Urteile nº T-189/08 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, March 18, 2010

Resolution DateMarch 18, 2010
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-189/08

In der Rechtssache T‑189/08

Forum 187 ASBL, mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: A. Sutton und G. Forwood, Barristers,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch N. Khan und C. Urraca Caviedes als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2008/283/EG der Kommission vom 13. November 2007 über die von Belgien geschaffene Beihilferegelung zugunsten der in Belgien niedergelassenen Koordinierungszentren und zur Änderung der Entscheidung 2003/757/EG (ABl. 2008, L 90, S. 7), soweit sie für die vom Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2006, Belgien und Forum 187/Kommission (C‑182/03 und C‑217/03, Slg. 2006, I‑5479), betroffenen Koordinierungszentren keine angemessenen in die Zukunft wirkenden Übergangsfristen vorsieht,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro sowie der Richter S. Papasavvas (Berichterstatter) und A. Dittrich,

Kanzler: K. Pocheć, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2009

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Die belgische Steuerregelung für Koordinierungszentren, die vom allgemeinen Steuerrecht abweicht, findet sich in dem wiederholt ergänzten und geänderten Königlichen Erlass Nr. 187 vom 30. Dezember 1982 über die Errichtung von Koordinierungszentren (Belgisches Staatsblatt vom 13. Januar 1983, S. 502).

2 Diese Regelung findet nur Anwendung, wenn das Koordinierungszentrum durch Königlichen Erlass die vorherige Einzelzulassung erhalten hat. Hierfür ist erforderlich, dass das Zentrum zu einer multinationalen Gruppe gehört, die über Eigenkapital und Rücklagen in Höhe von mindestens 1 Milliarde BEF verfügt und einen konsolidierten Jahresumsatz von mindestens 10 Milliarden BEF erzielt. Erlaubt sind nur bestimmte vorbereitende, unterstützende oder Zentralisierungstätigkeiten, und Unternehmen des Finanzsektors können die Regelung nicht in Anspruch nehmen. Die Koordinierungszentren müssen in Belgien zwei Jahre nach Aufnahme der Tätigkeit mindestens das Äquivalent von zehn Vollzeitarbeitskräften beschäftigen.

3 Die Zulassung als Zentrum gilt für zehn Jahre und kann um weitere zehn Jahre verlängert werden.

4 Die Steuerregelung für Koordinierungszentren wurde bei ihrer Einführung von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften geprüft. Insbesondere in den Entscheidungen, die am 16. Mai 1984 und am 9. März 1987 in Form von Schreiben mitgeteilt worden waren, hatte die Kommission im Wesentlichen festgestellt, dass eine derartige Regelung, die auf einem System der pauschalen Ermittlung der Einkünfte der Koordinierungszentren fuße, kein Beihilfeelement enthalte.

5 Nachdem die Kommission am 11. November 1998 eine Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmens[be]steuerung (ABl. C 384, S. 3) erlassen hatte, unterzog sie das Steuerrecht der Mitgliedstaaten einer allgemeinen Prüfung anhand der Vorschriften über staatliche Beihilfen.

6 In diesem Rahmen ersuchte die Kommission die belgischen Behörden am 12. Februar 1999 um bestimmte Auskünfte u. a. zur Regelung für die Koordinierungszentren. Sie antworteten im März 1999.

7 Im Juli 2000 teilten die Dienststellen der Kommission diesen Behörden mit, dass die betreffende Regelung vermutlich eine staatliche Beihilfe darstelle. Sie leiteten das Verfahren der Zusammenarbeit nach Art. 17 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) ein, indem sie den belgischen Behörden Gelegenheit gaben, innerhalb einer Frist von einem Monat Stellung zu nehmen.

8 Am 11. Juli 2001 beschloss die Kommission auf der Grundlage des Art. 88 Abs. 1 EG vier Vorschläge für zweckdienliche Maßnahmen, die sich u. a. auf die Regelung für die Koordinierungszentren bezogen. Sie schlug den belgischen Behörden vor, einer gewissen Anzahl von Änderungen dieser Regelung zuzustimmen und gleichzeitig übergangsweise zu bestimmen, dass die vor der Zustimmung zu diesen Maßnahmen zugelassenen Zentren bis zum 31. Dezember 2005 weiter die alte Regelung in Anspruch nehmen könnten.

9 In Ermangelung einer Zustimmung der belgischen Behörden zu den vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen leitete die Kommission durch eine mit Schreiben vom 27. Februar 2002 zugestellte Entscheidung (ABl. C 147, S. 2) gemäß Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 das förmliche Prüfverfahren ein. Sie forderte das Königreich Belgien insbesondere auf, Stellung zu nehmen und alle der Beurteilung der fraglichen Maßnahme dienlichen Informationen zu liefern. Ferner forderte sie Belgien und betroffene Dritte zur Stellungnahme und zur Erteilung aller dienlichen Hinweise zu der Frage auf, ob die durch die betreffende Regelung Begünstigten ein berechtigtes Vertrauen hätten, das den Erlass von Übergangsmaßnahmen gebiete.

10 Am 13. September 2002 erhob die Klägerin eine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten (Rechtssache T‑276/02).

11 Zum Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens erließ die Kommission am 17. Februar 2003 die Entscheidung 2003/757/EG über die Beihilferegelung, die Belgien zugunsten von Koordinierungsstellen mit Sitz in Belgien durchgeführt hat (ABl. L 282, S. 25, im Folgenden: Entscheidung von 2003).

