Urteile nº T-118/20 of Tribunal General de la Unión Europea, December 16, 2020

Resolution DateDecember 16, 2020
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-118/20

„Unionsmarke - Anmeldung einer dreidimensionalen Unionsmarke - Form einer Verpackung - Absolutes Eintragungshindernis - Fehlende Unterscheidungskraft - Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001

In der Rechtssache T-118/20,

Voco GmbH mit Sitz in Cuxhaven (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Spintig und S. Pietzcker,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch R. Cottrell und A. Söder als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des EUIPO vom 4. Dezember 2019 (Sache R 978/2019-5) über die Anmeldung eines dreidimensionalen Zeichens in Form einer Verpackung als Unionsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tomljenović (Berichterstatterin) sowie der Richterin P. Škvařilová-Pelzl und des Richters I. Nõmm,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 21. Februar 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 11. Mai 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäfl Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Am 19. September 2018 meldete die Klägerin, die Voco GmbH, nach der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2 Dabei handelt es sich um folgendes dreidimensionales Zeichen:

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3 Die Marke wurde für folgende Waren in den Klassen 5 und 16 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

- Klasse 5: „Zahnmedizinische Präparate und Erzeugnisse“;

- Klasse 16: „Verpackungsmaterialien; Blisterpäckchen für Verpackungszwecke“.

4 Mit Entscheidung vom 8. März 2019 wies der Prüfer die Anmeldung gemäfl Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 für sämtliche oben in Rn. 3 genannten Waren zurück.

5 Am 7. Mai 2019 legte die Klägerin gegen die Entscheidung des Prüfers beim EUIPO eine Beschwerde gemäfl den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 ein.

6 Mit Entscheidung vom 4. Dezember 2019 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Sie war im Wesentlichen der Ansicht, die angemeldete Marke sei nicht unterscheidungskräftig im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001.

7 Insbesondere stellte sie erstens fest, die von der Anmeldemarke erfassten Waren richteten sich entweder an ein Fachpublikum im Dentalbereich, dessen Aufmerksamkeitsgrad hoch sei, oder an Fachleute und an die allgemeine Öffentlichkeit, deren Aufmerksamkeitsgrad durchschnittlich bis hoch sei.

8 Zweitens sei die von der Klägerin angeführte sechseckige Grundform des Anmeldezeichens ein unregelmäfliges langgezogenes Sechseck, das sehr einem Rechteck ähnele. Dadurch weiche die Grundform nicht wesentlich von den auf dem Dentalmarkt üblichen Verpackungen ab, wie den vom Prüfer angeführten und nachstehend abgebildeten Beispielen zu entnehmen sei. Die weiteren reliefartigen Formen des Anmeldezeichens - die Linien und die Kreise - hätten funktionalen Charakter, der von den Fachleuten im Dentalbereich, die von den von diesem Zeichen erfassten Waren angesprochen würden, erkannt würden. Diese Kombination von Grundformen mit funktionalem und allenfalls dekorativem Charakter weise kein Merkmal auf, welches es dem Verbraucher ermöglichen würde, den betrieblichen Ursprung der Ware zu bestimmen.

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9 Drittens wies die Beschwerdekammer das Argument der Klägerin, sie sei die einzige, die das Anmeldezeichen benutze, als nicht zielführend zurück. Es sei nicht notwendig oder vorausgesetzt, dass das Zeichen bereits auf dem Markt verwendet werde, um ihm die Unterscheidungskraft absprechen zu können.

10 Viertens änderten die unterschiedlichen Verpackungsformen auf dem betreffenden Markt nichts an der Tatsache, dass es im Dentalsektor Verpackungen gebe, die sich nicht wesentlich von der dreidimensionalen Form des Anmeldezeichens unterschieden. Ebenso wies sie die von der Klägerin angeführten früheren Eintragungen als unerheblich zurück; sie sei an frühere und möglicherweise fehlerhafte Entscheidungen nicht gebunden.

Anträge der Parteien

11 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

- dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

12 Das EUIPO beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

13 Die Klägerin stützt ihre Klage auf einen einzigen Klagegrund, nämlich einen Verstofl gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001.

