Urteile nº T-25/16 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, May 04, 2017

Resolution DateMay 04, 2017
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-25/16

„Unionsmarke - Widerspruchsverfahren - Anmeldung der Unionsbildmarke GELENKGOLD - Ältere Unionsbildmarke mit der Darstellung eines Tigers - Relatives Eintragungshindernis - Verwechslungsgefahr - Ähnlichkeit der Zeichen - Rechtskraft - Durch Benutzung erlangte erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke - Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 - Anspruch auf rechtliches Gehör - Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 - Serienmarke“

In der Rechtssache T-25/16

Haw Par Corp.Ltd mit Sitz in Singapur (Singapur), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R.-D. Härer, C. Schultze, J. Ossing, C. Weber, H. Ranzinger, C. Gehweiler und C. Brockmann,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch D. Walicka als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Cosmowell GmbH mit Sitz in Sankt Johann in Tirol (Österreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. Sachs und C. Sachs,

wegen Aufhebung der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vom 4. November 2015 (Sache R 1907/2015-1) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen Haw Par und Cosmowell

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. Berardis (Berichterstatter) sowie des Richters S. Papasavvas und der Richterin O. Spineanu-Matei,

Kanzler: I. Dragan, Verwaltungsrat,

aufgrund der am 25. Januar 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 22. April 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 11. April 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund der schriftlichen Fragen des Gerichts an die Parteien und der am 16. und 30. November sowie am 5. Dezember 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antworten der Parteien auf diese Fragen,

auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2017, an der die Klägerin nicht teilgenommen hat,

folgendes

Urteil

Sachverhalt

1 Am 11. Mai 2011 meldete die Streithelferin, die Cosmowell GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2 Dabei handelte es sich um folgendes Bildzeichen:

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3 Es wurden folgende Waren der Klasse 5 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsstoffe; Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel für nicht medizinische Zwecke; mineralische Nahrungsergänzungsmittel“.

4 Die Anmeldung der Unionsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 118/2011 vom 27. Juni 2011 veröffentlicht.

5 Am 14. September 2011 erhob die Klägerin, die Haw Par Corp. Ltd, Widerspruch nach Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Rn. 3 genannten Waren.

6 Der Widerspruch wurde u. a. auf die nachfolgend wiedergegebene, am 25. November 1998 unter der Nr. 228288 eingetragene und bis zum 16. April 2016 verlängerte ältere Unionsbildmarke gestützt:

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7 Die ältere Marke Nr. 228288 (im Folgenden: geprüfte ältere Marke) kennzeichnet u. a. folgende Waren der Klasse 5 des Abkommens von Nizza: „Pharmazeutische Präparate; medizinische Präparate und Heilmittel für die Anwendung beim Menschen; Pflaster, Bandagen und Verbandmaterial; medizinische Pflaster, Bandagen und Verbandmaterial; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide; Herbizide; Insektenvertreibungsmittel“.

8 Die Klägerin stützte sich ferner auf

- die nachfolgend wiedergegebene, am 25. November 1998 eingetragene und bis zum 16. April 2016 verlängerte Unionsmarke Nr. 228247:

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- die nachfolgend wiedergegebene, am 8. Oktober 1998 eingetragene und bis zum 10. Oktober 2016 verlängerte Unionsmarke Nr. 396770:

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- die nachfolgend wiedergegebene, am 10. März 1999 eingetragene und bis zum 16. April 2016 verlängerte Unionsmarke Nr. 228304:

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9 Der Widerspruch wurde auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gestützt.

10 Am 30. August 2012 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch in vollem Umfang statt.

11 Am 29. Oktober 2012 legte die Klägerin nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung Beschwerde beim EUIPO ein.

12 Mit Entscheidung vom 5. September 2013 (im Folgenden: erste Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück und bestätigte das Bestehen einer Verwechslungsgefahr. Sie stellte hierzu u. a. fest, dass

- von einem erhöhten Aufmerksamkeitsgrad der maf‌lgeblichen Verkehrskreise auszugehen und das betroffene Gebiet das der gesamten Europäischen Union sei, obwohl zweckmäf‌ligerweise zunächst auf die deutschsprachigen Verkehrskreise abgestellt werden sollte;

- die Waren teils identisch und teils ähnlich seien;

- der Vergleich der Zeichen, der die ältere Marke in der Form ihrer Eintragung und nicht ihrer vermeintlichen Benutzung zu berücksichtigen habe, zu der Feststellung führe, dass diese dem Bild nach zu einem mittleren Grad und dem Sinn nach hochgradig ähnlich seien, während ein klanglicher Vergleich nicht vorgenommen werden könne;

- der älteren Marke eine inhärente durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme;

- für die maf‌lgeblichen Verkehrskreise unabhängig von der Frage, ob diese Marke durch ihre Verwendung in Deutschland eine erhöhte Kennzeichnungskraft erlangt habe, Verwechslungsgefahr bestehe.

