Urteile nº T-545/11 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, October 08, 2013

Resolution DateOctober 08, 2013
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-545/11

„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Dokumente, die die Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen des Wirkstoffs Glyphosat betreffen – Teilweise Verweigerung des Zugangs – Gefahr der Beeinträchtigung der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person – Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 – Überwiegendes öffentliches Interesse – Verordnung (EG) Nr. 1367/2006Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 – Richtlinie 91/414/EWG“

In der Rechtssache T‑545/11

Stichting Greenpeace Nederland mit Sitz in Amsterdam (Niederlande),

Pesticide Action Network Europe (PAN Europe) mit Sitz in Brüssel (Belgien),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin B. Kloostra und Rechtsanwalt A. van den Biesen,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, Prozessbevollmächtigte: zunächst P. Oliver, P. Ondrůšek und C. ten Dam, dann P. Oliver, P. Ondrůšek und C. Zadra,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission vom 10. August 2011, mit dem der Zugang zu Band 4 des Entwurfs des Bewertungsberichts verweigert worden war, den die Bundesrepublik Deutschland als Bericht erstattender Mitgliedstaat über den Wirkstoff Glyphosat nach der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 230, S. 1) erstellt hatte,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter F. Dehousse und J. Schwarcz (Berichterstatter),

Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2013

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Die Kläger, Stichting Greenpeace Nederland und Pesticide Action Network Europe (PAN Europe), beantragten am 20. Dezember 2010 Zugang zu mehreren Dokumenten, die die nach der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 230, S. 1) erteilte Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen von Glyphosat als Wirkstoff betrafen. Der Antrag stützte sich auf die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) und auf die Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. L 264, S. 13).

2 Bei den beantragten Dokumenten handelt es sich um folgende:

– eine Kopie des Entwurfs des Bewertungsberichts, der vom Bericht erstattenden Mitgliedstaat, der Bundesrepublik Deutschland, vor der Erstaufnahme von Glyphosat in den Anhang I der Richtlinie 91/414 erstellt worden war (im Folgenden: Berichtsentwurf);

– eine vollständige Liste aller Tests, die von den Antragstellern, die die Aufnahme von Glyphosat in den Anhang I der Richtlinie 91/414 beantragt hatten ‒ die dann durch die Richtlinie 2001/99/EG der Kommission vom 20. November 2001 zur Änderung des Anhangs der Richtlinie 91/414 zur Aufnahme von unter anderem Glyphosat (ABl. L 304, S. 14) beschlossen wurde ‒, vorgelegt worden waren;

– die gesamten, vollständigen Originalunterlagen der Tests, die von den Antragstellern, die die Aufnahme von Glyphosat in den Anhang I der Richtlinie 91/414 beantragt hatten, im Jahr 2001 vorgelegt worden waren, soweit sie Langzeittoxizitätstests, Tests über die Mutagenität, Karzinogenität und Neurotoxizität sowie Fortpflanzungsstudien betrafen.

3 Mit Schreiben vom 20. Januar 2011 forderte die Europäische Kommission die Kläger auf, sich an die deutschen Behörden zu wenden, um Zugang zu den beantragten Dokumenten zu erhalten.

4 Die Kläger stellten am 7. Februar 2011 auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 einen Zweitantrag auf Zugang zu den Dokumenten.

5 Nachdem der Generalsekretär der Kommission die deutschen Behörden um vorherige Zustimmung gemäß Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 ersucht hatte, gewährte er mit Schreiben vom 6. Mai 2011 Zugang zum Berichtsentwurf mit Ausnahme von dessen Band 4 (im Folgenden: streitiges Dokument), dessen Verbreitung sich die deutschen Behörden widersetzten und der die vollständige Liste aller Tests enthielt, die von den Antragstellern, die die Erstaufnahme von Glyphosat in den Anhang I der Richtlinie 91/414 beantragt hatten, vorgelegt worden waren. Er teilte den Klägern mit, die Kommission sei nicht im Besitz der gesamten, vollständigen Originalunterlagen der Tests, die ihr nie übermittelt worden seien. Der Generalsekretär erklärte auch, dass die Gespräche mit den deutschen Behörden wegen der Verbreitung des streitigen Dokuments noch nicht abgeschlossen seien und später ein Beschluss ergehen werde.

