XXX v Randstad Empleo ETT, SAU and Others.

JurisdictionEuropean Union
Celex Number62022CJ0649
ECLIECLI:EU:C:2024:156
Date22 February 2024
Docket NumberC-649/22
CourtCourt of Justice (European Union)

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

22. Februar 2024(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 2008/104/EG – Leiharbeit – Art. 5 Abs. 1 – Grundsatz der Gleichbehandlung – Art. 3 Abs. 1 Buchst. f – Begriff ‚wesentliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer‘ – Begriff ‚Arbeitsentgelt‘ – Entschädigung wegen der infolge eines Arbeitsunfalls während der Überlassung eingetretenen dauerhaften vollständigen Unfähigkeit eines Leiharbeitnehmers, seinen gewöhnlichen Beruf auszuüben“

In der Rechtssache C‑649/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia del País Vasco (Obergericht des Baskenlands, Spanien) mit Entscheidung vom 27. September 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Oktober 2022, in dem Verfahren

XXX

gegen

Randstad Empleo ETT SAU,

Serveo Servicios SAU, vormals Ferrovial Servicios SA,

Axa Seguros Generales SA de Seguros y Reaseguros

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Richters P. G. Xuereb in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie des Richters A. Kumin (Berichterstatter) und der Richterin I. Ziemele,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der spanischen Regierung, vertreten durch M. Morales Puerta als Bevollmächtigte,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Galindo Martín und D. Recchia als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), von Art. 2 EUV sowie von Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. 2008, L 327, S. 9).

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen XXX, einem Leiharbeitnehmer, und der Randstad Empleo ETT SAU (im Folgenden: Randstad Empleo), einer Gesellschaft, mit der er einen Leiharbeitsvertrag schloss, der Serveo Servicios SAU, vormals Ferrovial Servicios SA (im Folgenden: Serveo Servicios), einem entleihenden Unternehmen, an das er überlassen wurde, und der Versicherungsgesellschaft Axa Seguros Generales SA de Seguros y Reaseguros (im Folgenden: Axa) über die Höhe der Entschädigung, auf die XXX wegen der infolge eines Arbeitsunfalls während der Überlassung in dem entleihenden Unternehmen eingetretenen dauerhaften vollständigen Unfähigkeit, seinen gewöhnlichen Beruf auszuüben, die zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses geführt hat, Anspruch hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 91/383/EWG

3 Der vierte Erwägungsgrund der Richtlinie 91/383/EWG des Rates vom 25. Juni 1991 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis (ABl. 1991, L 206, S. 19) hat folgenden Wortlaut:

„Untersuchungen haben gezeigt, dass Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis in einigen Bereichen generell in höherem Maße als andere Beschäftigte der Gefahr von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ausgesetzt sind.“

4 Art. 1 („Anwendungsbereich“) der Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt für

2. Leiharbeitsverhältnisse zwischen einem Leiharbeitsunternehmen als Arbeitgeber einerseits und einem Arbeitnehmer andererseits, wobei Letzterer zur Verfügung gestellt wird, um für und unter der Kontrolle eines entleihenden Unternehmens und/oder einer entleihenden Einrichtung zu arbeiten.“

5 Art. 2 („Zweck“) dieser Richtlinie sieht vor:

„(1) Ziel dieser Richtlinie ist es sicherzustellen, dass Arbeitnehmer mit einem Arbeitsverhältnis im Sinne des Artikels 1 im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz das gleiche Schutzniveau wie die anderen Arbeitnehmer des entleihenden Unternehmens und/oder der entleihenden Einrichtung genießen.

(2) Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Artikels 1 darf in Bezug auf die Arbeitsbedingungen nicht zu einer Ungleichbehandlung führen, soweit es sich um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und insbesondere um die Inanspruchnahme individueller Schutzeinrichtungen handelt.

…“

6 Art. 8 („Leiharbeitsverhältnisse: Verantwortung“) dieser Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Vorkehrungen, damit

1. unbeschadet der durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegten Verantwortung des Leiharbeitsunternehmens das entleihende Unternehmen und/oder die entleihende Einrichtung während der Dauer des Arbeitsauftrags für die Bedingungen der Arbeitsausführung verantwortlich ist;

2. für die Anwendung der Nummer 1 die Bedingungen für die Arbeitsausführung ausschließlich diejenigen umfassen, die mit der Sicherheit, der Hygiene und dem Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zusammenhängen.“

Richtlinie 2008/104

7 In den Erwägungsgründen 1, 10 bis 13 und 15 bis 17 der Richtlinie 2008/104 heißt es:

„(1) Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und befolgt die in der [Charta] anerkannten Prinzipien. Sie soll insbesondere die uneingeschränkte Einhaltung von Artikel 31 der Charta gewährleisten, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen … hat.

