Urteile nº T-48/04 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, June 19, 2009

Resolution DateJune 19, 2009
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-48/04

In der Rechtssache T-48/04

Qualcomm Wireless Business Solutions Europe BV mit Sitz in Waarle (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt G. Berrisch und D. Hull, Solicitor,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, zunächst vertreten durch K. Mojzesowicz und A. Whelan, dann durch K. Mojzesowicz und X. Lewis als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Bundesrepublik Deutschland, zunächst vertreten durch C.-D. Quassowski und S. Flockermann als Bevollmächtigte, dann durch M. Lumma als Bevollmächtigten im Beistand der Rechtsanwälte U. Karpenstein und A. Rosenfeld,

sowie durch

Deutsche Telekom AG mit Sitz in Bonn (Deutschland),

Daimler AG, vormals DaimlerChrysler AG, mit Sitz in Stuttgart (Deutschland),

und

Daimler Financial Services AG, vormals DaimlerChrysler Services AG, mit Sitz in Berlin (Deutschland),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. Schütze und A. von Graevenitz,

Streithelferinnen,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/792/EG der Kommission vom 30. April 2003 zur Erklärung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen (Sache Nr. COMP/M.2903 - DaimlerChrysler/Deutsche Telekom/JV) (ABl. L 300, S. 62)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi (Berichterstatter), der Richterin E. Cremona und des Richters S. Frimodt Nielsen,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juli 2008

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

1 Nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (berichtigte Fassung, ABl. 1990, L 257, S. 13) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 (ABl. L 180, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Fusionskontrollverordnung) sind Zusammenschlüsse, die keine beherrschende Stellung begründen oder verstärken, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären.

2 Nach Art. 8 Abs. 2 dieser Verordnung trifft die Kommission, wenn sie feststellt, dass ein Zusammenschluss gegebenenfalls nach entsprechenden Änderungen durch die beteiligten Unternehmen den Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 entspricht, eine Entscheidung, mit der der Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wird. Diese Entscheidung kann mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden, um sicherzustellen, dass die beteiligten Unternehmen den Verpflichtungen nachkommen, die sie gegenüber der Kommission hinsichtlich einer mit dem Gemeinsamen Markt zu vereinbarenden Gestaltung des Zusammenschlusses eingegangen sind. Die Entscheidung, mit der der Zusammenschluss für vereinbar erklärt wird, erstreckt sich auch auf die mit seiner Durchführung unmittelbar verbundenen und für sie notwendigen Einschränkungen.

3 Gemäß Art. 20 Abs. 1 der Verordnung veröffentlicht die Kommission die nach Artikel 8 Abs. 2 bis 5 erlassenen Entscheidungen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften.

Sachverhalt

4 Die Klägerin, die Qualcomm Wireless Business Solutions Europe BV (im Folgenden: Qualcomm), bietet in Europa ein satellitengestütztes Flottenmanagementsystem für Lastkraftwagen mit der Bezeichnung -EutelTRACS- an. Über ein Satellitennetz sammelt sie die von den Lkw übertragenen Informationen, etwa Positionsdaten, Informationen über den Motor sowie Mitteilungen der Fahrer, und übermittelt sie dem Verbindungsbüro für diese Lkw, das Kunde von Qualcomm ist. Außerdem übermittelt sie Nachrichten der Verbindungsbüros an die Lkw-Fahrer. Für diese Zwecke liefert sie die notwendige Ausrüstung und Dienstleistungsinfrastruktur. Sie ist auch in der Herstellung der Ausrüstung und der Entwicklung der für den Betrieb des Systems notwendigen Software tätig.

5 Im Jahr 2002 führte das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen für die deutsche Bundesregierung eine öffentliche Ausschreibung für die Errichtung und den Betrieb eines Systems zur automatischen und manuellen Erhebung von Maut, die von Lkw mit einem Gewicht von zwölf Tonnen oder mehr (im Folgenden: Lkw), die die Bundesautobahnen nutzen, zu entrichten ist. Die Verwendung einer bestimmten Technologie wurde in der Ausschreibung nicht verlangt.

6 Der Zuschlag wurde einem Konsortium erteilt, das aus der DaimlerChrysler Services AG, der Deutschen Telekom AG und der Compagnie financière et industrielle des autoroutes SA (Cofiroute) (im Folgenden zusammen: am Zusammenschluss beteiligte Unternehmen) bestand.

7 Die Daimler Financial Services AG, vormals DaimlerChrysler Services AG, ist eine Tochtergesellschaft der Daimler AG, vormals DaimlerChrysler AG, die im Finanzdienstleistungsbereich und Mobilitätsmanagement tätig ist. Ihre Tätigkeiten umfassen ein Flottenmanagement für alle Fahrzeugmarken von Daimler. Daimler ist in der Entwicklung, der Herstellung und dem Vertrieb von Pkw, Lkw, Bussen und Dieselmotoren tätig.

