Urteile nº T-3/09 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, February 03, 2011

Resolution DateFebruary 03, 2011
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-3/09

In der Rechtssache T‑3/09

Italienische Republik, vertreten durch P. Gentili, avvocato dello Stato,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch E. Righini, C. Urraca Caviedes und V. Di Bucci als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2010/38/EG der Kommission vom 21. Oktober 2008 über die staatliche Beihilfe C 20/08 (ex N 62/08), die Italien im Rahmen einer Änderung der Beihilferegelung N 59/04 betreffend befristete Schutzmaßnahmen für den Schiffbau gewähren will (ABl. 2010, L 17, S. 50),

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro sowie der Richter S. Papasavvas und N. Wahl (Berichterstatter),

Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 2010

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

1 Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) bestimmt:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

b) ‚bestehende Beihilfen‘

i) … alle Beihilfen, die vor Inkrafttreten des Vertrags in dem entsprechenden Mitgliedstaat bestanden, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die vor Inkrafttreten des Vertrags eingeführt worden sind und auch nach dessen Inkrafttreten noch anwendbar sind;

ii) genehmigte Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die von der Kommission oder vom Rat genehmigt wurden;

v) Beihilfen, die als bestehende Beihilfen gelten, weil nachgewiesen werden kann, dass sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie eingeführt wurden, keine Beihilfe waren und später aufgrund der Entwicklung des Gemeinsamen Marktes zu Beihilfen wurden, ohne dass sie eine Änderung durch den betreffenden Mitgliedstaat erfahren haben. Werden bestimmte Maßnahmen im Anschluss an die Liberalisierung einer Tätigkeit durch gemeinschaftliche Rechtsvorschriften zu Beihilfen, so gelten derartige Maßnahmen nach dem für die Liberalisierung festgelegten Termin nicht als bestehende Beihilfen;

c) ‚neue Beihilfen‘ alle Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschließlich Änderungen bestehender Beihilfen;

…“

2 Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung Nr. 659/1999 (ABl. L 140, S. 1) lautet:

„Für den Zweck von Artikel 1 Buchstabe c) der Verordnung … Nr. 659/1999 ist die Änderung einer bestehenden Beihilfe jede Änderung, außer einer Änderung rein formaler oder verwaltungstechnischer Art, die keinen Einfluss auf die Würdigung der Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahme mit dem Gemeinsamen Markt haben kann. Eine Erhöhung der Ausgangsmittel für eine bestehende Beihilfe bis zu 20 % wird jedoch nicht als Änderung einer bestehenden Beihilfe angesehen.“

3 Der Rat erließ gestützt auf Art. 87 Abs. 3 Buchst. e EG die Verordnung (EG) Nr. 1177/2002 vom 27. Juni 2002 zur Einführung befristeter Schutzmaßnahmen für den Schiffbau (ABl. L 172, S. 1). Mit dieser Verordnung wurde eine derartige Maßnahme genehmigt, um die Werften in der Gemeinschaft zu unterstützen, denen durch den unlauteren Wettbewerb von Werften in Korea eine bedeutende Schädigung verursacht worden war (dritter Erwägungsgrund der Verordnung). Art. 2 Abs. 2 und 3 dieser Verordnung bestimmte, dass direkte Beihilfen für Aufträge für den Bau bestimmter Schiffe als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden konnten, wenn diese Beihilfen nicht über 6 % des Vertragswerts hinausgingen und wenn dem betroffenen Marktsektor durch den unlauteren koreanischen Wettbewerb eine bedeutende Schädigung verursacht worden war.

4 Nach Art. 3 der Verordnung Nr. 1177/2002 setzte die Gewährung der Beihilfe voraus, dass diese gemäß Art. 88 EG bei der Kommission angemeldet wurde; diese sollte die Beihilfe prüfen und über sie auf der Grundlage der Verordnung Nr. 659/1999 entscheiden.

5 Art. 2 Abs. 4 sowie die Art. 4 und 5 der Verordnung Nr. 1177/2002 lauteten:

„Artikel 2

(4) Diese Verordnung gilt nicht für Schiffe, die mehr als drei Jahre nach dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des endgültigen Vertrags abgeliefert werden. Die Kommission kann jedoch die Dreijahresfrist verlängern, wenn dies aufgrund der technischen Komplexität des betreffenden Schiffbauvorhabens oder durch Verzögerungen zu rechtfertigen ist, die sich aus unerwarteten, erheblichen und vertretbaren Unterbrechungen im Arbeitsprogramm der Werft ergeben, die auf außergewöhnliche, unvorhersehbare und außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmens liegende Umstände zurückzuführen sind.

Artikel 4

Diese Verordnung gilt für endgültige Verträge, die ab Inkrafttreten dieser Verordnung bis zum Ablauf ihrer Geltungsdauer geschlossen werden, mit Ausnahme der endgültigen Verträge, die geschlossen werden, bevor die Gemeinschaft im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften bekannt gegeben hat, dass sie gemäß der WTO-Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten Korea um Konsultationen ersucht und damit das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet hat, und mit Ausnahme der endgültigen Verträge, die mindestens einen Monat nach dem Zeitpunkt geschlossen werden, zu dem die Kommission im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften bekannt gegeben hat, dass das Streitbeilegungsverfahren beendet oder ausgesetzt worden ist, weil nach Ansicht der Gemeinschaft die Vereinbarte Niederschrift wirksam umgesetzt worden ist.