6 Mit Beschluss vom 10. August 2011 verweigerte der Generalsekretär der Kommission unter Berufung auf die ablehnende Haltung der Bundesrepublik Deutschland den Zugang zum streitigen Dokument (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

7 In dem angefochtenen Beschluss legte der Generalsekretär der Kommission im Einzelnen dar, warum die Bundesrepublik Deutschland unter Berufung auf die Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, d. h. den Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, sich der Verbreitung des streitigen Dokuments widersetze. Die Bundesrepublik Deutschland sei nämlich der Ansicht, dass das streitige Dokument vertrauliche Informationen über die Rechte des geistigen Eigentums der Antragsteller, die die Aufnahme von Glyphosat in den Anhang I der Richtlinie 91/414 beantragt hätten, enthalte, und zwar die genaue chemische Zusammensetzung des von jedem der beiden Antragsteller hergestellten Wirkstoffs, genaue Informationen eines jeden Antragstellers zum Herstellungsverfahren des Stoffes, Informationen eines jeden zu Verunreinigungen, zur Zusammensetzung der Endprodukte und zu den Vertragsbeziehungen zwischen den verschiedenen Antragstellern.

8 Nach dem Hinweis, dass die deutschen Behörden erklärt hätten, ihrer Ansicht nach liege kein die Verbreitung des streitigen Dokuments rechtfertigendes überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 vor, prüfte der Generalsekretär der Kommission, ob ein solches öffentliches Interesse im Hinblick auf die Verordnung Nr. 1367/2006 geltend gemacht werden könne. Seiner Meinung nach war Art. 6 Abs. 1 dieser letzteren Verordnung auf das streitige Dokument nicht anwendbar, da es keine Informationen enthalte, die einen Bezug zu Emissionen in die Umwelt aufwiesen.

9 Der Generalsekretär der Kommission erklärte, nach Ansicht der Kommission beträfen die in Rede stehenden Informationen das Verfahren zur Herstellung von Glyphosat, das die Antragsteller, die die Aufnahme von Glyphosat in den Anhang I der Richtlinie 91/414 beantragt hätten, anwendeten, und im Rahmen der vorzunehmenden Interessensabwägung überwiege das Erfordernis, deren Rechte des geistigen Eigentums zu schützen, das öffentliche Interesse an der Verbreitung der Informationen. Die Verbreitung der in dem streitigen Dokument enthaltenen Informationen würde nämlich den Konkurrenzunternehmen ermöglichen, die Herstellungsverfahren der genannten Antragsteller zu kopieren, was deren geschäftliche Interessen und Rechte des geistigen Eigentums verletzen und zu erheblichen Verlusten für sie führen würde. Das öffentliche Interesse an der Verbreitung der Informationen sei bereits berücksichtigt worden, weil die möglichen Wirkungen der Emissionen von Glyphosat aus den veröffentlichten anderen Teilen des Berichtsentwurfs hervorgingen, insbesondere hinsichtlich der relevanten Verunreinigungen und der Metaboliten. Was die im streitigen Dokument enthaltenen Informationen zu den nicht relevanten Verunreinigungen angehe, so beträfen sie Elemente, die keine Gefahren für die Gesundheit oder die Umwelt darstellten, aber die Herstellungsverfahren jedes Mittels enthüllen würden.

10 Der Generalsekretär der Kommission wies sodann darauf hin, dass sich aus dem Verfahren, in dem Glyphosat in den Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgenommen worden sei, ergebe, dass die von der Verordnung Nr. 1367/2006 aufgestellten Erfordernisse in Bezug auf die Zugänglichkeit von Informationen für die Öffentlichkeit, die die Auswirkungen dieses Stoffes auf die Umwelt beträfen, berücksichtigt worden seien. Unter diesen Umständen müsse der Schutz der Interessen der Hersteller dieses Stoffes überwiegen.

11 Der Generalsekretär der Kommission kam zu dem Schluss, dass die beantragten Informationen nicht Emissionen in die Umwelt im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 beträfen und dass es keinen Beweis für ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung im Sinne von Nr. 1049/2001 gebe, wohingegen ein solches Interesse am Schutz der geschäftlichen Interessen und der Rechte des geistigen Eigentums der Hersteller von Glyphosat bestehe.

Verfahren und Anträge der Parteien

12 Mit Klageschrift, die am 14. Oktober 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

13 Die Kläger beantragen,

– festzustellen, dass die Kommission gegen das am 25. Juni 1998 in Århus unterzeichnete Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (im Folgenden: Übereinkommen von Århus) sowie gegen die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 und die Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 verstoßen hat;

– den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

– der Europäischen Kommission die Kosten aufzuerlegen.

14 Die Kommission beantragt,

– die Klage als unbegründet abzuweisen;

– den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

15 Mit einer prozessleitenden Maßnahme hat...

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