Urteile nº T-1/17 of Tribunal General de la Unión Europea, March 15, 2018

Resolution DateMarch 15, 2018
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-1/17

„Unionsmarke - Nichtigkeitsverfahren - Unionsbildmarke La Mafia SE SIENTA A LA MESA - Absolutes Eintragungshindernis - Verstof‌l gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten - Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung [EU] 2017/1001)“

In der Rechtssache T-1/17

La Mafia Franchises, SL, mit Sitz in Saragossa (Spanien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt I. Sempere Massa,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistigen Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Folliard-Monguiral als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von D. Del Gaizo, avvocato dello Stato,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vom 27. Oktober 2016 (Sache R 803/2016-1) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen der Italienischen Republik und La Mafia Franchises

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni und der Richter L. Madise und R. da Silva Passos (Berichterstatter),

Kanzler: I. Dragan, Verwaltungsrat,

aufgrund der am 2. Januar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 7. April 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 6. April 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Italienischen Republik,

auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2017

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Am 30. November 2006 meldete die La Honorable Hermandad, SL, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin, die La Mafia Franchises, SL, ist, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke [ABl. 2009, L 78, S. 1] in geänderter Fassung, diese wiederum ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2 Bei der Marke, deren Eintragung beantragt wurde, handelt es sich um die folgende Bildmarke:

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3 Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 25, 35 und 43 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

- Klasse 25: „Schuhwaren (ausgenommen orthopädische), Bekleidungstücke, T-Shirts, Mützen“;

- Klasse 35: „Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; Hilfe bei der Geschäftsführung; Beratung in Fragen der Geschäftsführung; Beratungsdienste in Fragen der Geschäftsführung; Unterstützung beim Betrieb von Franchiseunternehmen; Werbung; Franchisevergabe in Bezug auf die Verpflegung von Gästen und den Betrieb von Café-Restaurants“;

- Klasse 43: „Verpflegung von Gästen, Betrieb von Bars, Cafeterien, Café-Restaurants“.

4 Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 24/2007 vom 11. Juni 2007 veröffentlicht. Die angegriffene Marke wurde am 20. Dezember 2007 unter der Nr. 5510921 eingetragen.

5 Am 23. Juli 2015 stellte die Italienische Republik beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung der angegriffenen Marke für sämtliche Waren und Dienstleistungen, für die diese eingetragen worden war.

6 Dieser Antrag wurde auf den in Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 2017/1001) genannten Nichtigkeitsgrund gestützt. Die Italienische Republik machte im Wesentlichen geltend, dass die angegriffene Marke gegen die öffentliche Ordnung und gegen die guten Sitten verstof‌le, weil sich das Wortelement „Mafia“ auf eine kriminelle Organisation beziehe und weil dessen Benutzung in dieser Marke, die im Hinblick auf die Bezeichnung der Restaurantkette der Klägerin stattfinde, nicht nur ausgesprochen negative Gefühle hervorrufe, sondern auch dazu führe, das positive Erscheinungsbild der italienischen Gastronomie zu „verfälschen“ und die negative Bedeutung dieses Elements zu verharmlosen.

7 Mit Entscheidung vom 3. März 2016 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Antrag auf Nichtigerklärung statt.

8 Am 29. April 2016 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Beschwerde ein.

9 Mit Entscheidung vom 27. Oktober 2016 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) bestätigte die Erste Beschwerdekammer des EUIPO, dass die angegriffene Marke gegen die öffentliche Ordnung verstof‌le, und wies die Beschwerde zurück.

10 Die Beschwerdekammer stellte zunächst klar, dass die Frage, ob die angegriffene Marke gegen die öffentliche Ordnung verstof‌le, anhand der Auffassung der maf‌lgeblichen Verkehrskreise in der Europäischen Union oder eines Teils derselben zu beantworten sei, da eine Eintragung einer Unionsmarke zu löschen sei, wenn ein Nichtigkeitsgrund auch nur in einem Teil der Union vorliege.