Artikel 5

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft und gilt bis zum 31. März 2004.

…“

6 Die Geltungsdauer der Verordnung Nr. 1177/2002, die in deren Art. 5 geregelt ist, wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 502/2004 des Rates vom 11. März 2004 zur Änderung der Verordnung Nr. 1177/2002 (ABl. L 81, S. 6) bis zum 31. März 2005 verlängert.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

7 Am 15. Januar 2004 meldete die Italienische Republik eine Beihilferegelung an, wonach sie beabsichtigte, die Verordnung Nr. 1177/2002 mittels Art. 4 Abs. 153 der Legge Nr. 350 – Disposizioni per la formazione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato (legge finanziaria 2004) (Gesetz Nr. 350 mit Bestimmungen für die Aufstellung des jährlichen und mehrjährigen Staatshaushalts, Haushaltsgesetz 2004) vom 24. Dezember 2003 (GURI Nr. 299 vom 27. Dezember 2003, Supplemento ordinario, im Folgenden: Gesetz Nr. 350/2003) anzuwenden. Diese Bestimmung lautete:

„Zur Durchführung [der Verordnung Nr. 1177/2002] werden für das Jahr 2004 10 Millionen Euro gewährt. Die Einzelheiten der zu gewährenden Beihilfe werden vom Ministero delle Infrastrutture e dei Trasporti [Ministerium für Infrastruktur und Verkehr] per Dekret festgelegt. Die Wirksamkeit der vorliegenden Regelung gilt gemäß Art. 88 Abs. 3 [EG] unter dem Vorbehalt der vorherigen Genehmigung durch die Kommission.“

8 Die Einzelheiten der zu gewährenden Beihilfe wurden durch einen Ministerialerlass des Ministers für Infrastruktur und Verkehr zur Umsetzung der Verordnung Nr. 1177/2002 des Rates vom 27. Juni 2002 zur Einführung befristeter Schutzmaßnahmen für den Schiffbau (GURI Nr. 93 vom 21. April 2004, im Folgenden: Ministerialerlass vom 2. Februar 2004) festgelegt.

9 Die Kommission genehmigte die unter C (2004) 1807 angemeldete Beihilferegelung N 59/2004 betreffend befristete Schutzmaßnahmen für den Schiffbau (im Folgenden: Regelung von 2004) mit Entscheidung vom 19. Mai 2004 (im Folgenden: Genehmigungsentscheidung von 2004), in der sie feststellte, dass die Beihilferegelung mit der Verordnung Nr. 1177/2002 und dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei.

10 Da die Italienische Republik der Auffassung war, dass die ursprüngliche Mittelzuweisung von 10 Millionen Euro nicht ausreiche, um sämtliche bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 1177/2002 in der durch die Verordnung Nr. 502/2004 geänderten Fassung gestellten Beihilfeanträge berücksichtigen zu können, teilte sie der Kommission am 1. Februar 2008 ihre Absicht mit, die in der Regelung von 2004 vorgesehenen Mittel mittels Art. 2 Abs. 206 der Legge Nr. 244 – Disposizioni per la formazione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato (legge finanziaria 2008) (Gesetz Nr. 244 mit Bestimmungen für die Aufstellung des jährlichen und mehrjährigen Staatshaushalts, Haushaltsgesetz 2008) vom 24. Dezember 2007 (GURI Nr. 300 vom 28. Dezember 2007, Supplemento ordinario) um weitere 10 Millionen Euro aufzustocken (im Folgenden: angemeldete Maßnahme).

11 Mit Schreiben vom 30. April 2008 setzte die Kommission die Italienische Republik von ihrer Entscheidung in Kenntnis, wegen der angemeldeten Maßnahme das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG einzuleiten. Die Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens wurde außerdem im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2008, C 140, S. 20) bekannt gegeben. Die Kommission forderte darin die Beteiligten auf, innerhalb eines Monats nach dem Datum dieser Veröffentlichung Stellung zu nehmen.

12 Am 21. Oktober 2008 erließ die Kommission die Entscheidung 2010/38/EG über die staatliche Beihilfe C 20/08 (ex N 62/08), die Italien im Rahmen einer Änderung der Beihilferegelung N 59/04 betreffend befristete Schutzmaßnahmen für den Schiffbau gewähren will (ABl. 2010, L 17, S. 50) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung). Art. 1 dieser Entscheidung lautet:

„Die staatliche Beihilfe, die Italien im Rahmen einer Änderung der Beihilferegelung N 59/04 betreffend befristete Schutzmaßnahmen für den Schiffbau gewähren will, so dass die Mittelausstattung der Regelung [von 2004] um 10 Mio. EUR erhöht wird, ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

Diese Beihilfe darf somit nicht durchgeführt werden.“

13 In der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die angemeldete Maßnahme eine neue Beihilfe im Sinne von Art. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 659/1999 und von Art. 4 der Verordnung Nr. 794/2004 darstelle und dass diese Beihilfe nicht als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen...

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