European Commission v Republic of Slovenia.

JurisdictionEuropean Union
ECLIECLI:EU:C:2024:237
Date14 March 2024
Docket NumberC-457/22
Celex Number62022CJ0457
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

14. März 2024(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 258 AEUV – Richtlinie (EU) 2018/1972 – Europäischer Kodex für die elektronische Kommunikation – Nichtumsetzung und unterbliebene Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen – Art. 260 Abs. 3 AEUV – Antrag auf Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags und eines Zwangsgelds – Kriterien für die Festsetzung der Höhe der Sanktion – Teilweise Antragsrücknahme“

In der Rechtssache C‑457/22

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV und Art. 260 Abs. 3 AEUV, eingereicht am 8. Juli 2022,

Europäische Kommission, vertreten durch M. Kocjan, U. Małecka, L. Malferrari und E. Manhaeve als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Republik Slowenien, vertreten durch T. Mihelič Žitko als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters J.‑C. Bonichot in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, des Richters S. Rodin und der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin),

Generalanwältin: T. Ćapeta,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1 Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission,

– festzustellen, dass die Republik Slowenien dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 124 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (ABl. 2018, L 321, S. 36) verstoßen hat, dass sie nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen, oder sie jedenfalls der Kommission nicht mitgeteilt hat,

– die Republik Slowenien nach Art. 260 Abs. 3 AEUV zur Zahlung eines Zwangsgelds in Höhe von 6 256,17 Euro je Tag ab dem Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache zu verurteilen, da sie gegen ihre Verpflichtung zur Mitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung der genannten Richtlinie verstoßen hat,

– die Republik Slowenien nach Art. 260 Abs. 3 AEUV zur Zahlung eines Pauschalbetrags in Höhe von 1 390,77 Euro je Tag multipliziert mit der Anzahl der Tage, an denen der unter dem ersten Gedankenstrich beschriebene Verstoß fortdauert, mindestens jedoch in Höhe von 383 000 Euro zu verurteilen, sowie

– der Republik Slowenien die Kosten aufzuerlegen.

Rechtlicher Rahmen

2 In den Erwägungsgründen 2 und 3 der Richtlinie 2018/1972 wird ausgeführt:

„(2) Die Funktionsweise der fünf Richtlinien, die Teil des geltenden Rechtsrahmens für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste sind … wird regelmäßig von der Kommission überprüft, um insbesondere festzustellen, ob diese Richtlinien angesichts der Technologie- und Marktentwicklung geändert werden müssen.


(3) In ihrer Mitteilung vom 6. Mai 2015 mit einer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt in Europa stellte die Kommission fest, dass der Schwerpunkt ihrer Überprüfung des Rechtsrahmens für die Telekommunikation auf Maßnahmen zur Schaffung von Anreizen für Investitionen in Hochgeschwindigkeitsbreitbandnetze, für ein kohärenteres Binnenmarktkonzept für die Funkfrequenzpolitik und Funkfrequenzverwaltung, geeignete Rahmenbedingungen für einen echten Binnenmarkt durch Beseitigung der Unterschiede zwischen den nationalen Einzelregelungen, Gewährleistung eines wirksamen Verbraucherschutzes, gleiche Ausgangsbedingungen für alle Marktteilnehmer und eine einheitliche Anwendung der Bestimmungen sowie zur Bereitstellung eines wirksameren institutionellen Rechtsrahmen liegen würde.“

3 In Art. 1 („Gegenstand, Anwendungsbereich und Ziel“) dieser Richtlinie heißt es:

„(1) Mit dieser Richtlinie wird ein harmonisierter Rahmen für die Regulierung elektronischer Kommunikationsnetze, elektronischer Kommunikationsdienste, zugehöriger Einrichtungen und zugehöriger Dienste sowie bestimmter Aspekte der Endeinrichtungen errichtet. Sie legt die Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörden und gegebenenfalls der anderen zuständigen Behörden sowie eine Reihe von Verfahren fest, die unionsweit die harmonisierte Anwendung des Rechtsrahmens gewährleisten.

(2) Die Ziele dieser Richtlinie sind,

a) die Errichtung eines Binnenmarkts für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste, der den Ausbau und die Nutzung von Netzen mit sehr hoher Kapazität bewirkt, einen nachhaltigen Wettbewerb und die Interoperabilität der elektronischen Kommunikationsdienste sowie die Zugänglichkeit und die Sicherheit von Netzen und Diensten gewährleistet und die Interessen der Endnutzer fördert; und

b) die Bereitstellung unionsweiter hochwertiger, erschwinglicher, öffentlich zugänglicher Dienste durch wirksamen Wettbewerb und Angebotsvielfalt zu gewährleisten und die Fälle zu regeln, in denen die Bedürfnisse von Endnutzern – einschließlich Nutzern mit Behinderungen im Hinblick darauf, dass sie in gleicher Weise wie andere Zugang zu den Diensten haben – durch den Markt nicht ausreichend befriedigt werden können, sowie die notwendigen Endnutzerrechte festzulegen.