11 Anschlief‌lend stellte die Beschwerdekammer fest, dass das Wortelement „La Mafia“ angesichts seiner Gröf‌le und seiner Positionierung in der angegriffenen Marke diese Marke dominiere. Die Mafia sei eine kriminelle Organisation, die von der italienischen Regierung mit Hilfe spezieller Rechtsvorschriften und Anwendungsmaf‌lnahmen bekämpft werde. Darüber hinaus sei die Bekämpfung der organisierten Kriminalität auch eines der wichtigsten Ziele der Einrichtungen der Europäischen Union. In Sachen, in denen gegen die Grundsätze und die Grundwerte der europäischen Gesellschaft verstof‌len werde, sei das EUIPO zur Aufrechterhaltung eines strikten Standpunkts verpflichtet, so dass es die Eintragung jeder Unionsmarke wegen eines Verstof‌les gegen die öffentliche Ordnung zu verweigern habe, wenn sie den Gedanken auslösen könne, dass sie der Unterstützung einer kriminellen Organisation diene oder ihr nutze. Am Ende dieser Prüfung stellte die Beschwerdekammer zum einen fest, dass die angegriffene Marke die unter dem Namen Mafia bekannte kriminelle Organisation offenkundig fördere, und zum anderen, dass die Wortelemente der angegriffenen Marke insgesamt eine Botschaft von Geselligkeit zum Ausdruck brächten und das Wortelement „Mafia“ verharmlosten, womit sie dem von diesem Element vermittelten Ernst nicht gerecht würden.

12 Schlief‌llich bestätigte die Beschwerdekammer, dass die angegriffene Marke nicht vom EUIPO geschützt werden dürfe, und dass diese Feststellung weder dadurch beeinflusst werden könne, dass das Wortelement „Mafia“ häufig in der Literatur und im Kino verwendet worden sei, noch dadurch, dass andere Unionsmarken, die ebendieses Element enthielten, vom EUIPO eingetragen worden seien.

Anträge der Verfahrensbeteiligten

13 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

- die angegriffene Marke für gültig zu erklären;

- dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

14 Das EUIPO und die Italienische Republik beantragen,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

Zur Zulässigkeit der erstmals vor dem Gericht vorgetragenen Argumente

15 Das EUIPO hält die Anlagen A.7, A.8 und A.9 der Klageschrift sowie die Bilder und Links, die in den Rn. 44, 46 und 54 der Klageschrift enthalten sind und die auf Internetseiten verweisen, für unzulässig. Diese Beweise seien nämlich in keiner Phase des Verfahrens vor dem EUIPO vorgelegt worden.

16 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es in Anbetracht des in Art. 65 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 72 der Verordnung 2017/1001) vorgesehenen Gegenstands der Klage nicht Aufgabe des Gerichts ist, im Rahmen einer solchen Klage den Sachverhalt im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. November 2005, Sadas/HABM - LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T-346/04, EU:T:2005:420, Rn. 19, und vom 9. Februar 2017, International Gaming Projects/EUIPO - adp Gauselmann [TRIPLE EVOLUTION], T-82/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:66, Rn. 16).

17 Im vorliegenden Fall sind die oben in Rn. 15 genannten Beweise - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat - erstmals im Rahmen der Klage vor dem Gericht eingereicht worden. Diese Beweise sind daher als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass ihre Beweiskraft geprüft zu werden braucht.

Zur Begründetheit

18 Zur Stützung ihrer Klage beruft sich die Klägerin auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie einen Verstof‌l gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 59 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001) in Verbindung mit deren Art. 7 Abs. 1 Buchst. f rügt.

19 Die Klägerin macht zunächst geltend, dass weder die unter dem Namen „Mafia“ bekannte Organisation noch ihre Mitglieder in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maf‌lnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl. 2001, L 344, S. 93) aufgeführt seien, auf den sich die Prüfungsleitlinien des EUIPO zwecks Veranschaulichung des Verbots der Eintragung von gegen die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 verstof‌lenden Unionsmarken bezögen.

20 Nach der Praxis des EUIPO und der Rechtsprechung sei eine Unionsmarke als Ganzes zu prüfen. Dass die angegriffene Marke auf das Wortelement „Mafia“ verweise, reiche nicht zur Annahme, der Durchschnittsverbraucher verstehe sie dahin, dass sie diese kriminelle Organisation fördere oder unterstütze. Die übrigen Elemente, aus denen diese Marke bestehe, implizierten vielmehr, dass sie als eine Art Parodie oder Bezugnahme auf die Filme der Saga „Der Pate“ aufgefasst werde.

21 Überdies seien die von der angegriffenen Marke erfassten Waren und Dienstleistungen keine „kommunizierenden“ Dienstleistungen...

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