Urteile nº T-70/05 of TGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, March 02, 2010

Resolution DateMarch 02, 2010
Issuing OrganizationTGericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Decision NumberT-70/05

In der Rechtssache T‑70/05

Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE mit Sitz in Athen (Griechenland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt N. Korogiannakis,

Klägerin,

gegen

Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA), vertreten durch W. de Ruiter und J. Menze als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt J. Stuyck,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidungen der EMSA, die von der Klägerin im Rahmen der Ausschreibungsverfahren EMSA C‑1/01/04 betreffend den Auftrag „SafeSeaNet – Validierung und weitere Entwicklung“ und EMSA C‑2/06/04 betreffend den Auftrag „Spezifikation und Aufbau einer Datenbank über Unfälle in der Seefahrt, ein Netzwerk- und Managementsystem“ vorgelegten Angebote nicht zu berücksichtigen und die Aufträge an andere Bieter zu vergeben,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi, der Richterin E. Cremona (Berichterstatterin) und des Richters S. Frimodt Nielsen,

Kanzler: C. Kantza, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2009

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

1 Die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2002 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (ABl. L 208, S. 1) errichtet. Ihr Ziel ist die Gewährleistung eines hohen, einheitlichen und effektiven Sicherheitsniveaus im Seeverkehr und die Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe in der Europäischen Union.

2 Gemäß Art. 5 Abs. 1 dieser Verordnung ist die EMSA eine Einrichtung der Gemeinschaft, die Rechtspersönlichkeit besitzt.

3 Art. 8 der Verordnung Nr. 1406/2002 sieht vor:

„(1) Die vertragliche Haftung der [EMSA] bestimmt sich nach dem Recht, das auf den betreffenden Vertrag anzuwenden ist.

(2) Der Gerichtshof ist für Entscheidungen aufgrund einer Schiedsklausel in einem von der [EMSA] geschlossenen Vertrag zuständig.

(3) Im Bereich der außervertraglichen Haftung ersetzt die [EMSA] den durch ihre Dienststellen oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind.

(4) Der Gerichtshof ist für Streitsachen über den Schadensersatz nach Absatz 3 zuständig.

(5) Die persönliche Haftung der Bediensteten gegenüber der [EMSA] bestimmt sich nach den Vorschriften des Statuts bzw. der für sie geltenden Beschäftigungsbedingungen.“

4 Art. 185 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 248, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung) bestimmt:

„Die Kommission erlässt eine Rahmenfinanzregelung für die von den Gemeinschaften geschaffenen Einrichtungen, die mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind und wirklich Beiträge zulasten des Haushalts erhalten. Die Finanzregelung dieser Einrichtungen darf von der Rahmenregelung nur abweichen, wenn dies wegen besonderer Merkmale ihrer Funktionsweise erforderlich ist und sofern die Kommission dem zustimmt.“

5 Art. 74 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2343/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 betreffend die Rahmenfinanzregelung für Einrichtungen gemäß Artikel 185 der Haushaltsordnung (ABl. L 357, S. 72) in ihrer für den Sachverhalt maßgeblichen Fassung lautet:

„Für die Vergabe öffentlicher Aufträge gelten die einschlägigen Bestimmungen der Haushaltsordnung und deren Durchführungsbestimmungen.“

6 Diese Bestimmung ist in der Haushaltsordnung der EMSA als Art. 74 übernommen worden, die am 3. Juli 2003 durch den Verwaltungsrat der EMSA beschlossen worden ist.

7 Die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen durch die in Art. 185 der Haushaltsordnung genannten Einrichtungen unterliegt daher den Bestimmungen des Titels V des Ersten Teils der Haushaltsordnung sowie den Vorschriften der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung (ABl. L 357, S. 1, im Folgenden: Durchführungsbestimmungen). Diese Bestimmungen orientieren sich an den einschlägigen Richtlinien, insbesondere bei Dienstleistungsaufträgen an der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) in der geänderten Fassung.

8 In Art. 89 Abs. 1 der Haushaltsordnung heißt es:

„Für öffentliche Aufträge, die ganz oder teilweise aus dem Haushalt finanziert werden, gelten die Grundsätze der Transparenz, der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung.“

9 Art. 97 der Haushaltsordnung in ihrer für den Sachverhalt maßgeblichen Fassung lautet:

„(1) Die Auswahlkriterien zur Bewertung der Leistungsfähigkeit der Bewerber oder Bieter und die Zuschlagskriterien zur Bewertung des Inhalts der Angebote werden vorab festgelegt und in den Ausschreibungsunterlagen spezifiziert.

(2) Die Auftragsvergabe erfolgt durch Zuschlag oder im Leistungswettbewerb.“

10 Dazu bestimmt Art. 138 der Durchführungsbestimmungen in ihrer für den Sachverhalt maßgeblichen Fassung:

„…

(2) Das wirtschaftlich günstigste Angebot ist das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis, das anhand von Kriterien wie vorgeschlagener Preis, technischer Wert, Ästhetik und Zweckmäßigkeit, Umweltaspekte, Betriebskosten, Ausführungs- oder Lieferfrist, Kundendienst und technische Unterstützung ermittelt wird.