(10) In Bezug auf die Inanspruchnahme der Leiharbeit sowie die rechtliche Stellung, den Status und die Arbeitsbedingungen der Leiharbeitnehmer lassen sich innerhalb der Union große Unterschiede feststellen.

(11) Die Leiharbeit entspricht nicht nur dem Flexibilitätsbedarf der Unternehmen, sondern auch dem Bedürfnis der Arbeitnehmer, Beruf und Privatleben zu vereinbaren. Sie trägt somit zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Teilnahme am und zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt bei.

(12) Die vorliegende Richtlinie legt einen diskriminierungsfreien, transparenten und verhältnismäßigen Rahmen zum Schutz der Leiharbeitnehmer fest und wahrt gleichzeitig die Vielfalt der Arbeitsmärkte und der Arbeitsbeziehungen.

(13) Die Richtlinie [91/383] enthält die für Leiharbeitnehmer geltenden Bestimmungen im Bereich von Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.

(15) Unbefristete Arbeitsverträge sind die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses. Im Falle von Arbeitnehmern, die einen unbefristeten Vertrag mit dem Leiharbeitsunternehmen geschlossen haben, sollte angesichts des hierdurch gegebenen besonderen Schutzes die Möglichkeit vorgesehen werden, von den im entleihenden Unternehmen geltenden Regeln abzuweichen.

(16) Um der Vielfalt der Arbeitsmärkte und der Arbeitsbeziehungen auf flexible Weise gerecht zu werden, können die Mitgliedstaaten den Sozialpartnern gestatten, Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen festzulegen, sofern das Gesamtschutzniveau für Leiharbeitnehmer gewahrt bleibt.

(17) Außerdem sollten die Mitgliedstaaten unter bestimmten, genau festgelegten Umständen auf der Grundlage einer zwischen den Sozialpartnern auf nationaler Ebene geschlossenen Vereinbarung vom Grundsatz der Gleichbehandlung in beschränktem Maße abweichen dürfen, sofern ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet ist.“

8 Art. 1 („Anwendungsbereich“) Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt für Arbeitnehmer, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sind und die entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um vorübergehend unter deren Aufsicht und Leitung zu arbeiten.“

9 Art. 2 („Ziel“) dieser Richtlinie sieht vor:

„Ziel dieser Richtlinie ist es, für den Schutz der Leiharbeitnehmer zu sorgen und die Qualität der Leiharbeit zu verbessern, indem die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern gemäß Artikel 5 gesichert wird und die Leiharbeitsunternehmen als Arbeitgeber anerkannt werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass ein angemessener Rahmen für den Einsatz von Leiharbeit festgelegt werden muss, um wirksam zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Entwicklung flexibler Arbeitsformen beizutragen.“

10 In Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2008/104 heißt es:

„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

f) ‚wesentliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen‘ die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die durch Gesetz, Verordnung, Verwaltungsvorschrift, Tarifvertrag und/oder sonstige verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art, die im entleihenden Unternehmen gelten, festgelegt sind und sich auf folgende Punkte beziehen:

i) Dauer der Arbeitszeit, Überstunden, Pausen, Ruhezeiten, Nachtarbeit, Urlaub, arbeitsfreie Tage,

ii) Arbeitsentgelt.

(2) Diese Richtlinie lässt das nationale Recht in Bezug auf die Begriffsbestimmungen von ‚Arbeitsentgelt‘, ‚Arbeitsvertrag‘, ‚Beschäftigungsverhältnis‘ oder ‚Arbeitnehmer‘ unberührt.

…“

11 Art. 5 („Grundsatz der Gleichbehandlung“) der Richtlinie bestimmt:

„(1) Die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer entsprechen während der Dauer ihrer Überlassung an ein entleihendes Unternehmen mindestens denjenigen, die für sie gelten würden, wenn sie von jenem genannten Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären.

(2) In Bezug auf das Arbeitsentgelt können die Mitgliedstaaten nach Anhörung der Sozialpartner die Möglichkeit vorsehen, dass vom Grundsatz des Absatzes 1 abgewichen wird, wenn Leiharbeitnehmer, die einen unbefristeten Vertrag mit dem Leiharbeitsunternehmen abgeschlossen haben, auch in der Zeit zwischen den Überlassungen bezahlt werden.

(3) Die Mitgliedstaaten können nach Anhörung der Sozialpartner diesen die Möglichkeit einräumen, auf der geeigneten Ebene und nach Maßgabe der von den Mitgliedstaaten festgelegten...

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