…“

4 Art. 124 („Umsetzung“) Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis zum 21. Dezember 2020 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.

Die Mitgliedstaaten wenden diese Vorschriften ab dem 21. Dezember 2020 an.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. In diese Vorschriften fügen sie die Erklärung ein, dass Bezugnahmen in den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf die durch diese Richtlinie [aufgehobenen] Richtlinien als Bezugnahmen auf diese Richtlinie gelten. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme und die Formulierung dieser Erklärung.“

Vorverfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

5 Da die Republik Slowenien keine Informationen über den Erlass der zur Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 in slowenisches Recht erforderlichen Vorschriften gemäß Art. 124 dieser Richtlinie übermittelt hatte, übersandte die Kommission ihr am 4. Februar 2021 ein Aufforderungsschreiben.

6 Nachdem die slowenischen Behörden eine Verlängerung der Frist für die Beantwortung dieses Aufforderungsschreibens beantragt und erhalten hatten, antworteten sie am 4. Juni 2021 und wiesen dabei insbesondere darauf hin, dass die Richtlinie 2018/1972 der Umsetzung durch ein Gesetz bedürfe, das spätestens im Dezember 2021 bekannt gemacht und der Kommission mitgeteilt werden solle (im Folgenden: Umsetzungsgesetz).

7 Am 23. September 2021 richtete die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Republik Slowenien. Am 5. November 2021 beantragten die slowenischen Behörden eine Verlängerung der Frist für die Beantwortung der mit Gründen versehenen Stellungnahme und teilten der Kommission mit, dass ein Zwischenfall während des internen Gesetzgebungsverfahrens die Annahme des Gesetzes verzögert habe, das nun im März 2022 bekannt gemacht und mitgeteilt werden solle.

8 Die Kommission gab diesem Antrag statt und verlängerte die Frist bis zum 23. Februar 2022.

9 In ihrem Antwortschreiben vom 18. Februar 2022 auf die mit Gründen versehene Stellungnahme gaben die slowenischen Behörden an, dass unvorhergesehene Umstände zu einer weiteren Verzögerung bei der Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 geführt hätten. Insbesondere teilten sie mit, dass nunmehr der Entwurf des Umsetzungsgesetzes im April 2022 verabschiedet und im Anschluss daran das Gesetz bekannt gemacht und der Kommission mitgeteilt werden solle. Darüber hinaus übermittelten die slowenischen Behörden am 18. März 2022 eine Tabelle mit Entsprechungen zwischen den Vorschriften des Gesetzentwurfs und bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2018/1972. Am 25. März 2022 nahm die Kommission zu dem Gesetzentwurf Stellung.

10 Da sie der Ansicht war, dass die Republik Slowenien nicht die Vorschriften angenommen habe, die erforderlich seien, um der Richtlinie 2018/1972 nachzukommen, entschied sie am 6. April 2022, beim Gerichtshof die vorliegende Klage zu erheben.

11 Am 12. April 2022 teilten die slowenischen Behörden der Kommission mit, dass die Abstimmung über den Entwurf des Umsetzungsgesetzes aufgrund des Antrags einer Gruppe von Abgeordneten, ein konsultatives Referendum über diesen Entwurf abzuhalten, ausgesetzt worden sei.

12 Am 14. Juni 2022 unterrichteten die slowenischen Behörden die Kommission über den Fortgang der Umsetzung der Richtlinie 2018/1972. Sie gaben insbesondere an, dass infolge des Beginns der neuen Legislaturperiode alle in der abgelaufenen Legislaturperiode eingeleiteten Gesetzgebungsverfahren, einschließlich desjenigen über den Entwurf des Umsetzungsgesetzes, eingestellt worden seien, dass ein neuer Entwurf eines Umsetzungsgesetzes vorgelegt worden sei und dass kein Referendum darüber abgehalten worden sei und auch nicht abgehalten werde. Ein Zeitplan für die Annahme dieses neuen Gesetzentwurfs wurde von den slowenischen Behörden nicht mitgeteilt.

13 Am 8. Juli 2022 hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

14 Die Republik Slowenien beantragt, den Betrag der von der Kommission beantragten finanziellen Sanktionen herabzusetzen, hilfsweise, das Klagebegehren der Kommission in vollem Umfang zurückzuweisen.

15 In ihrer Gegenerwiderung vom 19. Dezember 2022 hat die Republik Slowenien dem Gerichtshof mitgeteilt, dass das Umsetzungsgesetz am 28. September 2022 verabschiedet worden sei, dass sie die Kommission am selben Tag davon in Kenntnis gesetzt habe und dass das Gesetz am 10. November 2022 in Kraft getreten sei.

16 Am 19. Dezember 2022 ist das schriftliche Verfahren in der vorliegenden Rechtssache abgeschlossen worden.

17 Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2023 hat die...

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