Urteile nº T-38/96 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, July 10, 1997

Resolution DateJuly 10, 1997
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-38/96

URTEIL DES GERICHTS (Zweite erweiterte Kammer)

10. Juli 1997 (1) „Wettbewerb — Untätigkeitsklage — Erledigung der Hauptsache —

Schadensersatzklage — Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T-38/96

Guérin automobiles, Gesellschaft französischen Rechts in Liquidation mit Sitz in

Alençon (Frankreich), Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Jean-Claude

Fourgoux, Paris und Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts

Pierrot Schiltz, 4, rue Béatrix de Bourbon, Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, ursprünglich vertreten durch

Francisco Enrique González Díaz, Juristischer Dienst, und Guy Charrier, zur

Kommission abgeordneter nationaler Beamter, als Bevollmächtigte, im Anschluß

daran durch Giuliano Marenco, Rechtsberater, und Guy Charrier,

Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre

Wagner, Luxemburg- Kirchberg,

Beklagte,

wegen Feststellung, daß es die Kommission unterlassen hat, der Gesellschaft Nissan

France die Beschwerdepunkte mitzuteilen, und Ersatz des Schadens wegen dieses

Unterlassens

erläßt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten C. W. Bellamy sowie der Richter C. P. Briët und

A. Kalogeropoulos,

Kanzler: A. Mair, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20.

November 1996,

folgendes

Urteil

Sachverhalt und Verfahren

1.
Über das Vermögen der Klägerin — ihre Tätigkeit bestand im Kauf und Verkauf

von Kraftfahrzeugen — wurde mit Urteil des Handelsgerichts Alençon vom 22. Mai

1995 das Konkursverfahren eröffnet.

2.
Zuvor, am 27. Mai 1994, hatte sie bei der Kommission eine Beschwerde gegen die

Nissan France SA eingereicht, die Nissan Fahrzeuge einführt und

Tochtergesellschaft des japanischen Herstellers ist.

3.
In dieser Beschwerde führte sie aus, daß sie Vertragshändlerin von Nissan France

gewesen sei und daß diese Anfang 1991 den Konzessionsvertrag zum Jahresbeginn

1992 gekündigt habe. Nach dieser Kündigung habe Nissan France sich weiterhin auf

ihr Alleinvertriebssystem berufen, um Herrn Guérin jegliche Entschädigung zu

verweigern, einen anderen Vertragshändler in diskriminierender Weise zu

bevorzugen und ihm mehrmals den Verkauf zu verweigern. Der von Nissan France

verwendete Standard-Konzessionsvertrag sei mit der Verordnung (EWG) Nr.

123/85 der Kommission vom 12. Dezember 1984 über die Anwendung von Artikel

85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und

Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (ABl. 1985, L 15, S. 16) unvereinbar. Da dieser Vertrag infolge seiner Wirkungen nicht unter Artikel 85

Absatz 3 EG-Vertrag fallen könne, wende sie sich an die Kommission, die dafür

zuständig sei, über die Praktiken von Nissan zu befinden, da sie nach Artikel 10 der

Verordnung Nr. 123/85 die Freistellung entziehen könne. Dabei wies sie auf

mehrere Klauseln des Standardvertrags von Nissan France bzw. sich daraus

ergebende Praktiken hin, die Nissan France gehandhabt habe, und erklärte, daß sie

ihre Beschwerde auf einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag stütze.

4.
Mit Schreiben vom 30. Juni 1994 übermittelte die Kommission der Nissan France

eine Kopie dieser Beschwerde und forderte sie auf, zu dem behaupteten

Sachverhalt Stellung zu nehmen. Am selben Tag unterrichtete sie die Klägerin von

dieser Übermittlung. Zwei Monate später übersandte Nissan France ihre Antwort

an die Kommission, die diese der Klägerin im September 1994 mitteilte.

5.
Mit Schreiben vom 21. Februar 1995 teilte die Klägerin der Kommission ihre

Stellungnahme zu den Antworten der Nissan France mit. Sie war insbesondere der

Auffassung, bereits der Vergleich der von ihr zur Begründung ihrer Beschwerde

gelieferten Nachweise, die Prüfung der beiden Fassungen des Vertrages und die

von Nissan eingereichte Antwort hätten es der Kommission gestattet, die

Beschwerdepunkte mitzuteilen. Nach einer ausführlichen Stellungnahme zu den

Antworten der Nissan France forderte sie die Kommission erneut auf, Nissan die

Beschwerdepunkte mitzuteilen, die sich eindeutig aus dem Studium der Akten

ergäben.

6.
Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.

7.
Am 17. Oktober 1995 erhob die Klägerin eine Klage, die zum einen, gestützt auf

Artikel 175 EG-Vertrag, auf die Feststellung einer Untätigkeit der Kommission,

und zum anderen, gestützt auf Artikel 215 EG-Vertrag, auf die Verurteilung der

Kommission zum Ersatz des durch diese Untätigkeit verursachten Schadens

gerichtet war.

8.
Mit Beschluß vom 11. März 1996 in der Rechtssache T-195/95 (Guérin

automobiles/Kommission, Slg. 1996, II-171) hat das Gericht die Klage als unzulässig

abgewiesen, soweit sie auf die Feststellung einer Untätigkeit der Kommission

gerichtet war. Soweit die Klage auf Schadensersatz gerichtet war, wurde die

Entscheidung über die Unzulässigkeitseinrede dem Endurteil vorbehalten.

9.
Mit Urteil des Gerichts vom 6. Mai 1997 in der Rechtssache T-195/95 (Slg. 1997,

II-0000) wurde die Schadensersatzklage als unzulässig abgewiesen.

10.
Am 2. Januar 1996 richtete die Klägerin ein weiteres Schreiben an die Kommission,

in dem sie diese bat, Nissan France die Beschwerdepunkte mitzuteilen. Dieses

Schreiben blieb unbeantwortet.

11.
Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 15. März 1966 in das Register der

Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, die vorliegende Klage erhoben.

12.
Das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters

beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu

eröffnen.

13.
Die Parteien haben in der Sitzung am 20. November 1996 mündliche Ausführungen

gemacht und die Fragen des Gerichts beantwortet; die mündliche Verhandlung

fand unter Mitwirkung des Präsidenten C. W. Bellamy sowie der Richter

H. Kirschner, C. P. Briët, A. Kalogeropoulos und A. Potocki statt. In der Sitzung

wurde es den Parteien gestattet, folgende Unterlagen vorzulegen: ein Schreiben der

Kommission an die Klägerin vom 25. Juli 1996, das auf Artikel 6 der Verordnung

Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel

19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) gestützt war, die Antwort der Klägerin vom 29. August 1996 sowie das Urteil des

Tribunal de commerce Versailles vom 22. März 1996 auf eine von der Klägerin am

22. Oktober 1992 gegen Nissan France erhobene Klage.

14.
Nach dem Ableben von Richter Kirschner am 6. Februar 1997 ist das vorliegende

Urteil von den drei unterzeichneten Richtern gemäß Artikel 32 § 1 der

Verfahrensordnung beraten worden.

Anträge der Parteien

15.
Die Klägerin beantragt,

— die Untätigkeit der Kommission festzustellen,

— gemäß Artikel 215 EG-Vertrag zu erkennen, daß die Kommission der

Klägerin außervertraglich haftet und ihr den auf 1 660 912 FF oder 237 273

ECU geschätzten Schaden zu ersetzen hat.

16.
Die Kommission beantragt,

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