Beschlüsse nº T-18/01 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, March 29, 2001

Resolution DateMarch 29, 2001
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-18/01

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

29. März 2001(1) „Vorläufiger Rechtsschutz - Zulässigkeit - Dringlichkeit“

In der Rechtssache T-18/01 R

Anthony Goldstein, wohnhaft in Harrow, Middlesex (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigter: R. St. John Murphy, Solicitor,

Antragsteller,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Oliver und R. Lyal als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

wegen einstweiliger Anordnung im Zusammenhang mit einer Klage gemäß Artikel 230 EG auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 12. Januar 2001, mit der die Beschwerde des Antragstellers über den angeblichen Verstoß des General Council of the Bar of England and Wales gegen die Artikel 81 EG und 82 EG zurückgewiesen wurde,

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

Sachverhalt und Verfahren

1.
Der Kläger ist britischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland. Er hat einen Studienabschluss in Medizin und schloss 1999 den Bar Vocational Course ab, eine Voraussetzung für die Zulassung als Rechtsanwalt (Bar of England and Wales) und die Aufnahme einer Tätigkeit als Barrister in England und Wales.

2.
Am 30. Mai 1995 erhob der Antragsteller bei der Kommission eine Beschwerde nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des EWG-Vertrages (jetzt Artikel 81 EG und 82 EG; ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) in Bezug auf die Anwendung bestimmter wettbewerbswidriger Regelungen durch den General Council of the Bar of England and Wales (im Folgenden: Bar Council), eine berufsständische Körperschaft, die für die Regelung der Erbringung von Rechtsanwaltsleistungen durch Barrister in England und Wales zuständig ist.

3.
Die Beschwerde richtete sich insbesondere gegen das sich aus Rule 210 des vom Bar Council erlassenen Code of Conduct of the Bar of England and Wales (im Folgenden: Code) ergebende Erfordernis, dass ein in England und Wales praktizierender Barrister nur dann anwaltlich tätig werden dürfe, wenn er von Mandanten bestimmter Berufe, nämlich einem Solicitor oder einem Mitglied bestimmter Berufsorganisationen beauftragt oder hinzugezogen werde. Diese Regel wird allgemein als „direct-access-rule“ bezeichnet. Nach Ansicht des Antragstellers stellt sie eine gegen Artikel 81 EG verstoßende Wettbewerbsbeschränkung dar, da sie Personen, die anwaltliche Dienste in Anspruch nehmen wollten, die Möglichkeitdes direkten Zugangs zu den Diensten der in England und Wales praktizierenden Barrister verwehre.

4.
Mit Schreiben vom 16. Juni 2000 teilte die Kommission dem Antragsteller mit, dass sie es als unwahrscheinlich erachte, dass Artikel 81 Absatz 1 EG auf die in der Beschwerde genannten Praktiken anwendbar sein könnte, da diese ihrer Ansicht nach den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht nennenswert beeinträchtigten. Die Kommission forderte den Antragsteller dennoch gemäß Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 2842/98 der Kommission vom 22. Dezember 1998 über die Anhörung in bestimmten Verfahren nach Artikel 85 und 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG und 82 EG; ABl. L 354, S. 18) zur Mitteilung etwaiger, ihm nützlich erscheinender Bemerkungen auf.

5.
Der Antragsteller reichte seine Stellungnahme am 14. Juli 2000 ein und ergänzte diese am 12. Oktober 2000 durch weitere Angaben.

6.
Mit Schreiben vom 12. Januar 2001 teilte die Kommission dem Antragsteller nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 eine endgültige Entscheidung mit, mit der seine Beschwerde über den vermeintlichen Verstoß des Bar Council gegen die Artikel 81 EG und 82 EG einschließlich seines weiteren Vorbringens in Beantwortung des Schreibens der Kommission vom 16. Juni 2000 zurückgewiesen wurde (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

7.
Mit am 25. Januar 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob der Antragsteller Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung und beantragte, der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

8.
Mit getrenntem Schriftsatz, der am 31. Januar 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Antragsteller gemäß den Artikeln 242 und 243 EG den vorliegenden Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnungen in Bezug auf die erwähnte Hauptsache gestellt. Er beantragt,

- festzustellen, dass die Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft auf den durch die Richtlinien 77/249/EWG und 98/5/EG des Rates geschaffenen rechtlichen Rahmen auf der Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten einerseits und der Kommission und den Gemeinschaftsgerichten andererseits beruht, in deren Rahmen jeder entsprechend der ihm durch den Vertrag zugewiesenen Rolle handelt;

- festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung die Erhaltung eines illegalen Wirtschaftssektors auf dem Markt für anwaltliche Dienstleistungen im gesamten Gebiet des Vereinigten Königreichs sanktioniert;

- festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung die Zuständigkeiten der nationalen Wettbewerbsbehörden und der nationalen Gerichte im gesamten Gebiet der Gemeinschaft erheblich einschränkt und dadurch zu einem Verbot des Abbaus dieses illegalen Wirtschaftssektors und des Aufbaus eines legalen Wirtschaftssektors auf dem relevanten Markt führt;

- festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung als eine Maßnahme erscheint, die die Rechtswidrigkeit insofern gewissermaßen auf der Stirn trägt, als die Kommission bei der Beurteilung der Ausübung eines sich aus einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts, und zwar einer Richtlinie des Rates, ergebenden Rechts nicht die Tragweite dieser Bestimmung verändern oder die mit ihr verfolgten Zwecke vereiteln kann;

- den Vollzug der angefochtenen Entscheidung unverzüglich auszusetzen, bis das Gericht in der Hauptsache entschieden hat, da die Kommission die gemeinschaftsrechtliche Natur und die gemeinschaftsrechtlichen Wirkungen des besonderen rechtlichen Rahmens für den Arztberuf verschleiert, um die Richtlinie 84/450/EWG vom 10. September 1984 in Bezug auf irreführende Werbung für anwaltliche Dienstleistungen insofern gegenstandslos zu machen, als die Mitgliedstaaten - im Widerspruch zum ausdrücklichen Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers - nicht die Möglichkeit haben, Maßnahmen gegen eine solche irreführende Werbung durch den Bar Council zu ergreifen;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

9.
Der Antrag ist der Kommission zugestellt worden. Am 23. Februar 2001 hat diese ihre schriftliche Stellungnahme eingereicht, in der sie beantragt, die Klage abzuweisen und die Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen.

10.
Nach der Zustellung des vorliegenden Antrags an die Kommission, aber vor dem Erhalt ihrer Stellungnahme, hat der Antragsteller am 14. Februar 2001 bei der Kanzlei des Gerichts einen weiteren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in dem Verfahren zur Hauptsache gestellt, auf das sich auch der vorliegende Antrag bezieht. Dieser weitere Antrag, der der Kommission nicht zugestellt worden ist, ist unter dem Aktenzeichen T-18/01 R III in das Register des Gerichts eingetragen worden und Gegenstand eines getrennten Beschlusses vom heutigen Tag.

11.
In der mündlichen Verhandlung im Verfahren der einstweiligen Anordnung vor dem Präsidenten des Gerichts am 8. März 2001 haben der Antragsteller und die Kommission zum vorliegenden Antrag Stellung genommen. Der Antragsteller war durch Barrister Peter Marks vertreten, der vom Solicitor des Antragstellers, Herrn St. John Murphy, zu dessen Vertretung in der mündlichen Verhandlung bestellt worden war. In der Verhandlung haben die Bevollmächtigten der Parteien die Fragen des...

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