(3) Der öffentliche Auftraggeber macht in der Bekanntmachung des Auftrags oder in den Verdingungsunterlagen genaue Angaben zur relativen Gewichtung der Kriterien, die bei der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots zugrunde gelegt werden.

Die relative Gewichtung des Preiskriteriums gegenüber den anderen Kriterien darf nicht dazu führen, dass das Preiskriterium bei der Wahl des Auftragnehmers seine Bedeutung verliert.

Ist bedingt durch die Art des Auftrags eine solche Gewichtung aus technischen Gründen ausnahmsweise nicht möglich, so gibt der öffentliche Auftraggeber lediglich die Reihenfolge an, in der diese Kriterien mit abnehmender Bedeutung angewandt werden.“

11 Art. 98 der Haushaltsordnung sieht vor:

„(1) Die Modalitäten der Angebotsabgabe müssen einen effektiven Wettbewerb und die Vertraulichkeit der Angebote bis zu deren gleichzeitiger Eröffnung gewährleisten.

(3) Außer bei Aufträgen mit geringem Volumen … wird die Eröffnung der Bewerbungen oder Angebote durch einen zu diesem Zweck benannten Eröffnungsausschuss vorgenommen. Die von diesem als nicht anforderungsgerecht deklarierten Bewerbungen oder Angebote werden zurückgewiesen.

(4) Die Bewertung sämtlicher vom Eröffnungsausschuss als anforderungsgerecht deklarierter Bewerbungen oder Angebote wird anhand der Auswahl- und Zuschlagskriterien, die in den Ausschreibungsunterlagen festgelegt sind, von einem zu diesem Zweck benannten Ausschuss vorgenommen, der den Auftragnehmer vorschlägt.“

12 Art. 143 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen in ihrer für den Sachverhalt maßgeblichen Fassung lautete:

„Die Angebote können nach Wahl des Bieters wie folgt übermittelt werden:

a) entweder mit der Post: in den Ausschreibungsunterlagen wird das Datum des Versands als Einschreibebrief für verbindlich erklärt, wobei der Poststempel ausschlaggebend ist;

b) oder durch Hinterlegung bei den Dienststellen des Organs durch den Bieter oder einen Vertreter oder einen Kurierdienst: abgesehen von den in Artikel 130 Absatz 2 Buchstabe a) gemachten Angaben wird in den Ausschreibungsunterlagen die Dienststelle genannt, bei der die Angebote gegen Aushändigung einer datierten und unterzeichneten Empfangsbestätigung einzureichen sind.“

13 Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung bestimmt:

„Der öffentliche Auftraggeber unterrichtet alle Bewerber oder Bieter, deren Bewerbung oder Angebot abgelehnt wurde, über die Gründe für die Ablehnung; er teilt die Merkmale und Vorteile seines Angebots sowie den Namen des Auftragnehmers allen Bietern mit, die ein anforderungsgemäßes Angebot eingereicht und schriftlich um diese Mitteilung ersucht haben.

Die Veröffentlichung bestimmter Informationen kann entfallen, wenn sie Gesetzesvollzug behindern, dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen, die legitimen Geschäftsinteressen öffentlicher oder privater Unternehmen beeinträchtigen würde oder dem lauteren Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern schaden könnte.“

14 Dazu bestimmt Art. 149 der Durchführungsbestimmungen in ihrer für den Sachverhalt maßgeblichen Fassung:

„(1) Der öffentliche Auftraggeber teilt den Bewerbern und Bietern so schnell wie möglich mit, wie über ihr Angebot entschieden wurde, und nennt gegebenenfalls die Gründe, warum er auf die Vergabe eines ausgeschriebenen Auftrags verzichtet oder die Einleitung eines neuen Verfahrens beschlossen hat.

(2) Der öffentliche Auftraggeber übersendet binnen 15 Kalendertagen nach Eingang eines entsprechenden schriftlichen Antrags die in Artikel 100 Absatz 2 der Haushaltsordnung genannten Informationen.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

15 Die Klägerin, die Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE, ist eine Gesellschaft griechischen Rechts, die auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie tätig ist.

16 Die vorliegende Rechtssache betrifft zwei Ausschreibungen, eine für die „SafeSeaNet-Validierung und weitere Entwicklung“ unter dem Aktenzeichen EMSA C‑1/01/04‑2004 (im Folgenden: Ausschreibung C‑1/01/04) und eine für „Spezifikation und Aufbau einer Datenbank über Unfälle in der Seefahrt, ein Netzwerk- und Managementsystem (Informationsplattform betreffend Unfälle in der Seefahrt)“ unter dem Aktenzeichen EMSA C‑2/06/04 (im Folgenden: Ausschreibung C‑2/06/04).

  1. Ausschreibungsverfahren EMSA C‑1/01/04

    17 Die EMSA leitete durch eine im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 1. Juli 2004...

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