Urteile nº T-384/06 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, March 24, 2011

Resolution DateMarch 24, 2011
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-384/06

In der Rechtssache T‑384/06

IBP Ltd mit Sitz in Tipton (Vereinigtes Königreich),

International Building Products France SA mit Sitz in Sartrouville (Frankreich),

Prozessbevollmächtigte: M. Clough, QC, und A. Aldred, Solicitor,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre und V. Bottka als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung K(2006) 4180 endg. der Kommission vom 20. September 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F-1/38.121 – Rohrverbindungen), hilfsweise wegen Herabsetzung der gegen die Klägerinnen mit dieser Entscheidung verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro sowie der Richter N. Wahl (Berichterstatter) und A. Dittrich,

Kanzler: T. Weiler, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2010

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Mit der Entscheidung K(2006) 4180 endg. vom 20. September 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F-1/38.121 – Rohrverbindungen) (Zusammenfassung in ABl. 2007, L 283, S. 63, im Folgenden: angefochtene Entscheidung) stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften fest, dass mehrere Unternehmen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen hätten, indem sie sich während unterschiedlicher Zeiträume zwischen dem 31. Dezember 1988 und dem 1. April 2004 an einer einzigen, komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft in Form eines Bündels wettbewerbswidriger Vereinbarungen und abgestimmter Verhaltensweisen auf dem Markt für Rohrverbindungen (Fittings) aus Kupfer und Kupferlegierungen, die das gesamte EWR-Gebiet abdeckten, beteiligt hätten. Die Zuwiderhandlung habe in der Festsetzung der Preise, der Vereinbarung von Preislisten, Preisnachlässen und Rückvergütungen sowie von Mechanismen zur Durchführung von Preiserhöhungen, in der Aufteilung der nationalen Märkte und der Kunden, im Austausch anderer geschäftlicher Informationen sowie in der Teilnahme an regelmäßigen Treffen und anderen Kontakten, um die Zuwiderhandlung zu erleichtern, bestanden.

2 Die Klägerinnen, die IBP Ltd und die International Building Products France SA (im Folgenden: IBP France), gehören zu den Adressaten der angefochtenen Entscheidung.

3 IBP France ist ein hundertprozentiges Tochterunternehmen von IBP. Diese war 2001 von der Oystertec plc gegründet worden, um von der Delta plc am 23. November 2001 die Vermögenswerte der früheren Holdinggesellschaft IBP (die zunächst ebenfalls als IBP Ltd, dann als Aldway Nine Ltd firmierte) und die Anteile an deren Tochtergesellschaften zu erwerben. Am 1. Juni 2005 wurde Oystertec in Advanced Fluid Connections plc (im Folgenden: AFC) umbenannt. Am 24. März 2006 wurde diese der Zwangsvollstreckung unterstellt. Am 25. März 2006 veräußerten die Konkursverwalter alle Vermögenswerte von AFC, darunter auch die Klägerinnen und die International Building Products GmbH (im Folgenden: IBP Deutschland) an die Celestial Wing Ltd, damals eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Investmentfonds Endless LLP. Aus dieser wurde am 15. September 2006 die Pearl Fittings Ltd (35. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Mit zwei Beschlüssen vom 2. März 2007 eröffnete Richter Richards vom High Court of Justice (England & Wales) über die Klägerinnen das Insolvenzverfahren und bestellte für dessen Dauer zwei Verwalter.

4 Am 9. Januar 2001 informierte die Mueller Industries Inc., eine andere Herstellerin von Kupferfittings, die Kommission über das Bestehen eines Kartells in der Fittingbranche und in anderen verwandten Branchen auf dem Kupferrohrmarkt und erklärte ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit gemäß der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996) (114. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

5 Am 22. und 23. März 2001 führte die Kommission im Zuge ihrer Ermittlungen zu Kupferrohren und ‑fittings in den Betriebsstätten mehrerer Unternehmen unangekündigte Nachprüfungen nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), durch (119. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

6 Im Anschluss an diese ersten Nachprüfungen teilte die Kommission im April 2001 ihre Ermittlungen zu Kupferrohren in drei verschiedene Verfahren auf, nämlich das Verfahren in der Sache COMP/E-1/38.069 (Kupfer-Installationsrohre), das Verfahren in der Sache COMP/F‑1/38.121 (Fittings) und das Verfahren in der Sache COMP/E‑1/38.240 (Industrierohre) (120. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

7 Am 24. und 25. April 2001 führte die Kommission weitere unangekündigte Nachprüfungen in den Betriebsstätten der Delta plc durch, einer Gesellschaft an der Spitze eines internationalen Maschinenbaukonzerns, zu dessen Engineering-Bereich mehrere Fittinghersteller gehörten. Diese Nachprüfungen betrafen ausschließlich Fittings (121. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

8 Ab Februar/März 2002 sandte die Kommission an die betroffenen Parteien mehrere Auskunftsverlangen zunächst nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 und später nach Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) (122. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

9 Im September 2003 beantragte die IMI plc die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996. Diesem Antrag folgten die Anträge der Delta-Gruppe (März 2004) und der FRA.BO SpA (Juli 2004). Der letzte Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung wurde im Mai 2005 von AFC gestellt (Erwägungsgründe 115 bis 118 der angefochtenen Entscheidung).

