Verein für Konsumenteninformation v Sofatutor GmbH.
Jurisdiction | European Union |
ECLI | ECLI:EU:C:2023:735 |
Date | 05 October 2023 |
Docket Number | C-565/22 |
Celex Number | 62022CJ0565 |
Court | Court of Justice (European Union) |
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)
5. Oktober 2023 ( *1 )
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Richtlinie 2011/83/EU – Verbraucherrechte – Abonnement eines Verbrauchers auf einer Lernplattform – Automatische Verlängerung des Vertrags – Widerrufsrecht“
In der Rechtssache C‑565/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 20. Juli 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 26. August 2022, in dem Verfahren
Verein für Konsumenteninformation
gegen
Sofatutor GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin) sowie der Richter F. Biltgen und J. Passer,
Generalanwalt: A. M. Collins,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– |
des Vereins für Konsumenteninformation, vertreten durch Rechtsanwalt S. Langer, |
– |
der Sofatutor GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Görg, |
– |
der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und A. Hanje als Bevollmächtigte, |
– |
der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Rubene und E. Schmidt als Bevollmächtigte, |
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 |
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64). |
2 |
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Verein für Konsumenteninformation (Österreich) (im Folgenden: VKI) und der Sofatutor GmbH, einer Gesellschaft deutschen Rechts, wegen des Antrags des VKI, dieser Gesellschaft aufzugeben, die Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und die Vorgangsweise für die Ausübung ihres Rechts auf Widerruf eines im Fernabsatz geschlossenen Vertrags zu informieren. |
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 |
Der 37. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83 lautet: „Da der Verbraucher im Versandhandel die Waren nicht sehen kann, bevor er den Vertrag abschließt, sollte ihm ein Widerrufsrecht zustehen. Aus demselben Grunde sollte dem Verbraucher gestattet werden, die Waren, die er gekauft hat, zu prüfen und zu untersuchen, um die Beschaffenheit, die Eigenschaften und die Funktionsweise der Waren festzustellen. Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen sollte dem Verbraucher aufgrund des möglichen Überraschungsmoments und/oder psychologischen Drucks das Recht auf Widerruf zustehen. Der Widerruf des Vertrags sollte die Verpflichtung der Parteien beenden, den Vertrag zu erfüllen.“ |
4 |
Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) Nr. 7 dieser Richtlinie definiert den „Fernabsatzvertrag“ wie folgt: „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke …
|
5 |
Art. 4 („Grad der Harmonisierung“) der Richtlinie lautet: „Sofern diese Richtlinie nichts anderes bestimmt, erhalten die Mitgliedstaaten weder von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichende innerstaatliche Rechtsvorschriften aufrecht noch führen sie solche ein; dies gilt auch für strengere oder weniger strenge Rechtsvorschriften zur Gewährleistung eines anderen Verbraucherschutzniveaus.“ |
6 |
Art. 6 („Informationspflichten bei Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“) Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor: „Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes: …
…
…
…“ |
7 |
Art. 8 („Formale Anforderungen bei Fernabsatzverträgen“) der Richtlinie 2011/83 bestimmt: „(1) Bei Fernabsatzverträgen erteilt der Unternehmer die in Artikel 6 Absatz 1 vorgeschriebenen Informationen dem Verbraucher in klarer und verständlicher Sprache in einer den benutzten Fernkommunikationsmitteln angepassten Weise bzw. stellt diese Informationen entsprechend zur Verfügung. Soweit diese Informationen auf einem dauerhaften Datenträger bereitgestellt werden, müssen sie lesbar sein. (2) Wenn ein auf elektronischem Wege geschlossener Fernabsatzvertrag den Verbraucher zur Zahlung verpflichtet, weist der Unternehmer den Verbraucher klar und in hervorgehobener Weise, und unmittelbar bevor dieser seine Bestellung tätigt, auf die in Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a, e, o und p genannten Informationen hin. Der Unternehmer sorgt dafür, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung verbunden ist. Wenn der Bestellvorgang die Aktivierung einer Schaltfläche oder eine ähnliche Funktion umfasst, ist diese Schaltfläche oder entsprechende Funktion gut lesbar ausschließlich mit den Worten ‚zahlungspflichtig bestellen‘ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung zu kennzeichnen, die den Verbraucher darauf hinweist, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer verbunden ist. Wenn der Unternehmer diesen Unterabsatz nicht einhält, ist der Verbraucher durch den Vertrag oder die Bestellung nicht gebunden. … (8) Möchte ein Verbraucher, dass die Dienstleistung oder die Lieferung von Wasser, Gas oder Strom, wenn sie nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge zum Verkauf angeboten werden, oder von Fernwärme während der Widerrufsfrist gemäß Artikel 9 Absatz 2 beginnt, so fordert der Unternehmer den Verbraucher dazu auf, ein entsprechendes ausdrückliches Verlangen zu erklären. …“ |
8 |
In Art. 9 („Widerrufsrecht“) dieser Richtlinie heißt es: „(1) Sofern nicht eine der Ausnahmen gemäß Artikel 16 Anwendung findet, steht dem Verbraucher eine Frist von 14 Tagen zu, in der er einen Fernabsatz- oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag ohne Angabe von Gründen und ohne andere Kosten als in Artikel 13 Absatz 2 und Artikel 14 vorgesehen widerrufen kann. (2) Unbeschadet des Artikels 10 endet die in Absatz 1 dieses Artikels vorgesehene Widerrufsfrist
…
(3) Die Mitgliedstaaten verbieten den Vertragsparteien eine Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen während der Widerrufsfrist nicht. …“ |
9 |
Art. 10 („Nichtaufklärung über das Widerrufsrecht“) dieser Richtlinie sieht vor: „(1) Hat der Unternehmer den Verbraucher nicht gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe h über sein Widerrufsrecht belehrt, so läuft die Widerrufsfrist 12 Monate nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist gemäß Artikel 9 Absatz 2 ab. (2) Hat der Unternehmer dem Verbraucher die in Absatz 1 genannten Informationen binnen 12 Monaten ab dem in Artikel 9 Absatz 2 genannten Tag erteilt, so endet die Widerrufsfrist 14 Tage nach dem Tag, an dem der Verbraucher diese Informationen erhalten hat.“ |
10 |
Art. 11 („Ausübung des Widerrufsrechts“) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt: „Der Verbraucher informiert den Unternehmer vor Ablauf der Widerrufsfrist über seinen Entschluss, den Vertrag zu widerrufen. Der Verbraucher kann zu diesem Zweck entweder
…“ |
11 |
Art. 12 („Wirkungen des Widerrufs“) der Richtlinie 2011/83 lautet: „Mit der Ausübung des Widerrufsrechts enden die Verpflichtungen der Vertragsparteien
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