Urteile nº T-385/07 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, February 17, 2011

Resolution DateFebruary 17, 2011
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-385/07

In der Rechtssache T‑385/07

Fédération internationale de football association (FIFA) mit Sitz in Zürich (Schweiz), Prozessbevollmächtigte: zunächst R. Denton, E. Batchelor, F. Young, Solicitors, und Rechtsanwalt A. Barav, dann E. Batchelor, A. Barav, Rechtsanwalt D. Reymond und F. Carlin, Barrister,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch E. Montaguti und N. Yerrell als Bevollmächtigte im Beistand von J. Flynn, QC, und L. Maya, Barrister,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Belgien, vertreten durch L. Van den Broeck und C. Pochet als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte J. Stuyck, A. Berenboom und A. Joachimowicz,

durch

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und J. Möller als Bevollmächtigte,

und durch

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch S. Behzadi-Spencer, E. Jenkinson und L. Seeboruth als Bevollmächtigte im Beistand ursprünglich von T. de la Mare, dann B. Kennelly, Barristers,

Streithelfer,

wegen teilweiser Nichtigerklärung des Beschlusses 2007/479/EG der Kommission vom 25. Juni 2007 über die Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht von Maßnahmen Belgiens gemäß Artikel 3a Absatz 1 der Richtlinie 89/552/EWG des Rates [vom 3. Oktober 1989] zur Koordinierung bestimmter Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. L 180, S. 24)

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood (Berichterstatter) sowie der Richter L. Truchot und J. Schwarcz,

Kanzler: K. Pocheć, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Februar 2010

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

1 Art. 43 EG lautet:

„Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.

Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2 [EG], nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen.“

2 Art. 49 Abs. 1 EG bestimmt:

„Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.“

3 Art. 3a der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. L 298, S. 23), der durch die Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 zur Änderung der Richtlinie [89/552] (ABl. L 202, S. 60) eingefügt wurde, lautet:

„(1) Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht Maßnahmen ergreifen, mit denen sichergestellt werden soll, dass Fernsehveranstalter, die seiner Rechtshoheit unterliegen, nicht Ereignisse, denen der betreffende Mitgliedstaat eine erhebliche gesellschaftliche Bedeutung beimisst, auf Ausschließlichkeitsbasis in der Weise übertragen, dass einem bedeutenden Teil der Öffentlichkeit in dem Mitgliedstaat die Möglichkeit vorenthalten wird, das Ereignis im Wege direkter oder zeitversetzter Berichterstattung in einer frei zugänglichen Fernsehsendung zu verfolgen. Falls ein Mitgliedstaat entsprechende Maßnahmen ergreift, so erstellt er dabei eine Liste der nationalen und nichtnationalen Ereignisse, denen er eine erhebliche gesellschaftliche Bedeutung beimisst. Er trägt dafür auf eindeutige und transparente Weise rechtzeitig und wirksam Sorge. Dabei legt der betreffende Mitgliedstaat auch fest, ob diese Ereignisse im Wege direkter Gesamt‑ oder Teilberichterstattung oder, sofern im öffentlichen Interesse aus objektiven Gründen erforderlich oder angemessen, im Wege zeitversetzter Gesamt- oder Teilberichterstattung verfügbar sein sollen.

(2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission unverzüglich alle Maßnahmen mit, die sie gemäß Absatz 1 getroffen haben oder in Zukunft treffen werden. Die Kommission prüft binnen drei Monaten nach der Mitteilung, ob die Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, und teilt sie den anderen Mitgliedstaaten mit. Sie holt die Stellungnahme des gemäß Artikel 23a eingesetzten Ausschusses ein. Sie veröffentlicht die getroffenen Maßnahmen unverzüglich im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften; mindestens einmal jährlich veröffentlicht sie eine konsolidierte Liste der von den Mitgliedstaaten getroffenen Maßnahmen.

(3) Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen des innerstaatlichen Rechts durch geeignete Maßnahmen sicher, dass die ihrer Rechtshoheit unterliegenden Fernsehveranstalter die von ihnen nach der Veröffentlichung dieser Richtlinie erworbenen ausschließlichen Rechte nicht in der Weise ausüben, dass einem bedeutenden Teil der Öffentlichkeit in einem anderen Mitgliedstaat die Möglichkeit vorenthalten wird, die von diesem anderen Mitgliedstaat gemäß den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Ereignisse als direkte Gesamt- oder Teilberichterstattung oder, sofern im öffentlichen Interesse aus objektiven Gründen erforderlich oder angemessen, als zeitversetzte Gesamt‑ oder Teilberichterstattung in einer frei zugänglichen Fernsehsendung zu verfolgen, wie dies von dem anderen Mitgliedstaat gemäß Absatz 1 festgelegt worden ist.“