13 Mit Klageschrift, die am 11. November 2013 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Streithelferin Klage auf Aufhebung der ersten Entscheidung. Diese Klage wurde unter dem Aktenzeichen T-599/13 in das Register eingetragen.

14 Mit Urteil vom 7. Mai 2015, Cosmowell/HABM - Haw Par (GELENKGOLD) (T-599/13, EU:T:2015:262) (im Folgenden: Aufhebungsurteil), gab das Gericht dieser Klage statt und stellte u. a. fest, dass

- den Ausführungen der Vierten Beschwerdekammer zur Bestimmung der maf‌lgeblichen Verkehrskreise und deren Grad an Aufmerksamkeit beizupflichten sei (Aufhebungsurteil, Rn. 22 bis 24);

- für den Vergleich der Waren das Gleiche gelte (Aufhebungsurteil, Rn. 25 bis 27);

- die visuelle Ähnlichkeit der Zeichen entgegen der Feststellung der Vierten Beschwerdekammer nicht mittel, sondern schwach sei (Aufhebungsurteil, Rn. 48 und 49);

- entgegen der Feststellung der Vierten Beschwerdekammer ein klanglicher Vergleich der Zeichen möglich sei, da auf die angemeldete Marke durch Aussprechen ihres Wortelements „GelenkGold“ Bezug genommen werden könne, während sich die geprüfte ältere Marke ohne Weiteres mit dem genauen und konkreten Wort „Tiger“ in Verbindung bringen lasse, und sich diese Zeichen daher klanglich unterschieden (Aufhebungsurteil, Rn. 53, 64 und 65);

- die begriffliche Ähnlichkeit der Zeichen entgegen der Feststellung der Vierten Beschwerdekammer nicht hoch, sondern mittel sei (Aufhebungsurteil, Rn. 66 bis 71);

- das von der Vierten Beschwerdekammer festgestellte Bestehen einer Verwechslungsgefahr daher nicht bestätigt werden könne, sofern nicht nachgewiesen werde, dass die geprüfte ältere Marke über eine erhöhte Kennzeichnungskraft aufgrund ihrer Benutzung verfüge, was vom EUIPO zu prüfen sei (Aufhebungsurteil, Rn. 76 und 81).

15 Das Aufhebungsurteil ist rechtskräftig geworden, da es nicht angefochten wurde.

16 Mit Entscheidung des Präsidiums der Beschwerdekammern vom 12. September 2015 wurde das neue Verfahren vor dem EUIPO der Ersten Beschwerdekammer zugewiesen.

17 Mit Entscheidung vom 4. November 2015 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Erste Beschwerdekammer die Entscheidung der Widerspruchsabteilung auf und wies den Widerspruch zurück. Erstens folgte sie den Feststellungen, die das Gericht im Aufhebungsurteil zu den maf‌lgeblichen Verkehrskreisen, dem Vergleich der Waren und dem Vergleich der Zeichen getroffen hatte. Zweitens würdigte sie die Beweise, die die Klägerin vor der Widerspruchsabteilung vorgelegt hatte, um die erhöhte Kennzeichnungskraft nachzuweisen, die die geprüfte ältere Marke aufgrund ihrer Bekanntheit beim Publikum aufweise. Insoweit entkräftete sie die Schlussfolgerung der Widerspruchsabteilung, dass der geprüften älteren Marke aufgrund dieser Beweise eine solche Kennzeichnungskraft zuerkannt werden könne. Infolgedessen entschied die Erste Beschwerdekammer, dass die schwache visuelle Ähnlichkeit der Zeichen und ihre mittlere begriffliche Ähnlichkeit angesichts der klanglichen Unterschiede und des erhöhten Aufmerksamkeitsgrads der maf‌lgeblichen Verkehrskreise selbst bei identischen Waren nicht ausreichten, um das Bestehen einer Verwechslungsgefahr zu begründen.

Anträge der Parteien

18 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

- dem EUIPO und der Streithelferin die Kosten einschlief‌llich der im Verfahren vor der Beschwerdekammer entstandenen Kosten aufzuerlegen.

19 Das EUIPO beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

20 Nach einer Klarstellung in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts hin beantragt die Streithelferin,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten dieses Verfahrens aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

21 Die Klägerin stützt ihre Klage im Wesentlichen auf drei Gründe, nämlich erstens einen Fehler beim klanglichen Vergleich der Zeichen und bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr, zweitens einen Verstof‌l gegen Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 und drittens das Versäumnis, auf das zur Stützung des Widerspruchs geltend gemachte Argument zum Vorliegen einer Serie älterer Marken einzugehen.

Vorbemerkungen

22 Gemäf‌l Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr...

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