14 Als Erstes macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe in der angefochtenen Entscheidung auf die „Waren in Klasse 10“ verwiesen, obwohl sich die Anmeldemarke auf die Waren in den Klassen 5 und 16 beziehe; dadurch habe sie den Grundsatz verletzt, wonach die Unterscheidungskraft einer Marke u. a. im Hinblick auf die Anschauung der maflgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen sei, die sich aus den Verbrauchern der in Rede stehenden Waren zusammensetzten. Es liege nicht lediglich ein Schreibfehler vor; die Beschwerdekammer differenziere in den Kernabsätzen ihrer Begründung weder zwischen den unterschiedlichen in Rede stehenden Waren noch zwischen den unterschiedlichen Arten von Verbrauchern dieser Waren in Klasse 16.

15 Als Zweites beanstandet die Klägerin die Feststellung der Beschwerdekammer, die Form des Anmeldezeichens weiche nicht wesentlich von anderen Verpackungsformen auf dem Dentalmarkt ab. Erstens - so die Klägerin -, seien die vom Prüfer vorgelegten Beispiele Schalen mit hohen Rändern bzw. Seiten, die einen rechteckigen, leicht abgerundeten Umriss aufwiesen. Dieser habe nichts mit dem flachen Sechseck des Anmeldezeichens gemein.

16 Zweitens hätten die reliefartigen Formen des Anmeldezeichens keinen ausschliefllich funktionalen Charakter. Es sei ungewöhnlich, dass sich Pasten und flüssige Materialien in solchen reliefartigen Produkten befänden. Somit seien nicht nur die flache sechseckige Form, sondern auch die reliefartigen Elemente ungewöhnlich und geeignet, die Erinnerung des Verbrauchers leicht zu prägen.

17 Drittens werde ihr Argument, dass die angemeldete Form einen ganz erheblichen Abstand zu üblichen Gestaltungen im Dentalbereich aufweise, dadurch bestätigt, dass die Beschwerdekammer keine andere dem Anmeldezeichen ähnliche Form auf dem Dentalmarkt habe ermitteln können.

18 Als Drittes weist die Klägerin darauf hin, dass sie aus Dritteintragungen keinen Eintragungsanspruch für die Anmeldemarke herleite. Jedoch habe das EUIPO seine früheren Entscheidungen zu berücksichtigen und besonderes Augenmerk auf die Frage zu richten, ob im gleichen Sinne zu entscheiden sei oder nicht. Den von der Klägerin herangezogenen Drittzeichen komme eine Indizwirkung dahin zu, dass die angemeldete Form hinreichend unterscheidungskräftig sei.

19 Das EUIPO weist die Argumente der Klägerin zurück und beantragt, den einzigen Klagegrund zurückzuweisen.

20 Zum klägerischen Vortrag hinsichtlich der maflgeblichen Verkehrskreise trägt das EUIPO vor, die Nennung der Klasse 10 anstatt der Klasse 16 sei ein offensichtlicher Tippfehler; aus der angefochtenen Entscheidung gehe klar hervor, dass sich die Beschwerdekammer auf die von der Anmeldemarke erfassten Waren bezogen habe. Weiterhin reiche es für die Zurückweisung der Eintragung eines Zeichens als Marke aus, dass die fehlende Unterscheidungskraft für einen Teil der Verbraucher bejaht werde.

21 Was die Beurteilung der Unterscheidungskraft der Anmeldemarke betreffe, so habe die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass sich die der Anmeldemarke entsprechende Verpackung in die Form der üblicherweise für Dentalpasten und -flüssigkeiten verwendeten Verpackungen einreihe, die als rein technisch bedingt betrachtet werden könne, so dass sie nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft verstanden werde.

22 Was im Einzelnen die äuflere Form der Verpackung betreffe, habe die Beschwerdekammer auf die vom Prüfer angeführten Beispiele verwiesen und dargelegt, dass sich die Grundform des Anmeldezeichens, die einem Rechteck ähnlich sei, nicht wesentlich von anderen im Dentalbereich verwendeten Verpackungsformen unterscheide. Auf das Argument der Klägerin, dass sich die Formen aus diesen Beispielen von der beanspruchten Form unterschieden, erwidert das EUIPO, die Beschwerdekammer habe diese Beispiele nur für die äuflere Form hinzugezogen.

23 Gemäfl Art. 4 der Verordnung 2017/1001 kann die Form oder Verpackung einer Ware eine Unionsmarke sein, soweit sie geeignet ist, Waren eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

24 Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.

25 Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne dieser Vorschrift, dass die Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteile vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C-398/08 P, EU:C:2010:29‚ Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. Mai 2015, Voss of Norway/HABM, C-445/13 P, EU:C:2015:303, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26 Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf ihre Wahrnehmung...

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