12 Die Art. 1 und 2 der Entscheidung von 2003 lauten:

„Artikel 1

Die gegenwärtig in Belgien geltende Steuerregelung zugunsten der Koordinierungsstellen, die gemäß de[m] Königlichen [Erlass] Nr. 187 genehmigt sind, stellt eine Beihilferegelung dar, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist.

Artikel 2

Belgien hebt die in Artikel 1 bezeichnete Beihilferegelung auf oder gestaltet sie so um, dass sie mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist.

Ab dem Datum der Bekanntgabe der vorliegenden Entscheidung darf der aus dieser Regelung insgesamt oder aus Teilen der Regelung rührende Vorteil nicht mehr zugunsten neuer Empfänger gewährt oder durch die Verlängerung geltender Genehmigungen beibehalten werden.

In Bezug auf vor dem 31. Dezember 2000 genehmigte Stellen darf die Regelung bis zum Ablauf der zum Datum der Bekanntgabe der vorliegenden Entscheidung geltenden Einzelgenehmigung, jedoch längstens bis zum 31. Dezember 2010 beibehalten werden. Gemäß zweiter Unterabsatz darf im Fall der Verlängerung der Genehmigung vor diesem Datum der Vorteil aus der Regelung, die Gegenstand der vorliegenden Entscheidung ist, nicht mehr gewährt werden, auch nicht vorübergehend.“

13 Bereits am 6. März 2003 wandte sich das Königreich Belgien mit dem Antrag, „das Nötige zu tun, damit die Koordinierungszentren, deren Zulassung nach dem 17. Februar 2003 abläuft, bis zum 31. Dezember 2005 verlängert werden können“, gleichzeitig an die Kommission und an den Rat. Der Antrag wurde am 20. März 2003 und am 26. Mai 2003 auf der Grundlage des Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG erneuert.

14 Am 25. und 28. April 2003 legten Belgien und die Forum 187 genannte Vereinigung der Koordinierungszentren Rechtsbehelfe beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ein, um die Aussetzung und teilweise oder vollständige Nichtigerklärung der Entscheidung von 2003 zu erwirken (Rechtssachen C‑182/03 und T‑140/03, später C‑217/03; Rechtssachen C‑182/03 R und T‑140/03 R, später C‑217/03 R).

15 Mit Beschluss vom 2. Juni 2003, Forum 187/Kommission (T‑276/02, Slg. 2003, II‑2075), hat das Gericht die Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten, als unzulässig abgewiesen.

16 Mit Beschluss vom 26. Juni 2003, Belgien und Forum 187/Kommission (C‑182/03 R und C‑217/03 R, Slg. 2003, I‑6887, im Folgenden: Beschluss Forum 187) ordnete der Präsident des Gerichtshofs an, dass der Vollzug der Entscheidung von 2003 ausgesetzt wird, soweit sie dem Königreich Belgien untersagt, die zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe geltenden Zulassungen von Koordinierungszentren zu verlängern.

17 Im Einklang mit dem Beschluss Forum 187 verlängerten die belgischen Behörden die Zulassungen der Koordinierungszentren, die zwischen dem 17. Februar 2003 und dem 31. Dezember 2005 abliefen. Mit Ausnahme von vier Zentren, deren Zulassung für einen unbefristeten Zeitraum verlängert wurde, liefen diese Verlängerungen bei allen Zentren bis zum 31. Dezember 2005.

18 Mit der auf der Grundlage des Art. 88 Abs. 2 EG erlassenen Entscheidung 2003/531/EG des Rates vom 16. Juli 2003 über die Gewährung einer Beihilfe zugunsten bestimmter in Belgien niedergelassener Koordinierungszentren durch die belgische Regierung (ABl. L 184, S. 17) wurde „die Beihilfe, die Belgien bis zum 31. Dezember 2005 Unternehmen gewähren [wollte], die am 31. Dezember 2000 eine zwischen dem 17. Februar 2003 und dem 31. Dezember 2005 ablaufende Zulassung als Koordinierungszentrum gemäß dem Königlichen Erlass Nr. 187 … besaßen“, für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt. Am 24. September 2003 erhob die Kommission Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung (Rechtssache C‑399/03).

19 Am 22. Juni 2006 erklärte der Gerichtshof die Entscheidung von 2003 teilweise für nichtig, soweit sie keine Übergangsmaßnahmen in Bezug auf die Koordinierungszentren vorsah, deren Antrag auf Verlängerung der Zulassung zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung noch nicht beschieden war oder deren Zulassung zu diesem Zeitpunkt oder kurz danach ablief (Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2006, Belgien und Forum 187/Kommission, C‑182/03 und C‑217/03, Slg. 2006, I‑5479, im Folgenden: Urteil Forum 187). Am selben Tag erklärte der Gerichtshof mit dem Urteil Kommission/Rat (C‑399/03, Slg. 2006, I‑5629) auch die Entscheidung 2003/531 für nichtig.

20 Mit Schreiben vom 4. Juli 2006 forderte die Kommission die belgischen Behörden auf, innerhalb von 20 Werktagen bestimmte Angaben zu machen, um das weitere Vorgehen nach Maßgabe des Urteils Forum 187 festzulegen.

21 Am 27. Dezember 2006 verabschiedete das Königreich Belgien...

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