Urteile nº T-74/18 of Tribunal General de la Unión Europea, June 13, 2019

Resolution DateJune 13, 2019
Issuing OrganizationTribunal General de la Unión Europea
Decision NumberT-74/18

„Gemeinschaftsgeschmacksmuster - Nichtigkeitsverfahren - Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das einen Informationsblatthalter für Fahrzeuge darstellt - Älteres Geschmacksmuster - Nachweis der Offenbarung - Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 - Nichtigkeitsgrund - Fehlende Eigenart - Informierter Benutzer - Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers - Kein unterschiedlicher Gesamteindruck - Art. 6 und Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002“

In der Rechtssache T-74/18

Visi/one GmbH mit Sitz in Remscheid (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H. Bourree und M. Bartz,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch S. Hanne und D. Walicka als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO:

EasyFix GmbH mit Sitz in Wien (Österreich),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des EUIPO vom 4. Dezember 2017 (Sache R 1424/2016-3) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen EasyFix und Visi/one

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins, der Richterin M. Kancheva (Berichterstatterin) und des Richters G. De Baere,

Kanzler: E. Hendrix, Verwaltungsrat,

aufgrund der am 6. Februar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 25. April 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der schriftlichen Frage des Gerichts an die Klägerin und deren am 4. Januar 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antwort darauf,

auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2019

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Am 28. November 2013 meldete die Klägerin, die Visi/one GmbH, beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) gemäfl der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) das am selben Tag unter der Nr. 1391114-0001 eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster an, das in folgenden Ansichten wiedergegeben ist:

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2 Das angegriffene Geschmacksmuster soll bei „Informationstafeln, Schilder[n] für Fahrzeuge“ verwendet werden, die zur Klasse 20.3 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle vom 8. Oktober 1968 in geänderter Fassung gehören. Es wurde am 10. Februar 2014 im Blatt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 2014/026 veröffentlicht.

3 Am 27. Juli 2015 beantragte die EasyFix GmbH, das angegriffene Geschmacksmuster auf der Grundlage von Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 in Verbindung mit deren Art. 5 und 6 für nichtig zu erklären, weil es ihm an Neuheit und Eigenart fehle.

4 Als Beilagen A bis E zu ihrem Antrag auf Nichtigerklärung legte EasyFix u. a. die vom EUIPO wie folgt beschriebenen Unterlagen vor:

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5 Mit Entscheidung vom 3. Juni 2016 erklärte die Nichtigkeitsabteilung das angegriffene Geschmacksmuster wegen fehlender Eigenart für nichtig.

6 Am 3. August 2016 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung nach den Art. 55 bis 60 der Verordnung Nr. 6/2002 beim EUIPO Beschwerde ein.

7 Mit Entscheidung vom 4. Dezember 2017 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Dritte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Sie stellte im Wesentlichen fest, dass dem angegriffenen Geschmacksmuster die Eigenart fehle. Erstens seien die als Beilagen A bis E zum Antrag auf Nichtigerklärung eingereichten Unterlagen geeignet, die Offenbarung des älteren Geschmacksmusters nachzuweisen. Zweitens handele es sich bei den informierten Benutzern der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster um Geschäftsleute, die ihre Waren auspreisen wollten, sowie Personen im Einkauf von Unternehmen, die solche Preisauszeichnungstafeln erwürben. Drittens sei die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei „Informationstafeln, Schilder[n] für Fahrzeuge“ sowohl im Hinblick auf die Form als auch das verwendete Material grofl. Viertens seien die Unterschiede zwischen den Geschmacksmustern gering und änderten nichts daran, dass der von ihnen hervorgerufene Gesamteindruck derselbe sei.

Anträge der Parteien

8 Nach einer im Protokoll der mündlichen Verhandlung festgehaltenen Klarstellung beantragt die Klägerin,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

- dem EUIPO die Kosten des Verfahrens einschliefllich der im Laufe des Beschwerdeverfahrens angefallenen Kosten aufzuerlegen.

9 Das EUIPO beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

10 Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Gründe, mit denen sie erstens eine fehlerhafte Würdigung der Beweise in Bezug auf die Offenbarung eines „älteren Musters“ unter Verstofl gegen Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002, zweitens einen Verstofl gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör gemäfl Art. 62 Satz 2 dieser Verordnung, drittens einen Verstofl gegen die Begründungspflicht nach Art. 62 Satz 1 dieser Verordnung und viertens eine fehlerhafte Beurteilung der Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters und damit einen Verstofl gegen Art. 6 und Art. 25 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung geltend macht.

Zum ersten Klagegrund: fehlerhafte Würdigung der Beweise in Bezug auf die Offenbarung des „älteren Musters“ unter Verstofl gegen Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002

11 Im Rahmen des ersten Klagegrundes rügt die Klägerin die Feststellung der Beschwerdekammer, dass die in den Beilagen A bis E zum Antrag auf Nichtigerklärung vorgelegten Dokumente geeignet seien, die Offenbarung eines „älteren Musters“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 zu beweisen. Zur Stützung dieses Klagegrundes bringt sie sieben Rügen vor.

