BX v Unitatea Administrativ Teritorială D.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2021:893
Docket NumberC-909/19
Date28 October 2021
Celex Number62019CJ0909
Procedure TypeReference for a preliminary ruling
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)

28. Oktober 2021(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer – Richtlinie 2003/88/EG – Arbeitszeitgestaltung – Art. 2 Nrn. 1 und 2 – Begriffe ‚Arbeitszeit‘ und ‚Ruhezeit‘ – Verpflichtende berufliche Fortbildung, die auf Veranlassung des Arbeitgebers absolviert wird“

In der Rechtssache C‑909/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Iaşi (Berufungsgericht Iaşi, Rumänien) mit Entscheidung vom 3. Dezember 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Dezember 2019, in dem Verfahren

BX

gegen

Unitatea Administrativ Teritorială D.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer C. Lycourgos (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zehnten Kammer sowie der Richter I. Jarukaitis und M. Ilešič,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane, A. Wellman und A. Rotăreanu als Bevollmächtigte,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Nicolae und M. van Beek als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1 Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nrn. 1 und 2 sowie der Art. 3, 5 und 6 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9) sowie von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen BX und der Unitatea Administrativ Teritorială D. (Gebietskörperschaft D., Rumänien) (im Folgenden: Verwaltung der Gemeinde D.) über das Arbeitsentgelt von BX für Zeiten der beruflichen Fortbildung, die er im Rahmen seines Arbeitsvertrags absolviert hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3 Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 sieht vor:

„Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.“

4 Art. 2 dieser Richtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie sind:

1. Arbeitszeit: jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt;

2. Ruhezeit: jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit;

…“

5 Art. 13 der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (ABl. 2019, L 186, S. 105) sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Arbeitnehmern Fortbildung kostenlos angeboten wird, als Arbeitszeit angerechnet wird und möglichst während der Arbeitszeiten stattfindet, wenn der Arbeitgeber aufgrund von Rechtsvorschriften der Union oder nationalen Rechtsvorschriften oder Kollektiv- bzw. Tarifverträgen verpflichtet ist, den Arbeitnehmern Fortbildung im Hinblick auf die Arbeit anzubieten, die sie ausüben.“

Rumänisches Recht

6 Art. 111 des Codul muncii (Arbeitsgesetzbuch) bestimmt:

„Arbeitszeit ist jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den Bestimmungen seines Arbeitsvertrags, des anwendbaren Tarifvertrags und/oder der geltenden Rechtsvorschriften arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt.“

7 Nach Art. 112 Abs. 1 des Arbeitsgesetzbuchs beträgt die Regelarbeitszeit für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer 40 Stunden pro Woche und acht Stunden pro Tag.

8 Art. 120 des Arbeitsgesetzbuchs, der die Legaldefinition und die Bedingungen der Mehrarbeit betrifft, sieht vor:

„(1) Die Arbeit, die außerhalb der in Art. 112 vorgesehenen wöchentlichen Regelarbeitszeit geleistet wird, gilt als Mehrarbeit.

(2) Mehrarbeit darf nicht ohne Zustimmung des Arbeitnehmers geleistet werden, außer in Fällen höherer Gewalt oder bei dringenden Aufgaben zur Verhütung von Unfällen oder zur Beseitigung der Folgen eines Unfalls.“

9 Art. 196 des Arbeitsgesetzbuchs, der die berufliche Fortbildung regelt, bestimmt:

„(1) Die Teilnahme an der beruflichen Fortbildung kann auf Veranlassung des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers erfolgen.

(2) Die konkreten Modalitäten der beruflichen Fortbildung, die Rechte und Pflichten der Parteien, die Dauer der beruflichen Fortbildung sowie alle sonstigen damit zusammenhängenden Fragen einschließlich der vertraglichen Verpflichtungen des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, der die Kosten der beruflichen Fortbildung getragen hat, werden von den Parteien im gegenseitigen Einvernehmen festgelegt und sind Gegenstand von Zusatzvereinbarungen zu den Arbeitsverträgen.“

10 Art. 197 des Arbeitsgesetzbuchs, der die Kosten der beruflichen Fortbildung und die Rechte des Arbeitnehmers betrifft, lautet:

„(1) Erfolgt die Teilnahme an den Kursen oder Praktika der beruflichen Fortbildung auf Veranlassung des Arbeitgebers, so trägt er alle durch die Teilnahme entstehenden Kosten.

(2) Während der Teilnahme an den Kursen oder Praktika der beruflichen Fortbildung gemäß Abs. 1 hat der Arbeitnehmer für die gesamte Dauer der beruflichen Fortbildung Anspruch auf das volle Arbeitsentgelt.

(3) Der Zeitraum der Teilnahme an den Kursen oder Praktika der beruflichen Fortbildung gemäß Abs. 1 wird dem Arbeitnehmer auf sein Dienstalter für seine Stelle angerechnet und gilt als Beitragszeit zum staatlichen System der sozialen Sicherheit.“

11 Gemäß Art. 2 Abs. 1 des Ordin nr. 96 pentru aprobarea Criteriilor de performanță privind constituirea, încadrarea și dotarea serviciilor voluntare și a serviciilor private pentru situații de urgență (Erlass Nr. 96 zur Genehmigung der Leistungskriterien in Bezug auf die Errichtung, Einstufung und Ausstattung der freiwilligen Dienste und der privaten Dienste für Notfälle) vom 14. Juni 2016 (Monitorul Oficial al României Nr. 469 vom 23. Juni 2016) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Erlass Nr. 96/2016) müssen die örtlichen Verwaltungsbehörden, die Leiter von Wirtschaftsteilnehmern/Einrichtungen, die verpflichtet sind, je nach Fall freiwillige Dienste oder private Dienste für Notfälle einzurichten, sowie die Leiter privater Dienste für Notfälle, die als dienstleistende Gesellschaften errichtet worden sind, die Anwendung dieses Erlasses gewährleisten.

12 Art. 9 Abs. 1 Buchst. j der mit dem Erlass Nr. 96/2016 genehmigten Leistungskriterien für die Errichtung, Einstufung und Ausstattung der freiwilligen Dienste und der privaten Dienste für Notfälle (im Folgenden: Leistungskriterien) sieht vor:

„Für die Abgabe einer förmlichen Stellungnahme zur Errichtung des freiwilligen Dienstes oder des privaten Dienstes sind, je nach Fall, folgende Unterlagen vorzulegen:

j) Bescheinigungen über die besondere berufliche Qualifikation oder die besonderen beruflichen Fähigkeiten;

…“

13 Gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Leistungskriterien zählt die Stelle des Dienstleiters zu den besonderen Stellen der freiwilligen...

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