Urteile nº T-24/07 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, July 01, 2009

Resolution DateJuly 01, 2009
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-24/07

In der Rechtssache T-24/07

ThyssenKrupp Stainless AG mit Sitz in Duisburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Klusmann und S. Thomas,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Castillo de la Torre, R. Sauer und O. Weber als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen vollständiger oder teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 20. Dezember 2006 in einem Verfahren nach Art. 65 [KS] (Sache COMP/F/39.234 - Legierungszuschlag, Neuentscheidung) und hilfsweise wegen Herabsetzung der gegen ThyssenKrupp Stainless durch diese Entscheidung verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras (Berichterstatter) sowie der Richter M. Prek und V. M. Ciuc-,

Kanzler: T. Weiler, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2008

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

  1. Vorschriften des EGKS-Vertrags

    1 Art. 65 KS sieht vor:

    -§ 1. Verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, alle Beschlüsse von Verbänden von Unternehmen und alle verabredeten Praktiken, die darauf abzielen würden, auf dem gemeinsamen Markt unmittelbar oder mittelbar den normalen Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen, insbesondere

    a) die Preise festzusetzen oder zu bestimmen;

    b) die Erzeugung, die technische Entwicklung oder die Investitionen einzuschränken oder zu kontrollieren;

    c) die Märkte, Erzeugnisse, Abnehmer oder Versorgungsquellen aufzuteilen.

    § 2. Die Kommission genehmigt jedoch für bestimmte Erzeugnisse Vereinbarungen über Spezialisierung oder über gemeinsamen Ein- oder Verkauf, wenn [bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind] -

    § 3. Die Kommission kann sich gemäß den Bestimmungen des Artikels 47 alle zur Anwendung dieses Artikels erforderlichen Auskünfte verschaffen, und zwar durch eine besondere, an die Beteiligten gerichtete Aufforderung oder durch eine Verordnung, durch welche die Art der ihr mitzuteilenden Vereinbarungen, Beschlüsse oder Praktiken näher bezeichnet wird.

    § 4. Nach § 1 dieses Artikels untersagte Vereinbarungen oder Beschlüsse sind nichtig; eine Berufung auf sie ist vor keinem Gericht der Mitgliedstaaten zulässig.

    Vorbehaltlich der bei dem Gerichtshof zu erhebenden Klagen ist die Kommission ausschließlich zuständig, darüber zu entscheiden, ob die genannten Vereinbarungen oder Beschlüsse mit den Bestimmungen dieses Artikels in Einklang stehen.

    § 5. Gegen Unternehmen, die eine nichtige Vereinbarung getroffen oder im Wege eines Schiedsverfahrens, einer Vertragsstrafe, des Boykotts oder irgendeines anderen Mittels eine Vereinbarung oder einen nichtigen Beschluss oder eine Vereinbarung, deren Genehmigung abgelehnt oder widerrufen worden ist, angewendet oder anzuwenden versucht haben, oder die Vergünstigung einer Genehmigung durch vorsätzlich falsche oder entstellte Auskünfte erlangen, oder zu den Bestimmungen des § 1 im Widerspruch stehende Praktiken anwenden, kann die Kommission Geldbußen und Zwangsgelder festsetzen; der Höchstbetrag dieser Geldbußen und Zwangsgelder darf das Doppelte des Umsatzes nicht überschreiten, der in den Erzeugnissen erzielt worden ist, die Gegenstand der Vereinbarung, des Beschlusses oder der Praktiken waren, die zu den Bestimmungen dieses Artikels im Widerspruch stehen; war eine Beschränkung der Produktion, der technischen Entwicklung oder der Investitionen beabsichtigt, so wird dieser Höchstbetrag bis auf höchstens 10 v. H. des Jahresumsatzes der betreffenden Unternehmen erhöht, soweit es sich um die Geldbuße handelt, und bis auf höchstens 20 v. H. des Tagesumsatzes, soweit es sich um die Zwangsgelder handelt.-

    2 Gemäß seinem Art. 97 ist der EGKS-Vertrag am 23. Juli 2002 ausgelaufen.

  2. Mitteilung der Kommission über bestimmte Aspekte der Behandlung von Wettbewerbsfällen nach Auslaufen des EGKS-Vertrags

    3 Am 18. Juni 2002 erließ die Kommission eine Mitteilung über bestimmte Aspekte der Behandlung von Wettbewerbsfällen nach Auslaufen des EGKS-Vertrags (ABl. C 152, S. 5, im Folgenden: Mitteilung vom 18. Juni 2002).