12 Erstens belegten die in den Beilagen A und D zum Antrag auf Nichtigerklärung vorgelegten Dokumente keine Offenbarung des „älteren Musters“, weil sie erst am 20. Juli 2015, also nach dem Tag der Anmeldung des angegriffenen Geschmacksmusters, ausgedruckt worden seien.

13 Zweitens habe die Beschwerdekammer im Hinblick auf den als Beilage B zum Antrag auf Nichtigerklärung vorgelegten Katalog in Rn. 17 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, es sei irrelevant, ob das Deckblatt tatsächlich zu den restlichen Seiten dieser Beilage gehöre. Demgegenüber - so die Klägerin - dürfe bei Zweifeln an der Zugehörigkeit des Deckblatts zum Rest des Katalogs die Beilage B insgesamt nicht berücksichtigt werden. Die ihr übermittelten Unterlagen des Katalogs seien lediglich lose zusammengestellte Blätter. Schon alleine aufgrund der nicht fortlaufenden Nummerierung, der zweimaligen Verwendung derselben Seitenzahl 2 sowie der Verwendung der Seitenzahl 31 zwischen der Seitenzahl 2 und der erneuten Verwendung der Seitenzahl 2 sei es offensichtlich, dass die in der Beilage B enthaltenen Elemente kein einheitlicher Katalog und deshalb so auch nie veröffentlicht worden seien. Auflerdem widerspreche die Tatsache, dass innerhalb desselben Katalogs auf unterschiedliche Internetseiten und E-Mail-Adressen hingewiesen werde (mal auf die Internetseite www.easyfix.co.at und die E-Mail-Adresse info@easyfix.co.at, mal auf die Internetseite www.easyfix.at und die E-Mail-Adresse info@easyfix.at), entschieden der allgemeinen Lebenserfahrung. Zudem sei die Internetdomain „www.easyfix.co.at“ einem Datenbankausdruck des österreichischen Domainnamenregisters (nic.at GmbH) zufolge überhaupt nicht registriert. Die Klägerin bestreitet somit, dass die Seite mit dem Titel „Preisauszeichnung“ und ebenfalls der Seitenzahl 2 in diesem Katalog tatsächlich vor dem Tag der Anmeldung des angegriffenen Geschmacksmusters veröffentlicht wurde.

14 Drittens wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung gefolgert zu haben, der als Beilage B zum Antrag auf Nichtigerklärung vorgelegte Katalog sei im Jahr 2010 veröffentlicht worden, weil auf der Seite mit dem Titel „Editorial“ zu lesen sei, dass der Katalog „rechtzeitig zur Fachmesse Automechanika 2010 herausgekommen ist“. Ihrer Auffassung nach könne dies nicht einmal beweisen, dass diese Werbeunterlage überhaupt veröffentlicht worden sei, geschweige denn in welcher Zusammenstellung und wann. Selbst wenn es sich um einen gebundenen Katalog gehandelt haben sollte, von dem das EUIPO ihr nur eine ungeordnete Kopie übermittelt habe, beweise dies nicht, dass dieser Katalog mit dem vorgelegten Inhalt vorveröffentlicht gewesen sei.

15 Viertens habe die Beschwerdekammer in Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht eine Vorveröffentlichung des in der Beilage C zum Antrag auf Nichtigerklärung vorgelegten Dokuments als bewiesen angenommen, während dieses von der Nichtigkeitsabteilung zu Recht nicht berücksichtigt worden sei und es sich um einen Katalogentwurf handeln könne, der an eine mit EasyFix verbundene Gesellschaft adressiert gewesen und nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei.

16 Fünftens habe die Beschwerdekammer in Rn. 21 der angefochtenen Entscheidung die unzutreffende Feststellung getroffen, die Abbildungen der in den Beilagen A bis D zum Antrag auf Nichtigerklärung vorgelegten Dokumente enthielten alle dasselbe Datenblatt eines BMW 520i Touring, und hieraus ebenfalls unzutreffend weiter geschlussfolgert, dass sich deshalb die in Rn. 4 der angefochtenen Entscheidung abgebildeten Informationstafeln zur Preisauszeichnung alle auf dasselbe ältere Muster bezögen. Der Verwendung eines identischen (Beispiel-)Textes könne nicht entnommen werden, ob die Werbeunterlagen mit der betreffenden Abbildung überhaupt veröffentlicht worden seien, ob sie in der vorgelegten Zusammenstellung veröffentlicht worden seien und zu welchem Zeitpunkt sie veröffentlicht worden seien. Sie gehe davon aus, dass es sich um einen fiktiven Angebotstext handele, der auch von anderen Unternehmen verwendet werde, und überreicht als Anlage beispielhaft eine aktuell ausgedruckte Abbildung des identischen Angebotstexts, der von einem anderen Anbieter von...

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