass Nintendo in den Niederlanden den Parallelhandel behindere und ein System festgelegter Wiederverkaufspreise praktiziere. Auf diese Beschwerde hin erweiterte die Kommission ihre Untersuchung (Sache IV/36.321 - Omega - Nintendo). Am 7. März 1997 sandte sie ein Auskunftsverlangen an Nintendo und an John Menzies. In ihrem Antwortschreiben vom 16. Mai 1997 räumte Nintendo ein, dass bestimmte ihrer Vertriebsverträge und ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen Beschränkungen des Parallelhandels innerhalb des EWR enthielten. Im Oktober 1997 richtete die Kommission an John Menzies ein weiteres Auskunftsverlangen, das diese mit einem Schreiben vom 1. Dezember 1997 beantwortete, in dem sie verschiedene Angaben zu der streitigen Vereinbarung machte.

    9 Mit Schreiben vom 23. Dezember 1997 teilte Nintendo der Kommission mit, ihr sei -ein schwerwiegendes Problem in Bezug auf den Parallelhandel innerhalb der Gemeinschaft- bekannt geworden, und gab ihrem Wunsch Ausdruck, mit der Kommission zusammenzuarbeiten.

    10 Am 13. Januar 1998 machte John Menzies weitere Angaben. Am 21. Januar, 1. April und 15. Mai 1998 übermittelte Nintendo der Kommission Hunderte von Schriftstücken. Am 15. Dezember 1998 fand eine Zusammenkunft zwischen der Kommission und Vertretern von Nintendo statt, in der die Frage einer etwaigen Entschädigung der durch die streitige Absprache geschädigten Dritten angesprochen wurde.

    11 Nach ihrem Geständnis ergriff Nintendo ferner Maßnahmen, die die künftige Einhaltung des Gemeinschaftsrechts gewährleisten sollten, und leistete an die durch ihr Handeln finanziell geschädigten Dritten Ausgleichszahlungen.

    12 Mit Schreiben vom 9. Juni 1999 forderte die Kommission Itochu Hellas dazu auf, ihr mitzuteilen, ob die zu den Akten genommenen Unterlagen, soweit sie sie betrafen, vertrauliche Angaben enthielten. In diesem Schreiben wurde auch darauf hingewiesen, dass die Kommission die Eröffnung eines förmlichen Verfahrens gegen verschiedene Unternehmen, darunter Itochu Hellas, beabsichtige.

    13 Am 26. April 2000 sandte die Kommission an Nintendo und die anderen betroffenen Unternehmen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte wegen Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen). Nintendo und die übrigen betroffenen Unternehmen gaben zu den Beschwerdepunkten der Kommission schriftliche Stellungnahmen ab, in denen Nintendo und einige andere dieser Unternehmen die Anwendung der Mitteilung der Kommission vom 18. Juli 1996 über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) beantragten. Keine der Beteiligten beantragte eine förmliche Anhörung. Der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegte Sachverhalt wurde von Nintendo nicht bestritten.

    14 Im Namen von Itochu und Itochu Hellas wurde am 28. Juli 2000 bei der Kommission eine Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte eingereicht. Darin wurde u. a. geltend gemacht, Itochu sei in dem Verfahren außer Betracht zu lassen, da sie über die Geschäftstätigkeit von Itochu Hellas keinerlei Kontrolle habe.

    15 Am 31. Oktober 2001 ersuchte die Kommission Itochu Europe u. a. um Angaben zu den Satzungen und der internen Funktionsweise von Itochu Hellas und Itochu Europe. Im Namen der beiden Gesellschaften wurde der Kommission mit Schreiben vom 26. November 2001 geantwortet. Mit Schreiben vom 9. September 2002 richtete die Kommission an Itochu ein Auskunftsverlangen, das insbesondere deren Jahresbericht betraf. Darauf wurde mit Schreiben vom 27. September 2002 geantwortet.

  3. Die streitige Entscheidung

    16 Am 30. Oktober 2002 erließ die Kommission die Entscheidung 2003/675/EG in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (COMP/35.587 - PO Video Games, COMP/35.706 - PO Nintendo Distribution und COMP/36.321 - Omega - Nintendo) (ABl. 2003, L 255, S. 33, im Folgenden: Entscheidung). Die Entscheidung wurde Itochu am 11. November 2002 zugestellt.

    17 Die Entscheidung enthält insbesondere folgende Bestimmungen:

    -Artikel 1

    Die nachstehenden Unternehmen haben gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen verstoßen, indem sie in den erwähnten Zeiträumen an einer Reihe von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen auf den Märkten für Spielkonsolen und für mit Nintendo-Konsolen kompatiblen Spielkassetten beteiligt waren, wodurch die Parallelausfuhren von Nintendo-Spielkonsolen und -Spielkassetten eingeschränkt werden sollten und tatsächlich eingeschränkt wurden.

    -

    - Itochu - vom 16. Dezember 1991 bis 28. Februar 1997,

    -

    Artikel 3

    Gegen die in Artikel 1 genannten Unternehmen werden wegen der darin festgestellten Zuwiderhandlung folgende Geldbußen festgesetzt:

    -

    - Itochu - eine Geldbuße von 4,5 Mio. EUR,

    -

    Artikel 5

    Die Entscheidung ist gerichtet an:

    -

    - Itochu -

    --

    18 Für die Berechnung der Geldbußen folgte die Kommission in der Entscheidung der Methode, die festgelegt ist in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien). Wegen des vertikalen Charakters des Verstoßes wandte sie hingegen nicht die Mitteilung über Zusammenarbeit an.

    19 In einem ersten Schritt setzte die Kommission den Grundbetrag der...

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