Urteile nº T-671/14 of Tribunal General de la Unión Europea, September 12, 2017

Resolution DateSeptember 12, 2017
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-671/14

In der Rechtssache T-671/14

Bayerische Motoren Werke AG mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Rosenthal, G. Drauz und M. Schütte,

Klägerin,

unterstützt durch

Freistaat Sachsen (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt T. Lübbig und Rechtsanwältin K. Gaf‌lner,

Streithelfer,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch F. Erlbacher, T. Maxian Rusche und R. Sauer, dann durch T. Maxian Rusche und R. Sauer als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage gemäf‌l Art. 263 AEUV auf teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses C(2014) 4531 final der Kommission vom 9. Juli 2014 über die staatliche Beihilfe SA.32009 (2011/C) (ex 2010/N), die die Bundesrepublik Deutschland zugunsten von BMW für ein grof‌les Investitionsvorhaben in Leipzig gewähren will,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich, des Richters J. Schwarcz (Berichterstatter) und der Richterin V. Tomljenović,

Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. September 2016

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Die Klägerin, die Bayerische Motoren Werke AG, ist die Muttergesellschaft der BMW Group (im Folgenden: BMW), die insbesondere in der Herstellung von Kraftfahrzeugen und Krafträdern der Marken BMW, MINI und Rolls-Royce tätig ist.

2 Am 30. November 2010 meldete die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem [Binnenmarkt] in Anwendung der Artikel [107 und 108 AEUV] (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) (ABl. 2008, L 214, S. 3) eine Beihilfe von nominal 49 Mio. Euro an, die sie nach dem Investitionszulagengesetz 2010 vom 7. Dezember 2008 in geänderter Fassung (BGBl. 2008 I S. 2350, im Folgenden: IZG) für die Errichtung einer Produktionsanlage von BMW zur Herstellung des Elektrofahrzeugs i3 und des Plug-In-Hybridfahrzeugs i8 in Leipzig (Deutschland) gemäf‌l den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007-2013 (ABl. 2006, C 54, S. 13, im Folgenden: Leitlinien) zu gewähren beabsichtigte. In der Anmeldung waren Investitionskosten von 392 Mio. Euro (abgezinst 368,01 Mio. Euro) und eine Beihilfeintensität von 12,5 % angegeben. Die tatsächliche Zahlung der Beihilfe stand unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Europäische Kommission.

3 Nachdem die Kommission bestimmte zusätzliche Informationen eingeholt hatte, beschloss sie am 13. Juli 2011, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zu eröffnen, und erhielt daraufhin hierzu eine Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland. Am 13. Dezember 2011 wurde der Beschluss mit dem Titel „Staatliche Beihilfen - Deutschland - Staatliche Beihilfe SA.32009 (11/C) (ex 10/N) - Grof‌les Investitionsvorhaben - Beihilfe für BMW Leipzig - Aufforderung zur Stellungnahme nach Artikel 108 Absatz 2 AEUV“ im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (ABl. 2011, C 363, S. 20). Mit Schreiben vom 3. Februar 2012 teilte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland mit, dass bei ihr keine Stellungnahmen Dritter eingegangen seien.

4 Am 17. Januar 2012 änderten die deutschen Behörden die ursprüngliche Anmeldung dahin ab, dass sie nunmehr eine Beihilfe für ein weiteres Investitionselement enthielt. Der Beihilfeempfänger traf diese Investitionsentscheidung, nachdem der Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens ergangen war. In diesem Zusammenhang übermittelte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission auf deren Bitte einige Erläuterungen. Mit Schreiben vom 5. August 2013 unterrichtete die Bundesrepublik Deutschland die Kommission ferner von weiteren, die Reduzierung des Betrags und der Intensität der Beihilfe betreffenden Änderungen des Beihilfevorhabens.

5 Am 9. Juli 2014 erlief‌l die Kommission den Beschluss C(2014) 4531 final über die staatliche Beihilfe SA.32009 (2011/C) (ex 2010/N) (im Folgenden: angefochtener Beschluss). Dessen Art. 1 lautet:

„Die staatliche Beihilfe in Höhe von 45 257 273 [Euro], die [die Bundesrepublik] Deutschland der [Klägerin] für die Investition in Leipzig gewähren will, ist nur dann mit dem Binnenmarkt vereinbar, wenn sie auf den Betrag von 17 Mio. [Euro] beschränkt bleibt (zu Preisen von 2009); der darüber hinausgehende Betrag (28 257 273 [Euro]) ist mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

Die Beihilfe darf daher nur bis zu dem Betrag von 17 Mio. [Euro] gewährt werden.“