    4 In Randnr. 2 der Mitteilung vom 18. Juni 2002 ist als deren Zweck angegeben:

    -- die Zusammenfassung der wichtigsten, sich aus dem Übergang zu der EG-Regelung ergebenden Änderungen in Bezug auf das geltende materielle und formelle Recht für die Wirtschaftsbeteiligten und die Mitgliedstaaten, soweit sie vom EGKS-Vertrag und seinen einschlägigen sekundären Rechtsvorschriften betroffen sind -

    - die Erläuterung, wie die Kommission bestimmte Fragen zu behandeln beabsichtigt, die durch den Übergang von der EGKS Regelung zu der EG-Regelung in Bezug auf das Kartellrecht, die Fusionskontrolle und die Kontrolle staatlicher Beihilfen aufgeworfen werden-

    5 Randnr. 31 der Mitteilung vom 18. Juni 2002 gehört zum Abschnitt über besondere Probleme beim Übergang von der EGKS-Regelung zur EG-Regelung und lautet:

    -Stellt die Kommission bei Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft auf Vereinbarungen in einem unter den EGKS-Vertrag fallenden Bereich einen Verstoß fest, so sind unabhängig vom Zeitpunkt der Anwendung die materiellen Rechtsvorschriften anwendbar, die bei Eintreten der Fakten, die den Verstoß darstellen, in Kraft waren. In jedem Fall gilt für das Verfahren nach Auslaufen des EGKS-Vertrags das EG-Recht.-

  3. Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1/2003

    6 Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) bestimmt:

    -Zur Anwendung der Artikel 81 und 82 [EG] verfügt die Kommission über die in dieser Verordnung vorgesehenen Befugnisse.-

    7 Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 lautet:

    -Stellt die Kommission auf eine Beschwerde hin oder von Amts wegen eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 oder Artikel 82 [EG] fest, so kann sie die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen. Sie kann ihnen hierzu alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben, die gegenüber der festgestellten Zuwiderhandlung verhältnismäßig und für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich sind. Abhilfemaßnahmen struktureller Art können nur in Ermangelung einer verhaltensorientierten Abhilfemaßnahme von gleicher Wirksamkeit festgelegt werden, oder wenn letztere im Vergleich zu Abhilfemaßnahmen struktureller Art mit einer größeren Belastung für die beteiligten Unternehmen verbunden wäre. Soweit die Kommission ein berechtigtes Interesse hat, kann sie auch eine Zuwiderhandlung feststellen, nachdem diese beendet ist.-

    8 Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 bestimmt:

    -Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig

    a) gegen Artikel 81 oder Artikel 82 [EG] verstoßen oder

    b) einer nach Artikel 8 erlassenen Entscheidung zur Anordnung einstweiliger Maßnahmen zuwiderhandeln oder

    c) durch Entscheidung gemäß Artikel 9 für bindend erklärte Verpflichtungszusagen nicht einhalten.

    Die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung darf 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.

    Steht die Zuwiderhandlung einer Unternehmensvereinigung mit der Tätigkeit ihrer Mitglieder im Zusammenhang, so darf die Geldbuße 10 % der Summe der Gesamtumsätze derjenigen Mitglieder, die auf dem Markt tätig waren, auf dem sich die Zuwiderhandlung der Vereinigung auswirkte, nicht übersteigen.-

    9 Art. 27 der Verordnung Nr. 1/2003 lautet:

    -(1) Vor einer Entscheidung gemäß den Artikeln 7, 8, 23 oder 24 Absatz 2 gibt die Kommission den Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, gegen die sich das von ihr betriebene Verfahren richtet, Gelegenheit, sich zu den Beschwerdepunkten zu äußern, die sie in Betracht gezogen hat. Die Kommission stützt ihre Entscheidung nur auf die Beschwerdepunkte, zu denen sich die Parteien äußern konnten. Die Beschwerdeführer werden eng in das Verfahren einbezogen.

    (2) Die Verteidigungsrechte der Parteien müssen während des Verfahrens in vollem Umfang gewahrt werden. Die Parteien haben Recht auf Einsicht in die Akten der Kommission, vorbehaltlich des berechtigten Interesses von Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse. Von der Akteneinsicht ausgenommen sind vertrauliche Informationen sowie interne Schriftstücke der Kommission und der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten. Insbesondere ist die Korrespondenz zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten oder zwischen den Letztgenannten, einschließlich der gemäß Artikel 11 und Artikel 14 erstellten Schriftstücke, von der Akteneinsicht ausgenommen. Die Regelung dieses Absatzes steht der Offenlegung und Nutzung der für den Nachweis einer Zuwiderhandlung notwendigen Informationen durch die Kommission in keiner Weise entgegen.

    --

    Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt

    10 Die Krupp Thyssen Nirosta GmbH, eine Gesellschaft deutschen Rechts, entstand am 1. Januar 1995 aus der Zusammenlegung der Tätigkeiten der Thyssen Stahl AG (im Folgenden: Thyssen) und der Fried. Krupp AG Hoesch-Krupp im Bereich -nichtrostende säure- und hochtemperaturbeständige Flachstahlerzeugnisse-. Aus Krupp Thyssen Nirosta wurde nach mehreren Änderungen der Firmenbezeichnung die ThyssenKrupp Stainless AG (im Folgenden: Klägerin oder TKS).

    11 Rostfreier Stahl ist ein Edelstahl, dessen Haupteigenschaft seine Korrosionsbeständigkeit ist. Diese Eigenschaft wird durch die Verwendung verschiedener Legierungselemente (Chrom, Nickel, Molybdän) während des Herstellungsprozesses erzielt. Rostfreier Stahl wird für Flacherzeugnisse (Bleche oder Rollen; warm- oder kaltgewalzt) oder für Langerzeugnisse (Stäbe, Walzdraht, Profile; warmgewalzt...

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