8 Die Deutsche Telekom ist ein Telekommunikationsunternehmen, das u. a. Mobilfunkdienste in Europa anbietet.

9 Cofiroute ist ein Unternehmen, das im Bereich der Erhebung von Autobahnmaut tätig ist.

10 Das aus diesen Unternehmen gebildete Konsortium gründete anschließend die Toll Collect GmbH, um das System zur Erhebung der Lkw-Maut auf Bundesautobahnen auszuarbeiten und zu betreiben.

11 Toll Collect entwickelte infolgedessen eine Telematiklösung für die automatische Mauterhebung. Sie besteht darin, dass sogenannte Onboard-Units in die Lkw eingebaut werden, für die eine automatische Mauterhebung gewünscht wird. Diese Onboard-Units arbeiten mit einem GPS (Global Positioning System)-Empfänger und einen GSM (Global System for Mobile Communications)-Sender. Der GPS-Empfänger ermittelt die aktuelle Position des Lkw, die in die Onboard-Unit eingegeben wird. Diese Daten werden danach über den GSM-Sender zwischen der Onboard-Unit und einer Zentrale für Anwendungsdienstleistungen ausgetauscht. Die Zentrale verarbeitet die Daten, d. h., sie errechnet anhand der ermittelten Position und des benutzten Autobahnabschnitts die zu zahlende Maut und stellt sie dem Eigentümer oder Nutzer des Lkw in Rechnung. Die Onboard-Unit wird den Transportunternehmen von Toll Collect gegen eine Kaution in Form eines Mautguthabens kostenlos überlassen. Der Eigentümer oder Nutzer des Lkw trägt jedoch die Kosten für den Einbau der Onboard-Unit. Neben der automatischen Mauterhebung können die Onboard-Units von Toll Collect für weitere Telematikdienste verwendet werden, u. a. solche, die ein ferngesteuertes Management von Fahrzeugen erlauben. Die Verwendung der Onboard-Units von Toll Collect durch einen anderen Anbieter zur Erbringung von Telematikdiensten ist jedoch erst möglich, wenn die Bundesrepublik Deutschland als öffentlicher Auftraggeber eine solche Verwendung zugelassen hat.

12 Am 11. November 2002 meldeten DaimlerChrysler Services und die Deutsche Telekom bei der Kommission gemäß Art. 4 der Fusionskontrollverordnung ein Zusammenschlussvorhaben an, das die Übernahme der gemeinsamen Kontrolle über Toll Collect durch Kauf von Anteilen vorsah.

13 Auf diese Anmeldung hin leitete die Kommission die erste Phase des Verfahrens zur Kontrolle des Zusammenschlusses ein. In dieser ersten Phase übermittelten ihr die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen einen ersten Vorschlag für Zusagen. Dieser Vorschlag wurde den Marktteilnehmern, darunter Qualcomm, zur Stellungnahme vorgelegt.

14 In einer Entscheidung vom 20. Dezember 2002 vertrat die Kommission die Auffassung, dass der Zusammenschluss hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt und dem Funktionieren des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftraum (EWR) Anlass zu ernsthaften Bedenken gebe, und leitete gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Fusionskontrollverordnung die zweite Phase des Verfahrens ein.

15 Mit Schreiben vom 28. Februar 2003 sandte die Kommission den anmeldenden Unternehmen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der sie ihnen mitteilte, dass der erste Zusagenvorschlag nicht genüge, um die aus dem angemeldeten Zusammenschluss resultierenden Wettbewerbsprobleme zu lösen.

16 Am 11. März 2003 unterbreiteten die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen der Kommission einen zweiten Zusagenvorschlag.

17 Am 19. und 20. März 2003 führte die Kommission eine Anhörung durch, an der Qualcomm teilnahm. In dieser Anhörung erklärte sie u. a., dass der zweite Zusagenvorschlag nicht genüge, um die durch den angemeldeten Zusammenschluss entstehenden Wettbewerbsprobleme zu lösen.

18 Am 3. April 2003 unterbreiteten die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen der Kommission einen dritten und letzten Zusagenvorschlag.

19 Mit Entscheidung 2003/792/EG vom 30. April 2003 erklärte die Kommission den Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen vereinbar (Sache Nr. COMP/M.2903 - DaimlerChrysler/Deutsche Telekom/JV) (ABl. L 300, S. 62, im Folgenden: angefochtene Entscheidung), unter der Bedingung der vollständigen Erfüllung der von den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen abgegebenen Zusagen.

20 In der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass der Zusammenschluss auf dem durch ihn betroffenen Markt, d. h. dem deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme - einschließlich Hardware, Software und Dienste - für Transport- und Logistikunternehmen, wettbewerbsrechtliche Probleme aufwerfe, weil die von Toll Collect zu schaffende Infrastruktur für die Mauterhebung von den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen für die Erbringung sonstiger Telematikdienste genutzt werden könne. Diese Nutzung der Infrastruktur von Toll Collect für die Erbringung von Verkehrstelematikdiensten werde es DaimlerChrysler erlauben, über Toll Collect eine beherrschende Stellung auf dem deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme zu erlangen, durch die wirksamer...

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