6 Zur Begründung des angefochtenen Beschlusses ist zunächst festzustellen, dass die Kommission in dessen 113. Erwägungsgrund festgestellt hat, mit der Anmeldung der geplanten Beihilfemaf‌lnahme vor ihrer Durchführung sei die Bundesrepublik Deutschland ihren Verpflichtungen nach Art. 108 Abs. 3 AEUV und der Einzelanmeldepflicht nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 nachgekommen. In den Erwägungsgründen 114 bis 123 des Beschlusses hat die Kommission sodann u. a. erklärt, sie gehe nach den Leitlinien vor, insbesondere nach deren Abschnitt 4.3 („Beihilfen für grof‌le Investitionsvorhaben“), sowie nach ihrer Mitteilung betreffend die Kriterien für die eingehende Prüfung staatlicher Beihilfen mit regionaler Zielsetzung zur Förderung grof‌ler Investitionsvorhaben (ABl. 2009, C 223, S. 3, im Folgenden: Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei grof‌len Investitionsvorhaben). In diesem Zusammenhang hat die Kommission nach der Feststellung, dass Fn. 65 der Leitlinien, die die Schaffung eines neuen Produktmarkts betreffe, in dieser Sache nicht greife, eine Beurteilung gemäf‌l Punkt 68 Buchst. a und b der Leitlinien vorgenommen, um festzustellen, ob die dort vorgesehenen Schwellenwerte überschritten würden und sie daher eine eingehende Prüfung der angemeldeten Beihilfe durchzuführen hatte. Dabei sah sie sich veranlasst, anhand der von der Bundesrepublik Deutschland erhaltenen Informationen zu beurteilen, ob der Beihilfeempfänger über einen Anteil von mehr als 25 % an dem sachlich und räumlich relevanten Markt verfügen würde. Die Kommission hat ausgeführt, wenn sich diese Märkte nicht schlüssig abgrenzen lief‌len, werde sie prüfen, ob der Beihilfeempfänger auf mindestens einem der plausiblen Märkte über einen derartigen Marktanteil verfüge. Im Übrigen sei zu betonen, dass solch eine eingehende Prüfung, falls sie tatsächlich erfolge, in keiner Weise der Bewertung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt vorgreife.

7 Speziell zur Bestimmung der sachlich relevanten Märkte hat die Kommission erstens in den Erwägungsgründen 124 bis 127 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen angegeben, sie habe „Zweifel“, ob Elektro- und Hybridfahrzeuge zum allgemeinen Markt für konventionelle Fahrzeuge gehörten. Zweitens hat sie in den Erwägungsgründen 128 bis 132 des angefochtenen Beschlusses hervorgehoben, dass die Marktbestimmung in Bezug auf die rein elektrisch angetriebenen i3-Fahrzeuge (Battery Electric Vehicles) besonders bedeutsam sei, da die eingehende Prüfung schon dann durchzuführen sei, wenn dieses Modell auf mindestens einem der plausiblen Märkte die maf‌lgeblichen Schwellenwerte überschreite, ohne dass sie sich dann noch mit der Bestimmung des relevanten Marktes für die i8-Fahrzeuge mit Plug-In-Hybridantrieb (Plug-In Hybrid Electric Vehicles) befassen müsste. Sie könne aber nicht mit Sicherheit zu dem Schluss gelangen, dass diese Fahrzeuge zu den Segmenten C oder D des konventionellen Marktes nach der „Klassifikation von IHS Global Insight“ gehörten. Drittens hat die Kommission in den Erwägungsgründen 133 und 134 des angefochtenen Beschlusses auch Vorbehalte dazu geäuf‌lert, ob das kombinierte Elektroautosegment C/D der relevante Markt sei. Nach der Feststellung, dass plausible Produktmärkte das niedrigste Niveau beinhalten sollten, für das statistische Daten verfügbar seien, hat sie nämlich betont, dass sie die besondere Situation berücksichtigen müsse, die sich möglicherweise ergeben könne, nämlich die beherrschende Stellung des Empfängers einer Beihilfe in nur einem der Segmente C oder D des Elektroautomarkts.

8 In Bezug auf den räumlich relevanten Markt hat die Kommission in den Erwägungsgründen 135 bis 140 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen ausgeführt, dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, dass der Weltmarkt als der relevante Markt für Elektroautos festzulegen sei, fehle es an hinreichend ausführlichen Angaben zu den in der Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. 1997, C 372, S. 5) beschriebenen Faktoren. Auf der Grundlage der eingereichten Informationen könne sie daher nicht zweifelsfrei ausschlief‌len, dass der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) den räumlich relevanten Markt für Elektro- oder Hybridautos darstelle.

9 Vor diesem Hintergrund hat die Kommission in den Erwägungsgründen 141 bis 154 des angefochtenen Beschlusses geprüft, welche Marktanteile die Klägerin als Beihilfeempfängerin theoretisch auf bestimmten potenziellen Märkten erhalten würde. Dabei ist sie zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei grof‌len Investitionsvorhaben anwendbar sei. In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 156. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass sie gemäf‌l dem Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission (T-304/08, EU:T:2012:351), aufgerufen sei, eine eingehende Beurteilung in allen Fällen vorzunehmen, in denen die positiven Auswirkungen einer Regionalbeihilfe nicht offenkundig ihre möglichen negativen Auswirkungen überwögen, selbst wenn die Schwellenwerte nach Punkt 68 der Leitlinien nicht überschritten würden. Zuvor war die Kommission im 155. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Schluss gelangt, dass der Nachweis dafür, dass eine „nennenswerte Wettbewerbsverzerrung“ nicht gegeben sei, nicht...

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