4 In den Erwägungsgründen 18 bis 22 der Richtlinie 97/36 heißt es:

„(18) Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Mitgliedstaaten in der Lage sind, Maßnahmen zu ergreifen, um das Recht auf Informationen zu schützen und der Öffentlichkeit breiten Zugang zur Fernsehberichterstattung über nationale oder nichtnationale Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung zu verschaffen, wie die Olympischen Spiele, die Fußballweltmeisterschaft und die Fußballeuropameisterschaft. Zu diesem Zweck steht es den Mitgliedstaaten weiterhin frei, mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbarende Maßnahmen zu ergreifen, mit denen die Ausübung ausschließlicher Senderechte für solche Ereignisse durch die ihrer Rechtshoheit unterliegenden Fernsehveranstalter geregelt werden soll.

(19) Es müssen innerhalb eines Gemeinschaftsrahmens Vorkehrungen getroffen werden, damit etwaige rechtliche Unsicherheit und Marktstörungen vermieden werden und der freie Verkehr für Fernsehdienste mit der Notwendigkeit, einer möglichen Umgehung der zum Schutz eines rechtmäßigen allgemeinen Interesses erlassenen Maßnahmen zu begegnen, in Einklang gebracht wird.

(20) Es ist insbesondere angezeigt, in dieser Richtlinie Bestimmungen für die Ausübung der ausschließlichen Senderechte festzulegen, die Fernsehveranstalter möglicherweise für Ereignisse erworben haben, die für die Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, dessen Rechtshoheit die Veranstalter unterliegen, von erheblicher Bedeutung sind. …

(21) Ereignisse von ‚erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung‘ im Sinne dieser Richtlinie sollten bestimmten Kriterien genügen, d. h., es sollten herausragende Ereignisse sein, die von Interesse für die breite Öffentlichkeit in der Europäischen Union, in einem bestimmten Mitgliedstaat oder in einem bedeutenden Teil eines bestimmten Mitgliedstaats sind und die im Voraus von einem Veranstalter organisiert werden, der kraft Gesetzes befugt ist, die Rechte an diesem Ereignis zu veräußern.

(22) Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff ‚frei zugängliche Fernsehsendung‘ die Ausstrahlung eines der Öffentlichkeit zugänglichen Programms auf einem öffentlichen oder privaten Kanal, ohne dass neben den in dem betreffenden Mitgliedstaat überwiegend anzutreffenden Arten der Gebührenentrichtung für das Fernsehen (beispielsweise Fernsehgebühren und/oder Grundgebühren für einen Kabelanschluss) eine weitere Zahlung zu leisten ist.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtener Beschluss

5 Die Klägerin, die Fédération internationale de football association (FIFA), ist ein aus 208 nationalen Fußballverbänden bestehender Verband und das Selbstverwaltungsorgan des Weltfußballs. Ihre Ziele bestehen insbesondere darin, den Fußball weltweit zu fördern und internationale Fußballwettbewerbe auszurichten. Der Verkauf ihrer Rechte an der Fernsehübertragung der Endrunde der von ihr ausgerichteten Fußballweltmeisterschaft (im Folgenden: Weltmeisterschaft) bildet ihre Haupteinnahmequelle.

6 In Belgien sind die Flämische und die Französische Gemeinschaft für den Erlass von Maßnahmen im Sinne des Art. 3a der Richtlinie 89/552 zuständig. So erließen die Behörden beider Gemeinschaften unterschiedliche Maßnahmen, die dann der Kommission der Europäischen Gemeinschaften von den belgischen föderalen Behörden mitgeteilt wurden.

7 Nach Art. 76 § 1 der vom Flämischen Rat erlassenen und am 25. Januar 1995 koordinierten Erlasse über Rundfunk und Fernsehen (Belgisches Staatsblatt vom 30. Mai 1995, S. 15092) „[erstellt die] Flämische Regierung … eine Liste mit Ereignissen, die als von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung erachtet werden und die aus diesem Grund nicht auf Ausschließlichkeitsbasis in einer Art und Weise ausgestrahlt werden dürfen, die es einem großen Teil der Flämischen Gemeinschaft unmöglich macht, sie als Direktübertragung oder zeitversetzte Übertragung über einen frei zugänglichen Fernsehdienst mitzuverfolgen“.

8 Mit Beschluss vom 28. Mai 2004 (Belgisches Staatsblatt vom 19. August 2004, S. 62207) bezeichnete die Flämische Regierung die Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung, darunter die Weltmeisterschaftsendrunde. Damit ein Ereignis für die Aufnahme in die Liste der Ereignisse von...

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