Urteile nº T-446/04 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, January 19, 2010

Resolution DateJanuary 19, 2010
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-446/04

In den verbundenen Rechtssachen T‑355/04 und T‑446/04

Co-Frutta Soc. coop. mit Sitz in Padua (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte W. Viscardini und G. Donà,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch L. Visaggio und P. Aalto, dann durch P. Aalto und L. Prete als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung, in der Rechtssache T‑355/04, der Entscheidung der Kommission vom 28. April 2004, mit der ein Erstantrag auf Zugang zu den Daten über die in der Gemeinschaft als Bananeneinführer eingetragenen Marktbeteiligten abgelehnt wurde, und der stillschweigenden Entscheidung der Kommission, mit der der Zweitantrag auf Zugang abgelehnt wurde, sowie, in der Rechtssache T‑446/04, der ausdrücklichen Entscheidung der Kommission vom 10. August 2004, mit der der Zugang zu diesen Daten abgelehnt wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová, der Richterin K. Jürimäe sowie des Richters S. Soldevila Fragoso (Berichterstatter),

Kanzler: K. Pocheć, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2008

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

  1. Die Gemeinschaftsregelung über den Zugang zu Dokumenten

    1 Art. 255 Abs. 1 EG bestimmt:

    „Jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat hat das Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vorbehaltlich der Grundsätze und Bedingungen, die nach den Absätzen 2 und 3 festzulegen sind.“

    2 Diese Grundsätze und Bedingungen wurden durch die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) festgelegt.

    3 Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimmt:

    „Diese Verordnung gilt für alle Dokumente eines Organs, das heißt Dokumente aus allen Tätigkeitsbereichen der Union, die von dem Organ erstellt wurden oder bei ihm eingegangen sind und sich in seinem Besitz befinden.“

    4 Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001, in dem die Ausnahmen vom Zugangsrecht geregelt sind, sieht vor:

    „…

    (2) Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:

    – der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums,

    es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

    (4) Bezüglich Dokumente Dritter konsultiert das Organ diese, um zu beurteilen, ob eine der Ausnahmeregelungen der Absätze 1 oder 2 anwendbar ist, es sei denn, es ist klar, dass das Dokument verbreitet werden muss bzw. nicht verbreitet werden darf.

    (5) Ein Mitgliedstaat kann das Organ ersuchen, ein aus diesem Mitgliedstaat stammendes Dokument nicht ohne seine vorherige Zustimmung zu verbreiten.

    (6) Wenn nur Teile des angeforderten Dokuments einer der Ausnahmen unterliegen, werden die übrigen Teile des Dokuments freigegeben.

    (7) Die Ausnahmen gemäß den Absätzen 1 bis 3 gelten nur für den Zeitraum, in dem der Schutz aufgrund des Inhalts des Dokuments gerechtfertigt ist. Die Ausnahmen gelten höchstens für einen Zeitraum von 30 Jahren. Im Falle von Dokumenten, die unter die Ausnahmeregelungen bezüglich der Privatsphäre oder der geschäftlichen Interessen fallen, und im Falle von sensiblen Dokumenten können die Ausnahmen erforderlichenfalls nach Ablauf dieses Zeitraums weiter Anwendung finden.“

    5 Art. 7 („Behandlung von Erstanträgen“) der Verordnung Nr. 1049/2001 sieht vor:

    „(1) Ein Antrag auf Zugang zu einem Dokument wird unverzüglich bearbeitet. Dem Antragsteller wird eine Empfangsbescheinigung zugesandt. Binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Registrierung des Antrags gewährt das Organ entweder Zugang zu dem angeforderten Dokument und macht es innerhalb dieses Zeitraums gemäß Artikel 10 zugänglich oder informiert den Antragsteller schriftlich über die Gründe für die vollständige oder teilweise Ablehnung und über dessen Recht, gemäß Absatz 2 dieses Artikels einen Zweitantrag zu stellen.

    (2) Im Fall einer vollständigen oder teilweisen Ablehnung kann der Antragsteller binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Eingang des Antwortschreibens des Organs einen Zweitantrag an das Organ richten und es um eine Überprüfung seines Standpunkts ersuchen.

    (3) In Ausnahmefällen, beispielsweise bei einem Antrag auf Zugang zu einem sehr umfangreichen Dokument oder zu einer sehr großen Zahl von Dokumenten, kann die in Absatz 1 vorgesehene Frist um fünfzehn Arbeitstage verlängert werden, sofern der Antragsteller vorab informiert wird und eine ausführliche Begründung erhält.“

    6 Art. 8 („Behandlung von Zweitanträgen“) der Verordnung Nr. 1049/2001 lautet:

    „(1) Ein Zweitantrag ist unverzüglich zu bearbeiten. Binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Registrierung eines solchen Antrags gewährt das Organ entweder Zugang zu dem angeforderten Dokument und macht es innerhalb dieses Zeitraums gemäß Artikel 10 zugänglich oder teilt schriftlich die Gründe für die vollständige oder teilweise Ablehnung mit. Verweigert das Organ den Zugang vollständig oder teilweise, so unterrichtet es den Antragsteller über mögliche Rechtsbehelfe, das heißt, Erhebung einer Klage gegen das Organ und/oder Einlegen einer Beschwerde beim Bürgerbeauftragten nach Maßgabe der Artikel 230 [EG] bzw. 195 [EG].