10 Am 22. September 2005 leitete die Kommission in der Sache COMP/F‑1/38.121 (Rohrverbindungen) ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln ein und nahm eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an, die sie u. a. den Klägerinnen zusandte (Erwägungsgründe 123 und 124 der angefochtenen Entscheidung).

11 Am 20. September 2006 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung.

12 In Art. 1 der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die Klägerinnen gegen die Art. 81 EG und 53 EWR-Abkommen verstoßen hätten, und zwar im Fall von IBP vom 23. November 2001 bis zum 1. April 2004 und im Fall von IBP France vom 4. April 1998 bis zum 23. November 2001 (im Unternehmen Delta) und vom 23. November 2001 bis zum 1. April 2004 (im Unternehmen AFC).

13 Für diese Zuwiderhandlung setzte die Kommission gegen AFC eine Geldbuße in Höhe von 18,08 Millionen Euro fest, davon 11,26 Millionen Euro gesamtschuldnerisch mit IBP (Art. 2 Buchst. c Ziff. i der angefochtenen Entscheidung) und 5,63 Millionen Euro gesamtschuldnerisch mit IBP France (Art. 2 Buchst. c Ziff. ii der angefochtenen Entscheidung). Außerdem setzte die Kommission für diese Zuwiderhandlung gegen Delta eine Geldbuße in Höhe von 28,31 Millionen Euro fest, davon 5,63 Millionen Euro gesamtschuldnerisch mit IBP France (Art. 2 Buchst. d Ziff. iii der angefochtenen Entscheidung).

14 Bei der Festsetzung der Höhe der dem jeweiligen Unternehmen auferlegten Geldbuße wandte die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Methode an, die die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Art. 65 Abs. 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3; im Folgenden: Leitlinien von 1998), vorsehen.

15 Was zunächst die Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße nach Maßgabe der Schwere der Zuwiderhandlung anbelangt, stufte die Kommission diese aufgrund ihrer Art und ihrer räumlichen Reichweite als besonders schwerwiegend ein (755. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

16 Da die Kommission ferner davon ausging, dass zwischen den betroffenen Unternehmen erhebliche Unterschiede bestünden, wandte sie eine differenzierte Behandlung an und stellte insoweit auf ihre – anhand ihrer Marktanteile bestimmte – relative Bedeutung auf dem fraglichen Markt ab. Auf dieser Grundlage teilte sie die betroffenen Unternehmen in sechs Kategorien ein (758. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

17 Das Unternehmen Delta wurde der zweiten Kategorie zugeordnet, für die der Ausgangsbetrag auf 46 Millionen Euro festgesetzt wurde, während AFC der dritten Kategorie zugeordnet wurde, für die der Ausgangsbetrag auf 36 Millionen Euro festgesetzt wurde (765. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

18 In Anbetracht der Dauer der Zuwiderhandlung der Klägerinnen wurde der erste Teil des Ausgangsbetrags der Geldbuße gegen IBP France betreffend deren Teilnahme an der Zuwiderhandlung im Unternehmen Delta um 35 % und der zweite Teil betreffend die Teilnahme an der Zuwiderhandlung im Unternehmen AFC um 20 % erhöht. Der Ausgangsbetrag der Geldbuße gegen IBP wurde um 20 % erhöht.

19 Sodann wurde in der weiteren Beteiligung an der Zuwiderhandlung nach den Nachprüfungen der Kommission ein die Erhöhung des Grundbetrags der Geldbußen gegen die beiden Unternehmen Delta und AFC um 60 % rechtfertigender erschwerender Umstand gesehen (785. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Ebenso wurde der Grundbetrag von AFC wegen irreführender Angaben dieses Unternehmens gegenüber der Kommission um 50 % erhöht (790. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

20 Bei IBP wurde die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Obergrenze von 10 %, d. h. 11,26 Millionen Euro, anhand des weltweiten Gesamtumsatzes ermittelt. Im Fall von IBP France wurde diese Obergrenze von 10 % auf beide Teile des Betrags...

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