    (2) In Ausnahmefällen, beispielsweise bei einem Antrag auf Zugang zu einem sehr umfangreichen Dokument oder zu einer sehr großen Zahl von Dokumenten, kann die in Absatz 1 vorgesehene Frist um fünfzehn Arbeitstage verlängert werden, sofern der Antragsteller vorab informiert wird und eine ausführliche Begründung erhält.

    (3) Antwortet das Organ nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist, gilt dies als abschlägiger Bescheid und berechtigt den Antragsteller, nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen des EG-Vertrags Klage gegen das Organ zu erheben und/oder Beschwerde beim Bürgerbeauftragten einzulegen.“

    7 In Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 erließ die Europäische Kommission den Beschluss 2001/937/EG, EGKS, Euratom vom 5. Dezember 2001 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung (ABl. L 345, S. 94), dessen Anhang die Bestimmungen über das Zugangsrecht zu Dokumenten der Kommission enthält, wobei im Wesentlichen die oben angeführten Bestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001 übernommen werden.

  2. Die Gemeinschaftsregelung über die Einfuhr von Bananen

    8 Die Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen (ABl. L 47, S. 1) führte eine gemeinsame Regelung für die Einfuhr aus Drittländern ein, die ab dem 1. Juli 1993 galt.

    9 Im Rahmen dieser Regelung, die vom 1. Januar 1999 an durch die Verordnung (EG) Nr. 2362/98 der Kommission vom 28. Oktober 1998 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 404/93 betreffend die Einfuhrregelung für Bananen in die Gemeinschaft (ABl. L 293, S. 32) durchgeführt wird, müssen die zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten der Kommission jedes Jahr die Listen der bei ihnen eingetragenen Marktbeteiligten mit Daten über die von jedem Einzelnen in einem Bezugszeitraum vermarkteten Mengen, über die von den Marktbeteiligten im laufenden Jahr beantragten Mengen und über die tatsächlich vermarkteten Mengen unter Angabe der Nummern der verwendeten Lizenzen (vgl. insbesondere Art. 4 der Verordnung [EWG] Nr. 1442/93 der Kommission vom 10. Juni 1993 mit Durchführungsbestimmungen zu der Einfuhrregelung für Bananen [ABl. L 142, S. 6] und Art. 6 Abs. 2 und 28 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2362/98) sowie bestimmte vierteljährliche statistische und wirtschaftliche Angaben, insbesondere über die Einfuhrlizenzen (vgl. insbesondere Art. 21 der Verordnung Nr. 1442/93 und Art. 27 der Verordnung Nr. 2362/98), übermitteln.

    10 Den einzelnen traditionellen Marktbeteiligten wird zu den Zollkontingenten jeweils ein Zugang gewährt, der durch die individuelle Referenzmenge begrenzt ist, die die zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten auf der Grundlage der in einem bestimmten Zeitraum eingeführten Mengen festsetzen. Die Übermittlung der betreffenden Listen ermöglicht es der Kommission, die den zuständigen nationalen Stellen vorliegenden Daten zu überprüfen und, soweit erforderlich, die Listen an die anderen Mitgliedstaaten weiterzugeben, damit Falscherklärungen der Marktbeteiligten erkannt oder verhindert werden können. Auf der Grundlage der übermittelten Daten setzt die Kommission gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 1442/93 sowie Art. 6 und 28 der Verordnung Nr. 2362/98 gegebenenfalls einen einheitlichen Anpassungskoeffizienten fest, der von den Mitgliedstaaten auf die Referenzmengen der Marktbeteiligten anzuwenden ist.

    Vorgeschichte des Rechtsstreits

    11 Die klagende Co-Frutta Soc. coop. ist eine italienische Genossenschaft von Bananenreifungsbetrieben. Aus der italienischen Presse erfuhr sie, dass zwischen März 1998 und Juni 2000 auf der Grundlage gefälschter Einfuhrlizenzen Bananen auf betrügerische Art und Weise zu einem reduzierten Zollsatz in die Gemeinschaft eingeführt worden seien.

    12 Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei von diesen Einfuhren betroffen, da es durch die Verbringung zusätzlicher Mengen auf den Gemeinschaftsmarkt, die eine Überschreitung des Zollkontingents bedeutet hätten, zu groben Preisverfälschungen gekommen sei; der erlittene Schaden wäre noch größer, wenn sich herausstellen sollte, dass die Einfuhren nicht mit gefälschten Lizenzen, sondern mit Lizenzen erfolgt seien, die auf der Grundlage falscher oder fehlerhafter Referenzmengen ordnungsgemäß erteilt worden seien, was eine Verringerung der Referenzmenge zur Folge hätte.

    13 Mit Urteil vom 16. Oktober 2003, Co-Frutta/Kommission (T‑47/01, Slg. 2003, II‑4441, im Folgenden: Urteil Co-Frutta I), wies das Gericht die Klage der Klägerin gegen eine erste Entscheidung der Kommission ab, mit der ihr der Zugang zu bestimmten Dokumenten bezüglich der...

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